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Hoffnung nach dem Schlaganfall

Wer einen Schlaganfall erleidet und überlebt, sieht sich oft mit mehr oder weniger großen Behinderungen konfrontiert. Mal sind es Sprachstörungen, mal ist die Bewegung eingeschränkt. Mit der in den Vereinigten Staaten entwickelten so genannten CI-Therapie lassen sich Bewegungseinschränkungen wieder wettmachen. Psychologen der Universität Konstanz haben die CI-Therapie an Patienten erprobt.

Von Thomas Wagner |
    Der Therapieraum sieht aus wie ein kleines Büro. Auf dem Tisch liegen ein paar Blätter Papiere, einige Stifte, Büroklammern und Murmeln.

    " Hier ist es so gewesen, dass man zum Beispiel eine kleine Bürowelt aufgebaut hat, so mit Ordner und so; Blätter zusammen heften; etwas tragen, zum Beispiel Geschirr tragen mit Wasser drin. Für mich war wichtig, die Aufmerksamkeit besser auf die linke Hand zu richten. "

    Nur geübte Beobachter erkennen, dass Patientin Francisca Heeb aus der Schweiz ihre linke Hand ein wenig verkrampft hält. Dass sie damit überhaupt so winzige Dinge wie Büroklammern und Murmeln greifen kann, grenzt an ein kleines Wunder: Seit 1970 ist der linke Arm teilweise gelähmt. Das besserte sich erst, als Franzisca Heeb von einer neuen Therapie erfuhr - die so genannte "CI-Therapie", die bei Lähmungen als Folge von Gehirnschädigungen angewandt wird.

    " Das heißt "Constraint induced", wir nennen das auch "Constraint Induced Movement Therapy", das heißt einschränkungsinduzierte Bewegungstherapie. Und das bedeutet, wir schränken den gesunden Arm ein und induzieren Bewegung im betroffenen Arm, "

    erklärt Diplom-Psychologin Daniela Bulach von der Universität Konstanz. Kommen Patienten wie Franzisca Heeb zu ihr, müssen sich die erst einmal daran gewöhnen, ihren nicht-gelähmten Arm in einer Schiene zu tragen, die die Bewegung nahezu vollständig einschränkt.

    " Und dann heißt dann eben: Die gute Hand, die rechte Seite, bei mir war das dann weg, und dann macht man alles links. "

    Das heißt: Was immer Franzisca Heeb am Anfang der Therapie tun wollte, sie musste zwangsläufig den gelähmten Arm benutzen, da der gesunde Arm unbeweglich in der Schiene verharrte. Und das ist ein wesentlicher Baustein der Therapie, so Diplompsychologin Sabine Kölbel, Mitarbeiterin des Konstanzer Projektes:.

    " Das ist eben ganz typisch, dass in diesem Rahmen, in dem halt die Leute merken, sie können ihren betroffenen Arm nicht so gut verwenden, kriegen sie einfach keine positive Rückmeldung. Sie merken nicht: Aha, es hat Erfolg, wenn ich meinen betroffenen Arm im Alltag einsetze. Und deswegen machen sie das auch seltener. Und auf der anderen Seite kriegen sie im Alltag, wenn sie die gesunde Hand verwenden, immer die Rückmeldung: Es geht wunderbar, es geht schnell. Sie schaffen das irgendwann einhändig zu arbeiten, nur mit der gesunden Hand. "

    Die Fachleute sprechen hier von einem "negativen Lernprozess": Weil die gesunde Hand besser funktioniert, wird die gelähmte oder teilgelähmte Hand erst gar nicht benutzt. Bei den Patienten, die an die Uni Konstanz kommen, tritt genau der gegenteilige Prozess ein: Da der gesunde Arm reglungslos in der Schiene verharrt, werden sie gezwungen, den erkrankten Arm zu benutzen - und erfahren dabei nach den ersten Trainingstagen erstaunliche Erfolge. Nach und nach erhöht sich die Bewegungsfähigkeit . Grund: Durch das Benutzen des Arms werden neue Gehirnstrukturen aktiviert. Die übernehmen statt der geschädigten Gehirnbereiche die Steuerung der Bewegungsabläufe .Diese Prozesse lassen sich sogar messen, so Daniela Bulach:

    " Man kann das mit funktionellen bildgebenden Verfahren nachweisen. Das kann man sogar farbig darstellen, wie dann diese Gehirnbereiche aktviert sind. Das wäre zum Beispiel mit einem Kernspin möglich. Wir haben jetzt ein anderes Verfahren, die Magnetenzallographie. Da ist es auch möglich, dies in bestimmter Form darzustellen. "

    Wichtig ist allerdings, dass die Bewegungstherapie für den erkrankten, gelähmten Arm ganz speziell auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten ist.

    " Man muss sehr massiv üben, man muss mehrere Stunden am Tag üben, damit sich etwas an der Gehirnorganisation ändert. Das Verhalten muss relevant, also wichtig für die betroffene Person sein. Und deswegen fragen wir halt die Patienten: Welche Ziele möchten Sie wieder erreichen ?Und Ziele sind Alltagstätigkeiten. Im Fall von der Frau Heeb wäre das zum Beispiel das Ordner-Umstellen gewesen von einem Regal ins andere oder das Ordner-Einräumen in das Regal. Und dann schauen wir: Welche Teilbewegungen sind dazu nötig ? "

    Erst müssen diese Teilbewegungen trainiert werden, die sich später zum gewünschten Bewegungsablauf addieren. Obwohl in Konstanz zumeist Patienten behandelt werden, die an Bewegungseinschränkungen im Arm leiden, funktioniert die Therapie auch bei Lähmungen anderer Gliedmassen. Daniela Bulach:

    " Das Training an sich gibt es auch für die untere Extremität, für das betroffene Bein. Da wird dann halt geschaut: Welche Ziele möchten die Patienten wieder erreichen, zum Beispiel möchten sie wieder Treppen steigen können ? Und da kann man mit gezielten Übungen darauf hinarbeiten, dass die das wieder können. Shaping Heisst das - also eine Verhaltensformung dahin, wo man hin möchte. "

    Ob die Lähmungen nun am Bein oder am Arm eintreten - eine Voraussetzung ist wichtig: Die Bewegungsfähigkeit darf nicht vollständig verschwunden sein. Dann greift auch die CI-Therapie nicht mehr. Für Patientin Franzisca Heeb jedenfalls hat nach der Therapie an der Uni Konstanz ein neues Leben begonnen:

    " Also es gibt einem ja auch mehr Sicherheit. Man wird dann mit der Zeit auch schneller mit der Linken. Dann kommt es immer weniger darauf an, ob ich die Rechte oder die Linke nehme. In der Grobmotrik hat es sich extrem gebessert, weil ich kann jetzt kann ich mal gut sagen: Nehm’ ich mal schnell die Linke. Die geht noch nicht so schnell wie die Rechte aber schon besser. Ich kann mich viel besser darauf verlassen, das ist die Quintessenz. "