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Ich bin dann mal weg

Der Mond ist auf Wanderschaft und bewegt sich jedes Jahr ein Stückchen weiter von der Erde weg. Dieser Vorgang beschleunigt sich stärker, als bislang bekannt, haben Forscher aus Wales herausgefunden.

Von Guido Meyer | 05.06.2013
    Auch wenn seit 40 Jahren kein Mensch mehr den Mond betreten hat - das von den amerikanischen Apollo-Astronauten dort zurückgelassene Werkzeug funktioniert noch. Zum Beispiel Spiegel auf der Oberfläche, die Lasersignale von der Erde reflektieren. Aus der Laufzeit des Lichts können Astronomen den exakten Abstand zwischen den beiden Himmelskörpern bestimmen. Und der beträgt 384.400 Kilometer. Und jedes Jahr kommen 3,8 Zentimeter hinzu, denn mit dieser Geschwindigkeit entfernt sich der Mond von der Erde.

    "Diese Tatsache bringt nur ein Problem mit sich: Rechnen wir diese Bewegung zurück bis zur Entstehung des Mondes, kann er nicht älter sein als anderthalb Milliarden Jahre. Das von Astronauten mitgebrachte Mondgestein ist jedoch älter als vier Milliarden Jahre. Irgendwo fehlen also dreieinhalb Milliarden Jahre in dieser Theorie."

    Mattias Green von der Schule für Ozeanwissenschaften der Bangor University in Wales hat sich die Geschichte des gesamten Erde-Mond-Systems näher angesehen: den Abstand des Mondes, die Rotationsgeschwindigkeit der Erde, die Stärke der vom Mond verursachten Gezeiten sowie die Höhe der Wellen in den Weltmeeren. Und demnach gibt es für den britischen Ozeanografen nur zwei Möglichkeiten:

    "Entweder ist der Mond viel jünger als gedacht, oder die Gezeiten auf der Erde waren in der Vergangenheit viel schwächer als heute. Und genau das glauben wir, dass Ebbe und Flut vor mehr als 50 Millionen Jahren noch weniger stark ausgeprägt waren. Schwächere Gezeiten verursachen weniger Reibung der Wassermassen an der Erde - am Meeresboden, an Kontinenten und an Inseln. Reibung verlangsamt die Drehung des Planeten. Weniger Reibung bedeutet also, die Erde konnte sich schneller drehen. Und wenn die Erde sich schneller gedreht hat, hat der Mond sich langsamer von ihr entfernt. Das Tempo, mit dem der Mond sich entfernt, hängt also direkt ab von der Stärke der Gezeiten."

    Ein Eiskunstläufer gewinnt an Tempo, wenn er während der Rotation die Arme anlegt. Streckt er sie aus, wird seine Eigendrehung langsamer. Ähnliches passiert bei Erde und Mond: Dreht sich die Erde langsamer, muss der Mond auf eine weiter entfernte Bahn ausweichen, um den Drehimpuls des gesamten Erde-Mond-Systems aufrechtzuerhalten. Als Beleg für schwächer ausgeprägte Gezeiten und flachere Wellen vor Millionen von Jahren dient dem amerikanisch-britischen Forscherteam die Kontinentalverschiebung.

    "Heutzutage beobachten wir eine Anordnung der Kontinente, die einer starken Gezeitenbildung entgegenkommt. Der Nordatlantik zwischen Amerika auf der einen sowie Europa und Afrika auf der anderen Seite hat derzeit ein Ausmaß, das sehr große Unterschiede zwischen Ebbe und Flut begünstigt. Verglichen mit früheren Zeiten, als die Kontinente näher beieinander waren, bringt der Takt der Gezeiten, ihr Rhythmus, heute Wellen hervor, die größer sind."

    Die stärkeren Gezeiten heutzutage bedeuten also nach Mathias Greens Ansicht, dass sich der Mond heute schneller von der Erde entfernt. Das bestreiten auch Kritiker dieser Theorie nicht, die jedoch darauf verweisen, dass die Erdplatten sich bereits seit mindestens zwei Milliarden Jahren bewegen. Das Ozeanografen-Team sei in seinen Untersuchungen nur 50 Millionen Jahre zurückgegangen. Außerdem war der Mond zu dieser Zeit fünf-zehn-mal näher an der Erde als heute. Seine Anziehungskraft hätte also - im Gegenteil - eher zu stärkeren Gezeiten führen müssen. - Das Geflecht aus Mond, Erde, ihren Ozeanen, Wellen und Gezeiten bleibt vorerst ein kompliziertes.