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Hurrikan "Irma"
"An Land fehlt ihm der energetische Nachschub"

Das Zerstörerische an "Irma" sei nicht nur der Wind, sondern auch die Regenmassen, die zu unglaublichen Wasserfluten führten, sagte der Meteorologe Sven Plöger im Dlf. An Land schwächten sich Hurrikans allerdings immer ab. Am Mittwoch werde "Irma" voraussichtlich bis Indiana ziehen und sich dort auflösen.

Sven Plöger im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Sven Plöger bei der Aufzeichnung der WDR Talkshow Kölner Treff.
    Sven Plöger bei der Aufzeichnung der WDR Talkshow Kölner Treff. (imago / Future Image)
    Tobias Armbrüster: Es war eine Katastrophe mit Ansage. Hurrikan Irma hat Florida mit voller Wucht getroffen. Seit gestern Nachmittag bekommen wir die Bilder, die Informationen aus diesem südlichen US-Bundesstaat. Da sehen wir Straßen unter Wasser, Palmen, die vom Wind auf den Boden gedrückt werden, und wir sehen in diesen Stunden auch immer wieder Fernsehreporter, die im strömenden Regen erzählen, was passiert, so wie dieser Kollege von CNN.
    O-Ton CNN-Reporter:
    Armbrüster: … der prasselnde Regen immer im Hintergrund. Es sind gewaltige Kräfte, die da frei werden, und wir hören das immer wieder, es sind auch möglicherweise Vorboten für den Klimawandel. Wir wollen das etwas ausführlicher beleuchten mit dem ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Zuerst mal sprechen wir aber über Irma selbst. Am Telefon ist jetzt der Meteorologe Sven Plöger, der sich in diesen Tagen intensiv mit den Unwettern am Golf von Mexiko beschäftigt. Schönen guten Morgen, Herr Plöger.
    Sven Plöger: Guten Morgen, Herr Armbrüster. Hallo!
    Armbrüster: Herr Plöger, Irma wurde inzwischen herabgestuft in der Kategorie. Heißt das, es könnte alles doch nicht so schlimm werden, wie in den vergangenen Tagen befürchtet?
    Plöger: Nein. Man hat ja gespürt, dieser Hurrikan ist mit Kategorie vier – das ist die zweithöchste Stufe – auf Florida getroffen. Dann ging es los mit den Windböen, über 200 Kilometer pro Stunde. Jetzt passiert das, was einem Hurrikan immer passiert, wenn er über Land gerät, wenn er, wie man sagt, "landfall" macht. Dann fehlt ihm natürlich der energetische Nachschub vom warmen Wasser und das schwächt ihn grundsätzlich ab. Er hat jetzt noch Kategorie zwei. Die Spitzenböen liegen aber immer noch bei 160 Kilometer pro Stunde.
    Bei so einem Hurrikan ist ja nicht nur der Wind das Wichtige. Es gibt zwei weitere Faktoren. Das eine – Sie hatten es gerade selber schon gesagt, als es um den Bericht des Kollegen von CNN ging -, das sind die Regenmengen. Wir haben hier teilweise Regenmengen bis 400 Liter auf den Quadratmeter in kurzer Zeit. Nur um das mal zu vergleichen: Eine Stadt wie Düsseldorf zum Beispiel hat 60 Liter im ganzen September. Das sind unglaubliche Wasserfluten. Und dann gibt es noch was, direkt im Küstenbereich: Vorher drängt das Wasser richtig weg von der Küste bei dieser Zugrichtung von Irma. Und jetzt anschließend mit der Flut schwappt es zurück. Es gibt eine riesige Flutwelle, die dann ihrerseits wieder Zerstörungen anrichtet.
    "Am Mittwoch ist 'Irma' schon Geschichte"
    Armbrüster: Können Sie vorhersagen, wie lange das noch weitergehen wird da im Süden der USA?
