Kaum hat der Literaturwissenschaftler Raoul Schrott seine Thesen zu Homer, dem angeblich in assyrischen Diensten befindlichen Schreiber, und dem angeblich richtigen Troja, nämlich der spät-hethitischen Burg Karatepe im anatolischen Kilikien veröffentlicht, ist auch schon die Antwort da: Das Antikenmuseum in Basel zeigt eine große Schau zu dem griechischen Dichter Homer und seiner Troja-Dichtung. Das war natürlich nicht beabsichtigt, die Ausstellung hatte drei Jahre Vorbereitungszeit. Das Museum wird den - durch den Medien-Hype bedingten - Publikumszuspruch gern in Kauf nehmen, und trotzdem macht Museumsleiter Peter Blome keinen Hehl aus seinen Ansichten zu Raoul Schrott:
"Die Museumsleitung steht den Ansichten von Herrn Schrott mit äußerster Skepsis gegenüber."
Der Basler Ausstellung geht es um ganz anderes: Sie will die Homer-Dichtung als eine Art Gründungs-Schrift europäischer Literatur verständlich machen, und zwar auf mehreren Zeitebenen: auf der, der bronzezeitlichen Stadt Troja, um die - möglicherweise - um das 14. vorchristliche Jahrhundert herum ein Krieg geführt wurde. Dann auf der Zeitebene der Homerischen Troja-Dichtung, die um das achte, eher das siebte Jahrhundert vor Christus datiert wird. Schließlich geht es um die Rezeption von Homers unglaublichem, literarisch unglaublich differenziertem Epos, die sofort nach der Verbreitung des - aus der mündlichen Sängertradition in die Silbenschrift gebrachten - Werks begann. Basel spannt da einen wahnwitzig anmutenden Bogen von frühen griechischen Vasen bis hin zur Gegenwartskunst, bis zu Sigmar Polkes Straßenkämpfer-Krieger in einer nebelumwölkten Tetralogie, genannt der "Traum des Menelaos".
Das Ganze will sich einer musealen Form bedienen, die der Homer-Forscher und -Übersetzer Joachim Latacz amerikanisierend als Edutainment bezeichnete, also Education plus Entertainment. Aber das stimmt eben nur zum Teil, Gott sei Dank.
Zwar hat man eine Schliemann-Büste, Film-Stills mit Kirk Douglas, diverse Grabungsfotos der Burg über den Dardanellen und ein Foto der Schliemann-Gattin (angetan mit Klunkern aus dem Schatz des Priamos) aufgestellt, aber die Hauptsache bleiben doch die archäologischen Fundstücke selber. Wobei man sich immer schaudernd der Tatsache gewahr bleiben muss, dass einige dieser Objekte 2700 Jahre alt sind. Aber egal, ob das Bildprogramm der "Ilias", also der Krieg um Troja, oder der "Odyssee" auf diesen Amphoren und Trinkschalen didaktisch dargereicht wird: Jenseits einiger thematisch in der Ausstellung dominanter Szenen (wie des Kampfes Hektor gegen Achilles, Skylla und Charybdis, der Sirenen oder der Blendung des Polyphem) ist die eigentliche Stärke der Schau das gebotene Vergleichsmaterial. So ist es lehrreich zu sehen, dass der griechische Vasenmaler des fünften Jahrhunderts den Paris zwischen höchst unterschiedlichen Göttinnen wählen ließ, während Lucas Cranach der Ältere im 16. Jahrhundert einfach drei längliche, wunderschöne nackte Frauen vor einen Ritter stellte und die Wahl dem Betrachter aufbürdete.
So mäandern die Quervergleiche munter durch die Ausstellung: in der kreidelithografischen Zeichenmappe des Max Slevogt schleicht der getroffene Hektor einsam um Trojas Mauern, verfolgt von Achill, während Helena lässig an der Zinne lehnt; der Gegenwartskünstler Peter Rose dagegen lässt den heimgekehrten "Odysseus in Ithaka" durch die betonierte Tiefgarage seines eigenen Unbewussten fahren. Eben hatte man noch frühe Keilschrift-Tontafeln und Papyri, Fragmente ägyptischer Buchrollen aus dem zweiten Jahrhundert betrachtet, und schon ist man bei den ersten Drucken der Ilias, den Renaissance-Darstellungen des Odysseus, später dann bei Johann Heinrich Füssli und John Flaxman.
