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Idylle in Gefahr

In der Südsee tobte der Zweite Weltkrieg zwischen Amerikanern und Japanern besonders heftig. Tausende Kriegsschiffe gingen damals unter. Und heute, 65 Jahre später, bedrohen die Wracks die Inselwelt - denn im Bauch der Kriegsschiffe drohen Abermillionen Liter Öl auszulaufen.

Von Andreas Stummer |
    Immer wenn Sefania Newadra zur Arbeit geht, erlebt er sein blaues Wunder. Zwei, drei Tauchgänge in die Unterwasserwelt der Südsee sind für ihn ein ganz normaler Tag im Büro. Sefania ist der Umweltoffizier der Inselgemeinschaft Mikronesiens, er patrouilliert die Seeschlachtfelder des Zweiten Weltkriegs. Im Südpazifik, auf einer Fläche größer wie Europa, liegt das Erbe des Seekrieges zwischen Japan und den USA. Mehr als 3000 Wracks von Zerstörern und Tankern, untergegangen mit Mann und Maus – und mit Millionen Litern Öl an Bord. In Tanks, sagt Sefania, in die das Meerwasser nach 65 Jahren immer mehr Löcher frisst.

    "Für zu lange haben wir dieses Problem einfach ignoriert. Dabei sind die alten Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg eine der größten Umweltbedrohungen im ganzen Pazifikraum. Es wird Zeit, dass wir etwas unternehmen."

    Die Truk Lagune, im Herzen Mikronesiens. Skipper Lance Higgs bringt seit 25 Jahren Taucher an den Schauplatz einer der größten Seeschlachten des Zweiten Weltkriegs. In 50 Metern Tiefe liegen die Überreste von Zerstörern und Flugzeugträgern. Doch aus den rostigen Tanks der Schiffe sickert immer mehr Öl ins kristallklare Wasser.

    "Es genügen schon die Luftblasen von Tauchern, um Teile der Wracks loszulösen und Öl freizusetzen. Oft nur kleine Mengen, die jahrelang wie aus einem nicht ganz zugedrehten Wasserhahn auslaufen. Aber es kommen auch riesige Öllachen nach oben und es dauert Wochen, bis sie wieder verschwunden sind."

    Vor acht Jahren hätte es beinahe eine Katastrophe gegeben. Vor dem Ulithi-Atoll begann das Wrack der "USS Mississinewa" zu lecken – ein Tankfrachter, den ein japanisches U-Boot 1944 dort in der Lagune versenkt hatte. An Bord: Zehn Millionen Liter Öl. Ein Spezialschiff der US-Marine rückte an, es dauerte einen Monat, bis die Crew die Tanks leergepumpt hatte. Doch die Mississinewa ist kein Einzelfall. "Das nächste Mal", fürchtet Wrack-Detektiv Sefania Newadra, "kommen wir vielleicht nicht mehr mit einem blauen Augen davon."

    "Wir haben bisher die Wracks von 157 Tankern gefunden – so groß und mit ähnlich viel Öl an Bord wie die Mississinewa. Das Öl bedroht die Fischgründe der ganzen Region. Sollte es auslaufen, dann sind diese kleinen Inseln völlig hilflos. Nicht einmal große Länder könnten etwas gegen eine solche Ölpest ausrichten."

    Das internationale Seerecht ist eindeutig: Ein Kriegsschiff bleibt die Verantwortung des Landes, das es in die Schlacht geschickt hat – auch wenn es versenkt wurde. Doch aus dem Pentagon heißt es: Der US-Regierung fehle das Geld für eine langwierige, groß angelegte Bergungsaktion. Die Japaner weigern sich anzuerkennen, dass es überhaupt ein Problem gibt.

    Umweltschützer Sefania Newadra hofft jetzt auf ein Machtwort der Vereinten Nationen.

    "Die Lebensart der Menschen auf den Inseln im Südpazifik steht auf dem Spiel. Sie haben während des Krieges genug durchgemacht, sie sollten jetzt nicht auch noch unter den Folgen leiden. Denn sie trifft an alledem keine Schuld."

    Vor 65 Jahren wurden die Atolle Mikronesiens durch die Invasion der japanischen Kriegsflotte bedroht, heute durch Millionen Liter Öl in den versunkenen Wracks der Seeschlacht im Südpazifik. Der Krieg ist längst vorüber, aber der Kampf gegen eine drohende Ölpest in einer der naturbelassensten Gegenden der Welt – der hat erst begonnen.