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Illegal in Deutschland

Hamburg - Amsinckstrasse, unweit des Hauptbahnhofs. An der vielbefahrenen Verkehrs-Trasse steht ein Klinker-Neubau mit spitzem Bug. Hier gehen ehrbare Beamte gewissenhaft einer Arbeit nach. Ihre Ergebnisse werden von vielen gefürchtet. Es handelt sich um die Ausländerbehörde. Hier gibt es Aufenthaltsberechtigungen; hier wird aber auch verfügt, dass Menschen Deutschland zu verlassen haben.

Reiner Scholz | 17.02.2003
    Direkt gegenüber, Aug' in Aug' mit dem Amt sozusagen, liegt das Cafe Exil. Ein umgebauter Laden, ein Tresen, ein paar braune Tische, einige abgeschabte Stühle. Es ist ein Anlaufpunkt für Menschen, die auf die Ausländerbehörde nicht gut zu sprechen sind. Einmal in der Woche beraten hier Sozialarbeiterinnen einer Initiative namens "Woge", Migranten, meist Afrikaner. Oft geht es um drohende Abschiebungen. Wie bei diesem Mann aus Bukina Faso:

    Es ging jetzt gerade um die Beratung eine Asylbewerbers, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, aus Burkina Faso, hat jetzt noch eine Duldung bis nächste Woche und hat eine Freundin, die schwanger ist, auch demnächst ein Kind bekommt. Er hat schon die Vaterschaft anerkannt und möchte sie auch heiraten. Das haben sie jetzt schon vorbereitet. Aber es ist jetzt die Frage, ob die Gefahr besteht, dass er vor der Geburt des Kindes abgeschoben wird, weil es in letzter Zeit einige Fälle gab, dass selbst Väter mehrerer deutscher Kinder und selbst Leute, die kurz vor der Heirat standen, noch mal abgeschoben wurden und dann gesagt wurde, die können ja Visum beantragen, wenn sie hier wieder einreisen wollen.

    Was soll Conni Gunzer dem Verzweifelten raten? Verlässt er Deutschland, wird er womöglich nicht wieder zurückkehren. Bleibt er, wird er vielleicht gewaltsam abgeschoben. Taucht der Mann unter, so passiert erst einmal gar nichts, bis er erwischt wird, was Farbigen öfter passiert als anderen. Der Farbige ist dann einer der sogenannten "Illegalen" in Deutschland. Fachleute sprechen von 500.000 bis einer Million Menschen "sans papiers", ohne Papiere, wie man sie in Frankreich nennt. Anna Harms vom "Fluchtpunkt", einer kirchlichen Hilfsstelle in Hamburg-Altona, unterscheidet drei große Gruppen:

    Das eine ist eine Gruppe von Leuten, die hierher kommen und auch gar nicht vorhaben, sich bei Behörden zu melden. Zum einen ein großer Teil Sexarbeiterinnen und auch einige Sexarbeiter, da hat Hamburg natürlich einen großen Schwerpunkt. Dann gibt es eine Gruppe anderer illegaler Arbeitskräfte. Das betrifft in aller Regel das Baugewerbe, natürlich auch andere Bereiche, dementsprechend hat da den größten Anteil Berlin, auch auf den großen Bundesbaustellen, das ist ja hinlänglich bekannt. Die dritte und für uns relevanteste Gruppe sind die Illegalisierten, das heißt die ehemals legalen Flüchtlinge, die hier um Schutz nachgesucht und ihn nicht erhalten haben und die ins völlige Nichts fallen.

    Das Büro von Fluchtpunkt ist voll von Gerichtsakten über Menschen, die in der Illegalität leben oder denen dies droht. Immer ist da die Hoffnung, dass sich die Behörden umstimmen lassen und die Erfahrung, dass dies vermutlich nicht geschehen werde.

