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"Ich halte von einem bundesweiten Zentralabitur wenig"

Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) interpretiert den Wunsch vieler Eltern nach einem bundesweit einheitlichen Abitur als eine Aufforderung an die Politik, Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit der Abschlüsse zu verbessern. Ein Zentralabitur lehnt Spaenle jedoch ab, er favorisiert Maßnahmen wie inhaltliche Standards und normierte Aufgabenpools auf Basis eines Staatsvertrages.

Ludwig Spaenle im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 20.04.2011
    Ulrike Burgwinkel: Letzte Woche erst sprachen sich 79 Prozent aller Deutschen für ein bundesweites Zentralabitur aus. Gestern wies die jüngste repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach in die gleiche Richtung. Auch drei Viertel aller Lehre wünscht sich einheitliche Abschlussprüfungen und fordert die Abschaffung des Bildungsföderalismus. Die Allensbach-Studie zeigt darüber hinaus wieder einmal den Vorsprung Süddeutschlands in Sachen Schul- und Bildungspolitik. 49 Prozent aller Befragten bundesweit attestieren Bayern die besten schulischen Rahmenbedingungen. Das hat ihn gewiss gefreut, den bayrischen Kultusminister Ludwig Spaenle, und ich freue mich, ihn jetzt am Telefon zu haben. Guten Tag, Herr Spaenle!

    Ludwig Spaenle: Grüß Gott!

    Burgwinkel: Herr Spaenle, Bayern als Bundeseinheitsmodell, wie wäre denn das?

    Spaenle: Ich glaube, die Tradition des Föderalismus ist nicht nur historisch gewachsen, sondern politisch auch eine sehr kluge Einrichtung, nämlich die Menschen können über Bildungspolitik sehr nah am Geschehen abstimmen, tun das auch, wie die letzten Landtagswahlen, inklusive der bayrischen, auch gezeigt haben bei der Feinanalyse. Ich glaube, die Entwicklung geht in eine andere Richtung. Der Wunsch nach einer hohen Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit bei den Abschlussprüfungen ist etwas, dem die Kultusminister gerecht werden müssen. Da konkurrieren zwei Grundrechte miteinander: Mobilität und Bildung, und das muss man auflösen.

    Burgwinkel: Sehen Sie denn eine Chance, jetzt nach diesen zwei Befunden, dass sich was ändert in Richtung Zentralabitur?

    Spaenle: Ich halte von einem bundesweiten Zentralabitur wenig. Wir werden es nur ganz schwierig sehen, dass wir am selben Tag von Flensburg bis zum Bodensee einheitliche Prüfungen schreiben, wenn Sie allein an das Thema Ferienordnung denken. Was sich ändern muss – und da sind die unionsgeführten Länder auf dem Wege –, das ist in der Tat eine deutlich erhöhte Vergleichbarkeit der Prüfungen. Das ist ein Dreisprung, wenn Sie so wollen, den wir aus Bayern heraus da entwickelt haben. Das erste ist die Strategie der inhaltlichen Standards, die für die Abiturprüfung und den mittleren Abschluss ja von der Kultusministerkonferenz entwickelt werden, fächerbezogen. Darauf aufsetzend sind mehrere Länder unter dem Stichwort Südabitur, das aber bis zur Ostsee geht, unterwegs, sogenannte normierte Aufgabenpools für Abituraufgaben zu entwickeln. Das heißt letztlich, dass vergleichbare Abituraufgaben in den Ländern, die dieses Unternehmen tragen, angeboten werden können – wir haben das Jahr 2013/14 im Auge –, und wir Bayern sagen, um diese Strategie auch verlässlich zu machen – genau das, was die Mehrheit der Bevölkerung und auch der Lehrkräfte möchte –, schlagen wir das sehr starke politische Instrument eines Staatsvertrages vor, dem letztlich dann auch alle 16 Länderparlamente zustimmen müssten.

    Burgwinkel: Das heißt, Bundesbildungsministerin Schavan wäre dann gefragt. Sie würde ja wohl das Zentralabitur unterstützen, hat sie zumindest gesagt.

    Spaenle: Ich halte von – ich sage es noch mal – von einem bundeseinheitlich aus Berlin gestellten Zentralabitur wenig, weil das etwa den Bildungsbedingungen Bayerns, glaube ich, nicht den Rang geben könnte. Es müssen die Länder selbst in der Lage sein, dies zu regeln, natürlich im Dialog auch mit denen, die in Berlin Verantwortung tragen.

    Burgwinkel: Danke für Ihre Einschätzung, Ludwig Spaenle, bayrischer Kultusminister und letztjähriger Präsident der Kultusministerkonferenz, zu den Wünschen von Eltern und Lehrern, der Bildungsföderalismus möge ein Ende haben.