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Höhere Lasten für energieintensive Betriebe

Gestern hat Bundesumweltminister Peter Altmaier seine Pläne vorgestellt, wie der rasante Anstieg der Strompreise in Deutschland gestoppt werden kann. Unter anderem will er Hand anlegen bei der Befreiung energieintensiver Betriebe von der Ökostrom-Umlage. Noch ist unklar, was auf die großen Unternehmen zukommt.

Günter Hetzke im Gespräch mit Andreas Kolbe | 29.01.2013
    "Wenn immer mehr Strom nicht unter die EEG-Umlage fällt oder nur zu einem kleinen Teil von ihr erfasst ist, dann wird die EEG-Umlage für alle anderen höher. Und deshalb werde ich vorschlagen, dass wir die Mindestumlage für energieintensive Unternehmen maßvoll erhöhen und dass wir gegebenenfalls auch den maximalen Anteil des begünstigten Stroms am Stromverbrauch festschreiben."

    Andreas Kolbe: Maßvoll erhöhen – das ist die Formulierung über die nun wild spekuliert werden darf. Günter Hetzke aus der Deutschlandfunk-Wirtschaftsredaktion, was kommt da denn nun auf die großen Stromverbraucher in der Industrie zu?

    Günter Hetzke: Wie Sie richtig sagten, Herr Kolbe, da kann derzeit nur spekuliert werden. Aber klar ist, er müsste die Kriterien wieder hochschrauben, nach denen Industriebetriebe von der EEG-Umlage befreit werden. Denn ursprünglich waren es ja tatsächlich nur die Großverbraucher, die wirklich stromintensiven Unternehmen, die von der Regelung betroffen waren. Dazu zählten Firmen, die mehr als 100 Gigawattstunden pro Jahr abnahmen und bei denen die Kosten des Strompreises am Produkt, in der Fachsprache an der Bruttowertschöpfung, über 20 Prozent lagen. Und wer seinen Strom selbst bezogen und verbraucht hat, bei dem lag die Grenze bei zehn Gigawattstunden pro Jahr. Dem wurden dann aber auch nur 90 Prozent der Umlage erlassen. Inzwischen liegt diese Befreiungsgrenze aber schon bei einer Gigawattstunde pro Jahr. Und das hat eben zur Folge, dass sich immer mehr Firmen befreien lassen können, wie zum Beispiel die vielzitierten Geflügelhöfe, bei denen aber die Kosten für Strom nur eine vergleichsweise geringe Rolle spielen für den Preis des Endproduktes. Und diese Ausnahmen, die könnten und sollten deutlich reduziert werden. Denn wir hatten im vergangenen Jahr gut 700 Unternehmen, die sich befreien ließen, für dieses Jahr ist die Zahl der Antragsteller mehr als dreimal so hoch.

    Kolbe: Gibt es denn Industrien, die auch weiterhin von den Abgaben ausgenommen bleiben dürften?

    Hetzke: Wenn man berücksichtigt, dass der Strompreis für Großabnehmer in Deutschland um mehr als zehn Prozent über dem EU-Durchschnitt liegt und diese Spanne sogar noch größer ist, wenn wir unsere Strompreise mit denen in Teilen Chinas, in Südkorea oder den USA vergleichen, dann, aber nur dann kann man durchaus der Ansicht sein, dass die Konzerne, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen, weiterhin nur einen geringen Teil der Mehrkosten bezahlen müssen. Warum, das erläutert am Beispiel seines Unternehmens Michael Schmidt, Vorstandsvorsitzender von BP Europa:

    "Allein in Deutschland verbrauchen wir mit unseren Raffinerien Strom in der Größenordnung von etwa vier Terawatt, knapp ein Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs. Auch kleine Veränderungen, sogenannte kleine Veränderungen der Strompreise, spielen daher für uns eine durchaus wesentliche Rolle. Wir erstellen global gehandelte Produkte hier in Deutschland. Produkte, die auf den Weltmärkten gehandelt werden, deren Preise auf den Weltmärkten bestimmt werden. Preise, die bis auf geringfügige Transportkosten zu jedem Zeitpunkt in Houston, Singapur oder Rotterdam exakt die gleichen sind. Und jede kleine Änderung der lokalen Kostenbasis hat sofortige Auswirkungen auf unsere Wettbewerbsfähigkeit."

    Hetzke: So Michael Schmidt. Aber Ausnahmen sollte es wirklich nur noch für wenige Fälle geben, weil die Belastungen für die Haushalte, also für uns Verbraucher, ja bitte schön auch berücksichtigt werden müssen. Derzeit tragen sie gut 40 Prozent der EEG-Umlage, das entspricht in etwa dem Anteil, den Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft zusammen erbringen. Würden die großzügigen Ausnahmen abgeschafft, würde der Anteil der Haushalte auf etwa 25 Prozent sinken.

    Kolbe: Was die Unternehmen nicht zahlen, wird letztlich auf die Strompreise für die Verbraucher aufgeschlagen. Ist der Strompreis für diese Branchen wirklich so entscheidend, dass wir das auffangen müssen?

    Hetzke: Da muss man unterscheiden. Die großen Stromabnehmer, das sind hierzulande die chemische und petrochemische Industrie, die Zement- und Aluminiumhersteller, aber auch die Stahl- oder Papierindustrie. Nehmen wir das Beispiel Aluminium. Wenn für eine Tonne 1.600 Euro Produktionskosten anfallen und davon gut 700 Euro, also etwa die Hälfte, Stromkosten sind, liegt die Antwort auf der Hand: Die Kosten sind entscheidend. In anderen Branchen aber sind Material-, Personal- und Betriebskosten viel entscheidendere Faktoren als der Strompreis.
    Kolbe: Bundesumweltminister Peter Altmaier will die Ausnahmen von der Ökostrom-Umlage auf den Prüfstand stellen. Welche Auswirkungen das haben könnte, dazu war das Günter Hetzke aus unserer Wirtschaftsredaktion, besten Dank!