Das wird manchem etwas zu schnell gehen, aber bitte: Man nehme sich Zeit für diese Ausstellung. Ihr Anregungspotenzial ist enorm, selten konnte man an einem Nachmittag soviel lernen. Immerhin geht es um den wichtigsten Dichter der europäischen Literatur, um den blinden Homer, auch er vielleicht eine Leerstelle. Und ob es Troja wirklich gegeben hat, ob es das von Manfred Korfmann ausgegrabene ist - wir wissen es nicht, und die Ausstellung weiß es auch nicht mit Sicherheit. Wichtig ist doch nur, welche Rolle Troja in unseren Köpfen spielt.
"Die Museumsleitung steht den Ansichten von Herrn Schrott mit äußerster Skepsis gegenüber."
Der Basler Ausstellung geht es um ganz anderes: Sie will die Homer-Dichtung als eine Art Gründungs-Schrift europäischer Literatur verständlich machen, und zwar auf mehreren Zeitebenen: auf der, der bronzezeitlichen Stadt Troja, um die - möglicherweise - um das 14. vorchristliche Jahrhundert herum ein Krieg geführt wurde. Dann auf der Zeitebene der Homerischen Troja-Dichtung, die um das achte, eher das siebte Jahrhundert vor Christus datiert wird. Schließlich geht es um die Rezeption von Homers unglaublichem, literarisch unglaublich differenziertem Epos, die sofort nach der Verbreitung des - aus der mündlichen Sängertradition in die Silbenschrift gebrachten - Werks begann. Basel spannt da einen wahnwitzig anmutenden Bogen von frühen griechischen Vasen bis hin zur Gegenwartskunst, bis zu Sigmar Polkes Straßenkämpfer-Krieger in einer nebelumwölkten Tetralogie, genannt der "Traum des Menelaos".
Das Ganze will sich einer musealen Form bedienen, die der Homer-Forscher und -Übersetzer Joachim Latacz amerikanisierend als Edutainment bezeichnete, also Education plus Entertainment. Aber das stimmt eben nur zum Teil, Gott sei Dank.
Zwar hat man eine Schliemann-Büste, Film-Stills mit Kirk Douglas, diverse Grabungsfotos der Burg über den Dardanellen und ein Foto der Schliemann-Gattin (angetan mit Klunkern aus dem Schatz des Priamos) aufgestellt, aber die Hauptsache bleiben doch die archäologischen Fundstücke selber. Wobei man sich immer schaudernd der Tatsache gewahr bleiben muss, dass einige dieser Objekte 2700 Jahre alt sind. Aber egal, ob das Bildprogramm der "Ilias", also der Krieg um Troja, oder der "Odyssee" auf diesen Amphoren und Trinkschalen didaktisch dargereicht wird: Jenseits einiger thematisch in der Ausstellung dominanter Szenen (wie des Kampfes Hektor gegen Achilles, Skylla und Charybdis, der Sirenen oder der Blendung des Polyphem) ist die eigentliche Stärke der Schau das gebotene Vergleichsmaterial. So ist es lehrreich zu sehen, dass der griechische Vasenmaler des fünften Jahrhunderts den Paris zwischen höchst unterschiedlichen Göttinnen wählen ließ, während Lucas Cranach der Ältere im 16. Jahrhundert einfach drei längliche, wunderschöne nackte Frauen vor einen Ritter stellte und die Wahl dem Betrachter aufbürdete.
So mäandern die Quervergleiche munter durch die Ausstellung: in der kreidelithografischen Zeichenmappe des Max Slevogt schleicht der getroffene Hektor einsam um Trojas Mauern, verfolgt von Achill, während Helena lässig an der Zinne lehnt; der Gegenwartskünstler Peter Rose dagegen lässt den heimgekehrten "Odysseus in Ithaka" durch die betonierte Tiefgarage seines eigenen Unbewussten fahren. Eben hatte man noch frühe Keilschrift-Tontafeln und Papyri, Fragmente ägyptischer Buchrollen aus dem zweiten Jahrhundert betrachtet, und schon ist man bei den ersten Drucken der Ilias, den Renaissance-Darstellungen des Odysseus, später dann bei Johann Heinrich Füssli und John Flaxman.
Das wird manchem etwas zu schnell gehen, aber bitte: Man nehme sich Zeit für diese Ausstellung. Ihr Anregungspotenzial ist enorm, selten konnte man an einem Nachmittag soviel lernen. Immerhin geht es um den wichtigsten Dichter der europäischen Literatur, um den blinden Homer, auch er vielleicht eine Leerstelle. Und ob es Troja wirklich gegeben hat, ob es das von Manfred Korfmann ausgegrabene ist - wir wissen es nicht, und die Ausstellung weiß es auch nicht mit Sicherheit. Wichtig ist doch nur, welche Rolle Troja in unseren Köpfen spielt.