    Plöger: Im Moment ist es so, er kommt jetzt etwa bei Tampa vorbei und zieht dann weiter an der Westküste nach Norden, wird dann über Georgia ziehen. Dann ist er allerdings nur noch ein tropischer Sturm, ist aber immer noch heftig. Selbst im Bundesstaat Georgia können wir dann noch mal mit Regenmengen von 250 Litern, örtlich 300 Litern rechnen. Da ist er dann morgen Mittag unserer Zeit beziehungsweise dann zum Abend unserer Zeit und dann geht er weiter Richtung Alabama, kommt dann nach Tennessee, biegt ab noch bis Indiana. Da ist man dann schon ziemlich weit oben im Norden. Da ist er dann am Mittwoch, löst sich auf, aber das Ganze immer noch verbunden mit ordentlichem Regen. Die Winde lassen dann natürlich langsam nach und dann ist Irma tatsächlich schon Geschichte.
    Armbrüster: Wir haben jetzt in den letzten Tagen allerdings auch immer wieder gehört, dass dieser Hurrikan seine Richtung oder seine Spur durchaus auch mal ändern kann. Wie genau lässt sich so etwas denn eigentlich vorhersagen?
    Plöger: Im Prinzip schon überraschend genau. Man hat gewusst, wo er langzieht, dass er die kleinen Antillen passiert, dass er dann nördlich von Kuba vorbeizieht und dass er irgendwann abbiegen wird. Dieses Problem ist, wann biegt ein Hurrikan ab, wann ändert er seine Richtung. Wenn das 50, 100 Kilometer, sagen wir mal, falsch vorhergesagt wurde – so war es etwa -, dann würde ich als Meteorologe immer noch sagen, das ist eine sehr gute Vorhersage – hat aber natürlich die Folge, dass er am Anfang eher an der Ost-, später aber im weiteren Wanderverlauf eher an der Westküste von Florida gesehen wurde, und das hat natürlich für die Leute vor Ort dann wahnsinnige Folgen, wenn das Sturmzentrum sich, sagen wir mal, ein, 200 Kilometer verlagert. Das ist allerdings bei den komplexen Zusammenhängen in der Atmosphäre einfach ein ganz normaler Vorgang, dass man das wird kaum genauer vorhersagen können. Natürlich versucht man, das stets zu verbessern, hat in den letzten Jahren auch wahnsinnig viel erreicht, aber mit diesen Ungenauigkeiten muss man leben. Das ist einfach so.
    Hurrikan "José" könnte die US-amerikanische Ostküste bei New York oder Washington treffen
    Armbrüster: Herr Plöger, noch ganz kurz zum Schluss. Mit wie vielen weiteren dieser Hurrikans müssen wir denn in dieser Saison noch rechnen?
    Plöger: Das ist natürlich immer schwer zu sagen. Wir haben manchmal intensive Hurrikan-Saisons, manchmal weniger intensive. 2005 war zum Beispiel die Rekordsaison. Im Moment gibt es einen Hurrikan, der uns wirklich noch beschäftigt, das ist José. Der ist ja auch wieder über die kleinen Antillen gezogen, tobt sich im Moment auf dem Atlantik aus, runtergestuft jetzt auf Stufe drei. Aber wenn man sich die Wettermodelle anschaut, dann wird er später vielleicht als normaler Sturm immer noch in den nächsten zwei Wochen sichtbar sein. Es ist jetzt noch unklar, ob der vielleicht in zehn, zwölf Tagen noch mal die Ostküste irgendwo bei Washington oder New York tatsächlich mit seinen Ausläufern erreichen kann. Es deutet im Moment nichts darauf hin, kann man aber nicht hundertprozentig ausschließen. Sprich: Wir müssen das sehr genau beobachten. Der taumelt nämlich wirklich sehr beständig da herum. Wie viele es am Ende werden – die Saison endet am 30. November -, das kann noch niemand sagen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass noch mal neue entstehen – wir haben im Moment eine sogenannte "depression", eine Störung im Bereich der Kapverden, die sich entwickeln könnte -, dass wir noch mit weiteren rechnen müssen in dieser Saison, ist gar keine Frage.
    Armbrüster: Dann sage ich vielen Dank, Sven Plöger.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.