Archiv


Humor im arabischen Sinne

Jedes Jahr, wenn die Buchmesse ihren Länderschwerpunkt feiert, sind auf einmal in der Öffentlichkeit Experten gefragt, die ihren Forschungen sonst eher fern vom breiten Publikum nachgehen. Zu ihnen gehört in diesem Jahr die Arabistikprofessorin Wiebke Walther. Ich treffe sie in einem Café an ihrem Wohn- und Lehrort Tübingen, direkt nach ihrer Rückkehr vom Orientalistentag in Halle, wo sie bis zur Wende an der Martin-Luther-Universität unterrichtete - noch mitgenommen von den alten Konfrontationen, die dort wieder spürbar wurden. Als Arabistin beschäftigt sie allerdings ein ganz anderer Konflikt:

Von Dorothea Dieckmann |
    Der Hintergrund besonders dessen, was im Irak seit einigen Jahren passiert oder schon seit dem ersten Golfkrieg passiert, ist fürchterlich, aber gerade deswegen sollte man sich auch der großen Vergangenheit erinnern, die dieses Land gehabt hat, sollte man sich späterer Zeiten erinnern und sollte man verfolgen, was dort heute passiert.

    Eben dieser Aufgabe hat sich Wiebke Walther umfassend gewidmet. Ihre 1500 Jahre umfassende arabische Literaturgeschichte ist eine gelungene Gratwanderung zwischen wissenschaftlichem Werk und einer für das Laienpublikum verständlichen Einführung in die dichterische Kultur einer Sprachgemeinschaft, die 22 Länder und 280 Millionen Menschen umfasst. Das Hocharabische, das mit dem Koran kanonisch wurde, ist seit jeher die gemeinsame "Vatersprache" - neben der Muttersprache, den einzelnen regionalen Dialekten.

    Es gibt zwar durchaus ein Mittelarabisch, das war aber eher die Volkssprache - also, der Koran wirkt bis in die Gegenwart, bestimmt das Hocharabische. Das Arabische hat in anderen islamischen Ländern, also im Iran und in der Türkei etwa die Rolle gespielt, die das Lateinische bei uns bis ins Mittelalter gespielt hat.

    Wiebke Walther hat ihre reiche, lebendige Darstellung in strenger Symmetrie aufgebaut. Der altarabischen, vorislamischen Dichtung ist ein kurzer erster Teil gewidmet. Er stellt die Diwane, also später verschriftlichte Sammlungen der mündlich überlieferten Poesie der Jahrhunderte vor Mohammed vor. Eine strenge Vers-, Reim- und Bildstruktur bestimmte die langen kunstvollen Kassidengedichte. "Perlen an einer Schnur aufreihen" nannte man die gebundene Sprache, während das "Perlenverstreuen", die Prosa, eine geringere Wertschätzung genoß. Der Koran ist das früheste Werk der arabischen Prosaliteratur in islamischer Zeit - einer Zeit, die die Autorin im zweiten Teil vom 7. bis zum 18. Jahrhundert minutiös verfolgt. Der Überblick zeigt, dass die religiöse Grundlage die arabische Literatur nicht eingeengt hat:

    In früheren Jahrhunderten hat es durchaus auch eine kritische Auseinandersetzung gegeben, auch aus der Position der Sicherheit in diesem Glauben: Humor, Scherze, Witze, Humoresken durchaus im islamischen Sinn - noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hat es das gegeben.

    Eine ungeheure Fülle von Werken, von der klassischen Poesie bis zum Komplex der sogenannten Adab-Literatur, zeigt nicht nur die Bandbreite der gesellschaftlichen und kulturellen Themen, sondern auch die Freiheit, mit der sie behandelt wurden - auch in der Liebesdichtung von ihrer geistig-mystischen bis zur frivol-sexuellen Ausprägung. Adab, Inbegriff von Bildung und Tradition, ist heute der Audruck für belletristische Literatur schlechthin. Die damalige jedoch liest sich als ein gigantisches Kompendium sozialdidaktischer Diskurse, eine umfassende Gesellschafts- und Mentalitätsdarstellung, in der Belehrung und Unterhaltung zusammenfallen. Eine autonome Kunstsphäre entwickelt sich mit der arabischen Renaissance unter europäischem Einfluß. Dem kurzen Abriß der neueren Literatur im letzten Kapitel wird Wiebke Walther ein eigenes Buch über die arabische Moderne folgen lassen.1828 öffnete die erste arabische Druckerei. Kairo schreibt, Beirut druckt, Bagdad liest, hieß es damals. Inzwischen aber, knapp 200 Jahre später, bietet sich ein trauriges Bild.

    Bagdad ist ja nun durch die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte ganz zurückgefallen, Bibliotheken sind verschleudert worden, und die Gebildeten und Bildungssuchenden, die hungern nach geistigen Anregungen, die hungern nach Literatur; staatliche Förderungen sind natürlich selten. All diese Länder sind ja letztlich ökonomisch zurückgeblieben. Also, wer dann fördern kann und zum Teil fördert, das sind interessierte Ölscheichs, das sind Herrscher aus den Golfstaaten. Ich hörte jetzt gerade, daß der Emir von Schardscha den Olms-Verlag in Hildesheim subventioniert für Nachdrucke von Werken deutscher Orientalisten oder Friedrich Rückerts Übersetzung der Hamãssa des Abu Tammãm. Das ist also sehr interessant und da kann man also nur hoffen, dass das dann dann weiter erfolgt.

    Ein besonderes Augenmerk der Autorin gilt den Frauen als Objekten und Schöpferinnen literarischer Werke. Die Messlatte der Wertschätzung von Frauen kennt sie aus eigener Anschauung:

    Meine eigenen Erfahrungen mit Vorträgen in arabischen Ländern, die ich an verschiedenen Universitäten gehalten habe, haben mir immer wieder gezeigt, dass ich als Frau, als Arabistin eine Art Ehrenmann bin, wie das ein Kollege mal formuliert hat, wie das also auch anderen Kolleginnen geht, daß man respektiert wird als gebildete Frau, die Hocharabisch spricht. Bei den Frauen in diesen Ländern hängt es natürlich auch sehr stark davon ab, aus welchen Familien sie kommen, welche Bildungsmöglichkeiten sie hatten - das hängt auch wieder mit der Familie zusammen -, aber auch auf ihr eigenes Durchsetzungsvermögen, ihre Intelligenz, ihre individuellen Fähigkeiten. Das ist über die Jahrhunderte so gewesen und ist bis heute so.