    Frau A. aus Armenien ist eine alleinerziehende Mutter von drei Töchtern und lebt seit Mitte 1990 in Deutschland. Sie hat erfolglos ein Asylverfahren betrieben und führt mittlerweile seit mehreren Jahren ein Gerichtsverfahren gegen die Ausländerbehörde um eine Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen. Solche Sachen liegen beim Gericht oft sehr lange. Wir haben versucht mit der Ausländerbehörde auszuhandeln, dass Frau A. und ihre Töchter hier bleiben dürfen, zumindest nicht abgeschoben werden, solange das Gericht nicht entschieden hat. Aber die Behörde ist hart geblieben. Sie wollen sie abholen.

    Mit ihrer Arbeit ist Anna Harms längst an Grenzen gestoßen, Grenzen der Arbeitskraft, aber auch an psychische Grenzen:

    Nun haben wir noch einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht gemacht. Wenn der scheitert, steh ich vor der blödsinnigen Frage, was besser ist: Frau A., die schon drei sehr ernst zu nehmende Suizidversuche hinter sich hat, die Wahrheit zu sagen, ihr ehrlich zu sagen, wenn sie von jetzt ab weiter zuhause schlafen, können sie jederzeit plötzlich nachts überfallen und mit ihren drei Töchtern abgeschoben werden. Oder sage ich ihr zur Vermeidung eines weiteren Suizidversuches die Wahrheit nicht? Dann riskiere ich aber, dass eine furchtbare Situation entsteht, wenn die Ausländerbehörde tatsächlich nachts kommt und auch noch die Kinder traumatisiert werden.

    Gemessen an der großen Zahl von Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben, machen solche Fälle nur einen winzigen Bruchteil aus. Illegalität ist selten spektakulär, hinterlässt öffentlich kaum Spuren. Die meisten Migranten reisen ohne Schwierigkeiten – und völlig legal - nach Deutschland ein. So brauchen Menschen aus Russland oder Polen nur ein Touristenvisum, andere benötigen nicht einmal das. Veronica Munk von der Initiative "Amnesty for Woman" betreut Frauen, die aus Lateinamerika kommen:

    Die meisten süd- und zentralamerikanischen Länder brauchen kein Visum. Das heißt, sie können schon alleine kommen. Und das zweite sehr, sehr wichtige Punkt ist: Die Migration von Lateinamerika passiert schon sehr lange. Das heißt, es hat sich hier in Europa – nicht nur in Deutschland - schon eine Struktur gebildet und ein Netzwerk von Menschen, von Communities, dass es den Frauen erlaubt, schon allein zu kommen und in dieses Netzwerk automatisch reinzukommen.

    Fast sechzig Prozent der Prostituierten in Deutschland kommen aus Lateinamerika, schätzt Veronica Munc. Fast alle lebten illegal in Deutschland. Diese Frauen wurden keineswegs von Schlepperbanden zur Migration gezwungen. Sie seien freiwillig hier. Erst ihr rechtloser Status in der Illegalität im Verbund mit der permanenten Ausweisungsbedrohung würde sie gewissenlosen Zuhältern und skrupellosen Geschäftsmachern ausliefern:

    Die meisten Frauen sind nicht vom Frauenhandel betroffen. Aber das Problem ist dann, weil die Migrationsgesetze so repressiv und so hart sind, brauchen diese Frauen von Anfang an dritte Personen, um in den Migrationsprozess rein zu kommen und das ist das Problem, sie kommen in diese Abhängigensituation rein, wo sie ausbeutbar sind und Risikosituation eingehen.

    Anna kommt aus Kolumbien und lebt seit sieben Jahren ohne Erlaubnis in Deutschland. Sie arbeitet als Köchin in einer Nachtbar, sorgt dafür, dass die Mädchen und Kunden nachts etwas zu essen bekommen. Sie führt ein völlig unauffälliges Leben, wäre da nicht immer die Angst, entdeckt und des Landes verwiesen zu werden:

    Sie sagt, dass alle sehr unruhig oder mit viel Angst leben. Auch sie selber, immer noch kann sie kontrolliert werden und die Leute sind nicht so besonders nett oder höflich. - Die führen ein ganz normales Leben. Die arbeiten, stehen früh auf, gehen zur Arbeit und irgendwann kommen sie abends nach Hause.

