Dabei wäre eine baldige Entscheidung über GVOs in Brasilien dringend nötig. Denn obwohl Gen-Soja in Brasilien verboten ist, sind mittlerweile 8 Prozent der brasilianischen Soja gentechnisch verändert, vorwiegend solche, die aus dem südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul stammt. Vor sechs Jahren kam das Saatgut als Schmuggelware über die argentinische Grenze und bis 2002 blieb der Anbau von Gen-Soja in Brasilien illegal.
In den letzten zwei Jahren hat der neue linke Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Anbau von Gen-Soja über präsidiale Schnellerlasse zugelassen. Diese vorläufigen Erlasse führten zur Verbreitung von Gen-Soja in Brasilien, sagt Flavia Londres, Agraringenieurin der "Kampagne für ein GVO-freies Brasilien", obwohl den Landwirten eigentlich nur erlaubt war, Gen-Saatgut vom Vorjahr zu benutzen:
Wir haben in Erfahrung gebracht, dass, nachdem die Regierung die Erlaubnis für den zeitlich begrenzten Anbau von Gen-Soja veröffentlicht hat, der Schmuggel zunahm. Es ist nicht schwer für Bauern zu behaupten, das Saatgut sei vom Vorjahr, es aber in Wirklichkeit illegal zu kaufen.
Die US-amerikanische Firma "Monsanto" entwickelte das gentechnisch veränderte Sojasaatgut. Darin wurden die Gene so verändert, dass die Pflanze immun ist gegen das Totalherbizid Roundup Ready. Im Moment kann Monsanto die Lizenzgebühren in Brasilien nicht beim Verkauf selbst erheben, da das Unternehmen Gensaatgut noch nicht legal vertreiben darf.
Dafür verlangt die Firma jetzt Lizenzgebühren beim Vertrieb der Ernte. Zähneknirschend haben sich die Landwirtschaftlichen Genossenschaften im Süden Brasiliens auf eine Lizenzgebühr geeinigt, weil Monsanto sonst gerichtlich gegen sie vorgegangen wäre. Umweltgruppen hatten die Landwirte, die illegal Gen-Soja anbauten, gewarnt, dass Lizenzgebühren auf sie zukommen, doch niemand hatte das geglaubt.
Nun warnen Umweltgruppen, dass Monsanto die Gebühren bald drastisch erhöhen werde. Monsanto unterhält mehrere Forschungsgüter in Brasilien. Auf einer Forschungsfarm im Süden Brasiliens arbeitet Marcelo Nishikawa:
Da dieses Jahr ein extrem stürmisches Jahr ist für unsere Firma, haben wir beschlossen, dass wir keine Arbeiten mit GVOs durchführen. Daher finden Sie heute auf unseren Forschungsfeldern hier auf der Farm keine gentechnisch veränderten Pflanzen.
Wir haben sogar die Regierungserlaubnis zu forschen. Da aber der Gouverneur dieses Bundeslandes sehr dagegen ist, und es außerdem noch die Drohung der Landlosenbewegung gab, dass sie das Gelände besetzen, haben wir beschlossen, dass hier auf unserer Farm keine GVOs existieren.
Monsanto hält sich zurück, weil eine ihrer GVO-Forschungsplantagen im letzten Jahr von der Landlosenbewegung besetzt wurde. Um in Zukunft rechtlich abgesicherte Geschäfte machen zu können, hofft Monsanto, dass sich in der brasilianischen Regierung nicht Umweltministerin Marina Silva mit ihrer ablehnenden Position durchsetzt.
So eindeutig gegen Gen-Soja wie Umweltministerin Marina Silva sind andere in der brasilianischen Regierung nicht. In den brasilianischen Medien wird Marina Silva als machtlos beschrieben. Flavia Londres ist dagegen überzeugt von der Taktik der Umweltministerin:
Marina Silva war sehr standfest in der Verteidigung ihrer Prinzipien. Sie geht nicht in direkte Konfrontation mit der Regierung. Im Gegensatz zum Landwirtschaftsminister Roberto Rodrigues, der die GVOs nach Brasilien holen will. Er erklärt in den Medien, Brasilien würde bald die Gentechnik in der Landwirtschaft einführen. Er verteidigt offen den Einsatz von Gen-Soja. Die Umweltministerin Marina Silva war nie so dreist, sie sucht den Dialog, um nicht isoliert zu sein.
So hat sie viele Veränderungen erreicht. Eine davon ist der ursprüngliche Gesetzentwurf zur biologischen Sicherheit. Es ist kein ideales Gesetz. Aber Marina Silva hat den Kern des Gesetzes erhalten, die Strenge, mit der die Folgen für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt überprüft werden müssen, falls ein gentechnisch veränderter Organismus kommerziell zugelassen werden sollte.
Die Verzögerung des brasilianischen Gentechnik-Gesetzes fällt mit dem Beginn der Soja-Aussaat zusammen, die im September beginnt. Um die Gen-Soja-Landwirtschaft, die in Südbrasilien Fakt ist, nicht wieder illegal werden zu lassen, muss Präsident Lula demnächst einen dritten präsidialen Schnellerlass verabschieden, der für ein weiteres Jahr Gen-Soja in Brasilien erlaubt. Es ist absehbar, dass vor der endgültigen Legalisierung oder dem Verbot von Gen-Soja in Brasilien noch viel Wasser den Amazonas hinunterfließen wird.