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HPV-Impfung auch für Männer sinnvoll

Medizin.- Mediziner beobachten, dass bei HIV-Patienten bestimmte Krebserkrankungen häufiger auftreten, die bisher nicht mit Aids in Verbindung gebracht wurden. Ein deutsches Wissenschaftlerteam hat nachgewiesen, dass Analkarzinome bei HIV-infizierten Männern besonders oft vorkommen.

Von Christine Westerhaus | 11.10.2010
    Eigentlich ist das "Kaposi-Sarkom" eine Krebserkrankung, die extrem selten vorkommt. Erst das Aidsvirus HIV hat diesem Krebsleiden zu trauriger Berühmtheit verholfen. In den 90er-Jahren prägten die bräunlichen, auf der ganzen Haut verteilten Kaposi-Sarkome das Erscheinungsbild dieser Immunschwächekrankheit. Heute hat Aids ein anderes Gesicht. Dank wirksamer Therapien kann das Immunsystem von HIV-Infizierten wieder stabilisiert werden und ihre Lebenserwartung verlängert sich um Jahrzehnte.

    Doch anstelle des Kaposi-Sarkoms beobachten Forscher nun andere Krebsleiden, die bei HIV-Infizierten häufiger auftreten. Vor allem solche, die vermutlich durch eine Infektion mit Humanen Papilloma Viren – kurz HPV- ausgelöst werden.

    "Wir sehen seit circa zehn Jahren eine deutliche Zunahme der nicht Aids- definierenden Tumorerkrankugen, allen voran die HPV assoziierten Tumorerkrankungen wie Analkarzinome aber auch Peniskarzinome und bei der Frau – was aber Aids-definierend ist - eine Zunahme der Gebärmutterhalskarzinome. Die Lungenkarzinome nehmen zu und auch Hauttumore, sodass wir mittlerweile ein breites Tumorspektrum haben, die in den letzten zehn Jahren zugenommen haben. Und die um ein 100-faches über den Krebsvorkommen der nicht-HIV-Infizierten Bevölkerung liegen."

    Norbert Brockmeyer ist Professor für Dermatologie an der Ruhr-Universität Bochum und Sprecher des Kompetenznetzes HIV/Aids. Gemeinsam mit seinen Kollegen untersuchte er sechs Jahre lang an die 500 homosexuelle Männer mit einer HIV-Infektion. Bei mehr als zwei Dritteln der Patienten stellten die Forscher bereits Vorstufen eines Analkarzinoms fest, annähernd drei Prozent hatten bereits Tumoren im Analbereich entwickelt. Wie der Gebärmutterhalskrebs entstehen diese bösartigen Geschwüre häufig nach einer Infektion durch Humane Papilloma Viren. Nobert Brockmeyer vermutet, dass diese Viren im Körper von HIV-Infizierten größere Schäden anrichten könnten, weil bei ihnen trotz antiretroviraler Therapie die Immunabwehr massiv gestört ist.

    "Es könnten auch Interaktionen mit dem Immunsystem eine Rolle spielen bei HPV-induzierten Tumoren. Wir wissen, dass zum Beispiel die Schleimhaut des Darmes relativ stark geschädigt wird durch die HIV-Infektion und wir wissen, dass gerade diese immunologische Einheit, die diese Schleimhaut darstellt, sich erst sehr spät in Richtung einer normalen Immunfunktion entwickelt. Das heißt, dort haben wir eine lang bestehende immunologische Störung, die natürlich dazu führen könnte, dass trotz Behandlung diese Tumoren weiterhin zunehmen."

    Krebserkrankungen, die von Humanen Papilloma Viren ausgelöst werden, treten bei HIV-Infizierten nicht nur häufiger auf, sie verlaufen auch wesentlich aggressiver. Auch deshalb ist Norbert Brockmeyer überzeugt, dass eine Impfung gegen diese Viren für Menschen mit HIV großen Nutzen bringen kann. Diese Impfung wird bereits seit 2007 für junge Frauen empfohlen, um sie vor Gebärmutterhalskrebs zu schützen.

    "Wenn sie die Normalbevölkerung sehen, dauert es 20 bis 30 Jahre, bis eine Frau nach einer Infektion ein Gebärmutterhalskarzinom bekommt. Bei HIV infizierten Frauen kann das innerhalb von drei bis vier Jahren gehen. Und hier würden wir auch ganz schnell beweisen können, dass die HPV-Impfung auch einen positiven Effekt auf den Endpunkt hat, also Tod. Was ja auch immer gefordert wird - es ist ja der Impfung vorgeworfen worden, sie hat nicht beweisen können, dass sie wirklich verhindert, dass weniger Menschen sterben und bei der HIV Infektion könnten wir das ganz schnell sehen, dass nun weniger Menschen an HPV induzierten Karzinomen sterben."

    Doch nicht nur Krebserkrankungen stellen Aidsforscher vor neue Herausforderungen. Auch Herz-Kreislauferkrankungen, Nierenleiden und Anzeichen von Demenz treten bei HIV-Infizierten häufiger auf. Dieses Wissen muss nun möglichst schnell im Klinikalltag ankommen, fordert Norbert Brockmeyer.

    "Was ganz entscheidend ist, was wir bei HIV-Infizierten sehen, dass sie etwa zehn Jahre früher altern (...) und das ist eben die Wirkung, die das HI-Virus macht. Und von daher müssen wir uns darauf einstellen, dass wir auch alle Alterserkrankungen bei HIV Infizierten deutlich früher sehen als in der Normalbevölkerung. Wir haben früher immer sehr stark an Infektionen gedacht: Lungeninfektionen und andere Erkrankungen und wir müssen jetzt eigentlich das ganze Spektrum, was wir bei einer älter werdenden Bevölkerung sehen, auf HIV-Patienten übertragen und sie diagnostizieren und entsprechend therapieren."