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Humboldt-Box entzweit die Gemüter

Zu übersehen ist sie nicht: 28 Meter hoch, ein Block aus Winkeln und Schrägen, silber-graue Metallträger, hellblaue Flächen. Vier Stockwerke mit Ausstellungsräumen, auf dem Dach eine Panoramaterrasse mit Rundumblick auf die Schlossbaustelle und die zentrale Achse Unter den Linden entlang vom Fernsehturm bis zum Brandenburger Tor.

Von Jürgen König | 29.06.2011
    Die Berliner sind bis jetzt skeptisch, ein "Monstrum", ein "Großklotz" sei die Humboldt-Box, wie ein "Ufo" sähe sie aus - Bertram Vandreike vom Architekturbüro Krüger/Schubert/Vandreike erklärt die Schwierigkeiten der Aufgabe:

    "Es war für uns eigentlich von Anfang an klar, dass an dieser Stelle eigentlich nur ein konsequent zeitgenössisches Gebäude diesen Diskussionsort, der die Humboldt-Box sein sollte, darstellen kann. Es ist ein sehr begrenztes Grundstück, das endet so zirka umlaufend anderthalb Meter vor der Außenhülle. Wir hatten unter dem Gebäude Leitungen frei zu halten, wir hatten ein sehr multifunktionales Raumprogramm mit verschiedenen Nutzungsbereichen, also einen Nutzungsanspruch, der weit über das, was man von der "Roten Box" am Potsdamer Platz kannte, hinausgeht."

    Auch Wilhelm von Boddien, der sich mit seinem Förderverein Berliner Schloss seit Jahren für den Wiederaufbau des Schlosses starkmacht, freut sich über das "konsequent zeitgenössische" Gebäude:

    "Für diejenigen, die auf der Meckerseite sind, muss ich sagen: Ganz bewusst ist diese Architektur gewählt worden als extrem modern, als Kontrapunkt, um eher die Modernität der Inhalte dieses Gebäudes zu zeigen und ... ich bin eigentlich ganz glücklich darüber, dass auch einige meckern, denn die begreifen dann vielleicht, dass an diese Stelle auf Dauer nur das Schloss passt: denn mit Schinkel und Knobelsdorff und anderen kann es nur das Schloss aufnehmen."

    So unübersehbar wie die ganze Humboldt-Box ist die Spendenbox im Eingangsraum, gleich neben dem Modell des Schlosses - schon für zehn Cent gibt es eine steuerabzugsfähige Spendenbescheinigung. Um neugierig zu machen auf das Humboldt-Forum, werden in den höheren Etagen der Humboldt-Box schon jetzt Exponate des geplanten "Zentrums der Weltkulturen" gezeigt – vertreten sind das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Universität und die Berliner Zentral- und Landesbibliothek. Stiftungspräsident Hermann Parzinger:

    "Natürlich kann die Humboldt-Box kein Humboldt-Forum im Kleinen sein. Ich glaube, das muss jedem klar sein, sondern es können nur exemplarisch gewisse Aspekte aufgegriffen und vermittelt werden, die für uns einfach wichtig sind. Und vor allem geht es um eine Hinführung an dieses Projekt."

    Genau dieses "Exemplarische" der Humboldt-Box aber hat etwas Problematisches. Wenn in einem einzigen Raum die frühe Massenproduktion chinesischen Porzellans thematisiert, unmittelbar daneben unter der Überschrift "Klang und Bewegung" Musik aus aller Welt präsentiert wird und nur wenige Schritte weiter die Geschichte eines Kameruner Königsthrons zur Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus auffordert – dann schlendert der Besucher eher irritiert statt interessiert weiter - um im nächsten Stockwerk ein Forschungsprojekt der Humboldt-Universität kennenzulernen, das in Westafrika untersucht, welche ökologischen Folgen es hat, wenn Frösche in zu großen Mengen verzehrt werden.

    Die Humboldt-Box offenbart, dass es noch immer kein wirklich tragfähiges Konzept für das Humboldt-Forum gibt. Auf der Internetseite der Stiftung Preußischer Kulturbesitz heißt es: "Die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen (sollen) zusammen mit den wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität und Teilen der Zentral- und Landesbibliothek in das neue Gebäude (...) des Berliner Schlosses integriert" werden und in einen "direkten Dialog mit der Kunst und Kultur Europas" treten. Allgemeiner geht's nimmer: bis heute gibt es keinen Text, in dem das - vielleicht ja - Großartige des Humboldt-Forums überzeugend herausgestellt wird – auch die Humboldt-Box unternimmt nicht den geringsten Versuch, Museen, Universität und Bibliothek nachvollziehbar als etwas Einheitliches zu präsentieren – was ausgestellte Vielfalt sein soll, ist doch nur ein beziehungsloses Nebeneinander – auch Bücherregale, die "zum Schmökern einladen", ändern daran nichts.

    15 Millionen Euro hat die Box gekostet, privat finanziert und also zu refinanzieren durch Vermietungen: die "Top-Location" als Event-Immobilie, die Fensterfront zum Lustgarten hin soll nachts als Werbefläche genutzt werden. Diese Werbung wird in Berlins Mitte wiederum unübersehbar - und das Zentrum der Weltkulturen dahinter: in gar nichts nicht zu erkennen sein.

    Archiv-Link bei dradio.de:
    Berliner Stadtschloss: Francesco Stella erhält Zuschlag für Wiederaufbau - "Humboldt-Forum" wird ab 2010 gebaut

    Link zum Thema:
    Humboldt-Box
    Die Humboldt-Box am Schlossplatz in Berlin soll als temporäres Informations- und Ausstellungszentrum auf das entstehende Humboldt-Forum neugierig machen.
    Temporäres Informations- und Ausstellungszentrum Humboldt-Box (picture alliance / dpa, Stephanie Pilick)
    Der Blick von der Aussichtsterrasse der Humboldt-Box zeigt die Ausgrabungsfläche am Schlossplatz in Berlin, auf der das Humboldt-Forum entstehen soll.
    Der Blick von der Aussichtsterrasse auf die Baustelle. (picture alliance / dpa, Stephanie Pilick)