    Anna ist schwanger. Sie erwartet ihr fünftes Kind, drei leben in Kolumbien. Sie hat jetzt für kurze Zeit eine Duldung, darf ihr Kind sozusagen legal zur Welt bringen, und verliert dann wieder ihr Aufenthaltsrecht. Ob sie dann zurückgeht? "Vielleicht" sagt sie, doch ihre Gesichtszüge sprechen eine andere Sprache. Kolumbien ist vom Bandenkrieg zerrüttet, Arbeit gibt es kaum. Wie sollen sie und ihr Mann ihre fünf Kinder da ernähren? Solange deutsche Arbeitgeber ihr Arbeit geben – und das kann noch lange sein – , warum sollte sie da Deutschland verlassen? Schwierig wird es nur, wenn sie hier einen Arzt braucht. Doch, so Anna, bisher sei sie immer noch durchgekommen:

    Mit Geld ist eben vieles möglich. Doch gerade daran mangelt es den Menschen ohne Papiere. Ob in Privathaushalten, im Hotel-und Gaststättengewerbe, in der Landwirtschaft, der Reinigungsbranche oder im Sex-Business, der Lohn ist karg und geht häufig nicht über drei Euro die Stunde hinaus. Wobei keineswegs sicher ist, dass die illegal Beschäftigten ihr Geld auch wirklich bekommen. Eine gezielte Razzia, womöglich vom eigenen Arbeitgeber oder der Gewerkschaft eingefädelt, und schon haben die Betroffenen umsonst gearbeitet.

    Zum Beispiel, ihren Freund, er bekommt hier immer Schwierigkeiten. Der Arbeitgeber verspricht, das Geld zu bezahlen. Er macht das aber nicht und macht alles super kompliziert und schwierig. Das Geld ist nie da.

    Welche Rechte Illegale haben – das ist zwischen Hilfsorganisationen und offiziellen Stellen durchaus umstritten. Offiziell sind Migranten ohne Papiere völlig rechtlos. Sie haben kein Recht, auf medizinische Versorgung. Ärzte und Lehrer haben nach dem Ausländerrecht die Pflicht, Illegale zu melden, wenn sie sich nicht selbst strafbar machen wollen. Pfarrer, die Kirchenasyl gewähren, geraten zunehmend selbst unter Kriminalitätsdruck. Deutschland hat zwar 1992 die Kinderrechtskonvention der UN unterschrieben, die vorsieht, allen Kindern auf seinem Territorium den Besuch der Grundschule zu ermöglichen. Doch mit einer Zusatzklausel hat die Regierung Helmut Kohl dies damals gleich eingeschränkt. Offiziell sind Kinder von Illegalen bis heute vom Schulbesuch ausgeschlossen.

    Die Szene ist vielfach von Kriminalität bedroht. Illegale lassen sich nicht selten von Kriminellen helfen, von Schleppern und Passfälschern. Nur eines sind sie in der Regel nicht: Selber kriminell. Die Arbeiten, die sie verrichten, sind in aller Regel weder sozialschädlich noch sittenwidrig: Die häufig geäußerte Annahme, Illegale seien nicht selten kriminell, habe mit der Wirklichkeit wenig zu tun, so Marie-Luise Beck, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung.

    Man kann generell sagen, dass Illegale eher weniger zur Kriminalität tendieren als andere Menschen, weil für sie die größte Gefahr das Entdecktwerden ist. Dass man davon ausgehen muß, dass eine große Zahl der Illegalen in Deutschland höchst angepasst hier lebt.

    Auch das Argument, Illegale würden der deutschen Wirtschaft schaden, sehen Experten durchaus skeptisch. Der Berliner Jesuitenpater Jörg Alt, einer der besten Kenner der Materie, macht eine interessante Rechnung auf:

    Man kann es anhand der Bauindustrie zum Beispiel so darlegen, dass illegale Ausländerbeschäftigung zum einen Arbeitsplätze sichert, indem man bedenken muß, dass deutsche Baufirmen im deregulierten Wettbewerb kaum bestehen könnten, wenn sie eben nur Arbeiter hätten, die nach dem bestehenden Steuer- und Tarifrecht bezahlt werden würden. Man versucht sich eben dann, vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen dadurch zu behelfen, dass man den Stammarbeiter ergänzt durch deutsche Schwarzarbeiter und illegale Ausländer, woraus sich dann ein Mischlohn ergibt, der diese Firma dann wieder konkurrenzfähig im Wettbewerb mit anderen Anbietern macht.

