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Hoffnung durch Nabelschnurblut

Medizin. Weltweit zum ersten Mal ist ein an Leukämie erkranktes Kind mit seinem eigenen Nabelschnurblut behandelt worden. Eine Alternative zur Knochenmarkspende? Nicht in jedem Fall, denn die Behandlung ist riskant.

Von Thekla Jahn |
    Das amerikanische Mädchen war gerade drei Jahre alt geworden, als bei ihr eine so genannte akute lymphoblastische Leukämie festgestellt wurde. Bei dieser Erkrankung reifen die weißen Blutkörperchen nicht mehr zu funktionstüchtigen Zellen heran, sondern vermehren sich rasch und unkontrolliert. Die normale Blutbildung ist nicht mehr möglich. Eine erste Chemotherapie brachte keinen Erfolg. Zwar war das Knochenmark des Mädchens krebszellenfrei, nicht aber das zentrale Nervensystem, so die Diagnose nach zehn Monaten.
    "Wenn es zu einem derartigen Rückfall kommt innerhalb des ersten Jahres der Behandlung, dann sind, das wissen wir aus Erfahrung, die Chancen auf eine Heilung weniger als 50 Prozent , wenn wir nur mit Chemo- und Strahlentherapie behandeln. Die Chancen verbessern sich aber deutlich, wenn wir Stammzellen transplantieren","

    erläutert Ammer Hayani, Leitender Oberarzt am Advocate Hope Children´s Hospital in Oak Lawn, Illinois. Innerhalb der Familie konnte jedoch kein geeigneter Knochenmarkspender gefunden werden. Ein Fremdspender wurde nicht gesucht. Die Entscheidung fiel für das eigene Nabelschnurblut des Mädchens, das nach der Geburt tiefgefroren worden war.

    ""Wir haben die Vorteile, die das eigene Nabelschnurblut bietet, nämlich keine Abstoßungsreaktionen durch das Immunsystem, abgewogen gegen das Risiko, Knochenmark oder Nabelschnurblut eines Fremdspenders zu nutzen. Und wir haben uns für das Nabelschnurblut des Mädchens entschieden."

    Bei der Transplantation fremder Stammzellen kommt es in 30 Prozent der Fälle zu schweren Nebenwirkungen und Abstoßungsreaktionen. Diese Gefahr besteht beim eigenen Nabelschnurblut zwar nicht, dafür, so kritisieren deutsche Experten, hält das eigene Nabelschnurblut andere Risiken parat. Da Leukämie meist schon sehr früh angelegt sei, wahrscheinlich schon vor der Geburt, scheinen die eigenen Stammzellen untauglich, um die Bluterkrankung zu behandeln. Sie würden ja die Leukämie erneut transplantieren, so die Befürchtung. Der Onkologe Ammar Hayani hält dem zunächst grundsätzlich entgegen

    "Viele Kinder werden mit Zellen geboren, die nach Leukämiezellen aussehen, aber nur ein Prozent von diesen entwickelt auch Leukämie. Wir wissen nicht warum. Das heißt, wenn wir Leukämiezellen im Nabelschnurblut finden, sollten wir das Nabelschnurblut dann nicht transplantieren?"

    Bislang entscheiden sich Ammar Hayani und seine Kollegen in solchen Fällen dennoch gegen eine Transplantation. Im Falle des erkrankten Mädchens aber wurden keine spezifischen Marker für ihre Leukämieerkrankung entdeckt.

    "Tests geben heutzutage gute Hinweise darauf, ob Leukämiezellen vorhanden sind. Bei dem betreffenden Kind haben wir das Nabelschnurblut molekulartechnisch untersucht und keine genetischen Marker gefunden. Es ist kein 100 Prozent sicherer Test, aber er war das beste, was wir tun konnten. Und dieser Test war negativ. Wir waren damit zwar nicht völlig sicher, aber zuversichtlich."

    Das Restrisiko schien den Ärzten geringer als die Gefahr von Abstoßungsreaktionen bei einem Fremdspender. Und ob eine Fremdspende den Vorteil eines so genannten antileukämischen Effektes habe, also durch die Übertragung eines fremden Immunsystems eigene Leukämiezellen vernichtet werden das sei bislang nicht belegt.

    "Das ist ein theoretische Überlegung- ob es so ist , wissen wir nicht."

    Mittlerweile, zweieinhalb Jahre nach der zweiten Chemotherapie mit Bestrahlung und Transplantation des eigenen Nabelschnurblutes, ist das amerikanische Mädchen wahrscheinlich gesund. Jedenfalls hat sie keinen Rückfall mehr erlebt. Und nach zweieinhalb Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit dafür bei unter fünf Prozent. Stellt sich jedoch die Frage, ob es tatsächlich das eigene Nabelschnurblut war, dass zu diesem positiven Ergebnis geführt hat:

    "Gute Frage, wir sind uns nicht sicher. Wir schätzen aber, dass das Nabelschnurblut wesentlich zu dem guten Resultat beigetragen hat."

    Allerdings ist Ammar Hayani vorsichtig in der Einschätzung dieser Behandlung bei kindlicher Leukämie. Sie kommt nur in wenigen Fällen in Betracht unter Abwägung vieler Für und Wider. Und für Nabelschnurblutbanken will er auf keinen Fall eine Lanze brechen.

    "Wir sind sehr vorsichtig und wollen nicht kommerzielle Nabelschnurblutbanken unterstützen. Ich unterstütze die aktuellen Empfehlungen der Amerikanischen Akademie der Kinderärzte und auch europäischer Ethikberater. Sie empfehlen, nur dann Nabelschnurblut einfrieren zu lassen, wenn in der eigenen Familie ein Mitglied an Krebs oder einer genetischen Erkrankung leidet, der von einer Transplantation von Nabelschnurblut profitieren könnte."