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Hoffnung für den Libanon?

Der Libanon hat einen neuen, designierten Premier: Najib Mikati versucht nun eine Regierung der nationalen Rettung zusammenzustellen, nachdem ein von der Hisbollah angeführte Parteienkoalition am 12. Januar die Regierung von Saad Hariri gestürzt hatte. Doch wer ist Mikati und wofür steht er?

Von Birgit Kaspar | 29.01.2011
    Niedrige Betonabsperrungen umgeben den Apartmentblock im Beiruter Stadtteil Verdun, Soldaten mit Maschinengewehren bewachen seit Kurzem das Haus. Daran wird sich der designierte Premierminister Najib Mikati gewöhnen müssen, der hier seine Beiruter Wohnung hat. Der 55-jährige Unternehmer ist ein Mann der leisen Töne. Aber er kann sich durchsetzen, wenn es sein muss. Jetzt will der Multimilliardär aus dem nordlibanesischen Tripoli die zerstrittenen Libanesen wieder zusammenzuführen. Nachdem er den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, erklärte Mikati:

    "Ich wiederhole heute, was ich immer sagen werde: Ich reiche allen Gruppierungen die Hand. Und ich bitte sie, ihrer nationalen Verantwortung gerecht zu werden. Durch gegenseitiges Vertrauen und einen ehrlichen und verantwortungsbewussten Dialog."

    Der hochgewachsene Geschäftsmann mit randloser Brille und einer klaren, ruhigen Ausstrahlung, soll das Land aus der Krise führen. Sein politisches Credo: Niemand kann im Libanon alleine regieren.

    Der Telekommunikationstycoon bringt gute Voraussetzungen mit. Er unterhält ausgezeichnete Beziehungen zu den beiden einflussreichsten Staaten im Libanon: Syrien und Saudi-Arabien. Seine politische Karriere begann 1998. Mikati war mehrfach Minister und 2005, nach dem Mord an Ex-Premier Rafik al Hariri, auch für drei Monate Premier. Seine Hauptaufgabe damals: Nach dem erzwungenen Abzug der Syrer Neuwahlen vorzubereiten und das gespaltene und hoch emotionalisierte Land zusammenzuhalten. Das gelang ihm. Bei den Wahlen 2009 zog er als Alliierter Saad Hariris ins Parlament. Ganz kurz war er für das Amt eines Konsens-Premiers im Gespräch. Doch dann entschied Hariri, die Führung selbst zu übernehmen.

    Najib Mikati strahlt Wärme und Ernsthaftigkeit aus. In seiner gediegenen aber nicht protzigen Wohnung in Tripoli reicht er arabischen Kaffee und orientalisches Gebäck. Wir Libanesen sind Experten darin, Chancen zu vergeben, bedauert der Vater von drei erwachsenen Kindern im Interview vor seiner Nominierung:

    "Egal, worum es geht, die Libanesen können ein Problem daraus machen und dann eine Art Krieg darüber führen. Aber wenn man sich unsere Geschichte ansieht, dann steht am Ende immer ein Kompromiss. Was ich nicht begreife: Warum wird der nicht gleich geschlossen ... "

    Aus dem Grund würde er auch gerne Hariris Zukunftsbewegung in seine neue Regierung der nationalen Rettung einbinden. Doch der von der Hisbollah und ihren Alliierten aus dem Amt Vertriebene zeigt bislang kein Interesse. Das hat einen Grund: Gemäß dem konfessionellen Proporzsystem im Libanon muss der Premierminister ein Sunnit sein. Auch Mikati ist Sunnit – doch Saad Hariri hat von seinem Vater die Rolle des populären Sunnitenführers quasi geerbt. Deshalb haben sich seine Anhänger auch auf ihn eingeschworen und sich gegen Mikati ausgesprochen. Für sie kommt Mikatis Nominierung durch die Hisbollah einem Verrat und deren Machtergreifung gleich. Den Vorwurf, er sei eine Marionette der mit Iran und Syrien verbündeten Hizbullah, weist Mikati allerdings entschieden zurück:

    Er fühle sich nicht an die politischen Positionen der "Partei Gottes" gebunden. Er sei aber bereit, den "Nationalen Widerstand" gegen Israel - also die Bewaffnung der Hisbollah - zu schützen.

    Was immer die Hisbollah im Interesse des Libanon tun könne, er werde nicht zögern, sie darum zu bitten, betont Mikati. Er trage eine schwere Last auf seinen Schultern und er benötige jede Unterstützung: aller Parteien im Land und auch die der regionalen und westlichen Partner Beiruts.

    Wie er mit dem umstrittenen Hariri-Sondertribunal, über das die alte Regierung unter Saad Hariri stürzte, nun umgehen will, lässt der designierte Premier allerdings offen. Seine pragmatische Auskunft: Das werde im Dialog gelöst.

    Die Hisbollah fordert ein Ende der Zusammenarbeit mit dem Gericht. Und es ist schwer vorstellbar, dass sie Mikati unterstützte, wenn er nicht bereit wäre, sich als Regierungschef offiziell von dem Tribunal zumindest zu distanzieren. Zumal es dafür jetzt eine Parlamentsmehrheit gibt.

    Mikatis Ernennung sorgt für Aufruhr in der libanesischen Gesellschaft. Die Machtbalance hat sich weiter zugunsten der Allianz um die Hisbollah verschoben, die Fronten zwischen den politischen Lagern sind verhärtet. Für den Kolumnisten Rami Khouri erscheint die Situation jedoch nicht aussichtslos. Das habe mit der Persönlichkeit Mikatis zu tun, Mikati könne Libanons Glücksfall sein ...

    Man benötige jetzt eine außergewöhnliche Person, die die verschiedenen ideologischen Standpunkte miteinander vereinbaren könne. Und Mikati habe die besten Chancen, genügend Leute um sich zu scharen, meint Khouri.
    Libanon's designierter Premier Najib Mikati (re.) im Gespräch mit Vorgänger Saad Hariri, der von einer von der Hisbollah angeführte Parteienkoalition am 12. Januar gestürzt wurde.
    Libanon's designierter Premier Najib Mikati (re.) im Gespräch mit Vorgänger Saad Hariri, der von einer von der Hisbollah angeführte Parteienkoalition am 12. Januar gestürzt wurde. (AP)