    Es gibt sogar Theorien, die besagen, illegale Ausländerbeschäftigung schaffe Arbeitsplätze. Je günstiger eine Firma anbieten kann, umso mehr Jobs bekommt sie und umso mehr legale Arbeiter kann sie auch anstellen.

    Darüber kann man streiten. Unbestritten ist aber, dass angesichts der hohen Lohnkosten viele Arbeiten nicht mehr bezahlbar wären, würden sie nur noch von regulären Arbeitnehmern geleistet. Küchenbeschäftigte, Putzfrauen, Haushaltshilfen – sie alle wären dann vermutlich zu teuer:

    Ohne Illegale gäbe es eine ganze Reihe von Arbeiten, die niemand mehr machen würde, weil es nicht mehr mit dem Sozialprestige eines legalen deutschen Lebens nicht mehr vereinbar wäre, zu bestimmten Löhnen oder arbeitsrechtlichen- arbeitszeitlichen Bedingungen zu arbeiten. Und das sind eben die Jobs, die außer den Illegalen keiner machen würde.

    Experten wie Jörg Alt beklagen, dass es in kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich soviel Heuchelei gebe wie bei der Beschäftigung von Menschen ohne Papiere. Die öffentliche Hand nimmt es wie selbstverständlich hin, dass auf den großen Staatsbaustellen Illegale arbeiten – und der Staat dadurch Kosten spart. In den Haushalten von Managern, Staats- und Kommunalbeamten arbeiten wie selbstverständlich polnische oder togolesische Putzfrauen. Auch die Nachfrage deutscher Männer nach exotischen und damit in aller Regel nicht legal gemeldeten Prostituierten ist ungebrochen hoch. Kein Illegaler würde in Deutschland auch nur eine Mark, respektive einen Euro verdienen, wenn er nicht von Legalen beschäftigt werden würde.

    Gleichzeitig rückt die offizielle Politik Beschäftigte ohne Papiere bewußt in den Ruch der Kriminalität. Damit möchte man nichts zu tun haben. Selbst nach mehrmaliger Anfrage war das "Bundesministerium des Innern" nicht bereit, dem Deutschlandfunk ein Interview zum Thema Illegalität zu gewähren. Statt dessen erreichte den Sender folgender Brief:

    Jeder Deutsche ist zur Einhaltung unserer Rechts- und Verfassungsordnung verpflichtet. Staat und Bürger erwarten deshalb Rechtstreue. Es wäre ein merkwürdiges Missverständnis, wenn wir diese Rechtstreue von Ausländern nicht erwarten würden. "Illegale", wie sie von Ihnen genannt werden, entziehen sich der deutschen Rechtsordnung. Dies kann ebensowenig geduldet werden wie Rechtsüberschreitungen deutscher Staatsbürger.

    Alle reichen und offenen Gesellschaften – auch die USA mit ihren Einwanderungsgesetzen – kennen das Phänomen der illegalen Einwanderung. In Deutschland sind es die freien Wohlfahrtsverbände und besonders die großen Kirchen, nicht zuletzt die katholische Bischofskonferenz, die zunehmend darauf drängen, dass endlich auch die deutsche Gesellschaft und die Politik dies zur Kenntnis nehmen und den Illegalen mit mehr Humanität begegnen:

    Es gibt in Deutschland eine doch inzwischen sehr breitangelegte Debatte, dass der erste Schritt, vernünftig umzugehen mit dem Thema der Illegalität, wäre, dass Lehrern und Schulen, die bereit sind, Kinder, deren Eltern keinen Aufenthaltsstatus haben, zu beschulen, nicht Gefahr laufen, angezeigt zu werden und gleiches gilt für den Gesundheitsbereich. Auch hier wieder: Die Androhung von Konsequenzen für diejenigen, die behandeln, ist eigentlich unerhört. Denn wenn Menschen in gesundheitlichen Schwierigkeiten sind, muß es einen Zugang zu ärztlicher Versorgung geben.

    In keinem Land gibt es so viele Flüchtlingsinitiativen wie in Deutschland. Sie sehen neidisch nach Frankreich, wo von Zeit zu Zeit Menschen ohne Papiere legalisiert werden, und fordern dies auch für Deutschland. Die Ausländerbeauftragte Marie-Louise Beck entgegnet, die Verhältnisse seien nicht zu vergleichen, weil Frankreich das in Deutschland häufig verwendete Instrument der offiziellen Duldung nicht kenne. Für die Idee einer Legalisierung sehe sie derzeit in Deutschland aus politischen Gründen nicht den Hauch einer Verwirklichungschance – selbst in wirklichen Härtefällen lasse sich oft wenig machen. Sie setzt auf kleine, aber wirksame Verbesserungen. Dazu gehören Gesundheitsfürsorge und Schulbesuch der Kinder sowie im Bereich von Prostitution und Frauenhandel ein Recht auf Zeugenschutz für Frauen, die gegen Zuhälter und Menschenschmuggler aussagen:

    Wir wissen, dass wir in der Regel bei Razzien die wenigen armen Frauen noch vorfinden, bei denen sich dann herausstellt, sie haben keinen Aufenthaltsstatus und sie werden über die Grenze zurückgeschickt. An die dahinterstehenden organisierten Kriminalitätsringe kommt man deutlich schwerer. Und es ist immer die Frage: Was passiert mit den Frauen, wenn sie bereit sind, auszusagen? Wer schützt sie dann?

    Dass es vor allem die großen Wohlfahrtsverbände und die Kirchen sind, die sich bei dem Thema zu Wort melden, hat nicht nur humanitäre Gründe. Die großen Kirchen fühlen sich allein gelassen und mit der steigenden Zahl der Hilfeersuchen zunehmend überfordert. In dem der Staat sich einfach nicht für zuständig erkläre, bleibe die gesamte Last der humanitären Hilfe an den freien Trägern hängen, so Jörg Alt:

    Eine Kirchengemeinde oder ein kirchliches Krankenhaus oder eine kirchlicher Schule kann einfach Menschen nicht abweisen, die in Not sind. Und der Staat weiß das irgendwo und freut sich darüber, das die Kirche und vergleichbare Institutionen hier Probleme lösen, die eigentlich die gesamte Gesellschaft angehen würden, weil letzten Endes die gesamte Gesellschaft davon betroffen (ist) und als Ganzes davon profitiert.

    Der Berliner Jesuiten-Pfarrer verweist darauf, dass es eine illegale Einwanderung immer geben wird. Daran werde auch die teure und überaus frustrierende, weil letztlich erfolglose Arbeit des Bundesgrenzschutzes nichts ändern:

    Ganz konkret bin ich der Meinung, dass der Markt die Zu- und Rückwanderung wesentlich effizienter regelt als der Bundesgrenzschutz. Was kann der Bundesgrenzschutz erreichen? Er kann schärfer kontrollieren. Oder wir führen verschärfte Visa-Bestimmungen ein. Aber all diese Kontrollen können mit Hilfe von Schleusern und anderen Dienstleistern umgangen werden. Und der einzige Effekt ist, dass die Preise für eine illegale Zuwanderung nach Deutschland steigen und die Leute sich mehr verschulden müssen und sich entsprechend an zwielichtige Geschäftemacher ausliefern müssen.

    So gesehen arbeite die Regierung den Schlepperbanden direkt in die Hände, was sich sehr schön am Beispiel der Ukraine zeigen lasse:

    Bis 1998 war es problemlos möglich, für Illegale aus der Ukraine, zu Weihnachten oder zu Geburtstagen nach Hause zu reisen. Aber dadurch, dass die Grenze immer schärfer kontrolliert wird, muß man mittlerweile auch für eine Ausreiseschleusung zahlen. Das heißt, für eine Ausreisegelegenheit aus Deutschland, ohne dass die Behörden es merken. Am Anfang wurden dafür 25 Euro verlangt. Mittlerweile liegt der Preis für eine unentdeckte Ausreise aus Deutschland bei 200, 250 Euro. Und das kann doch wohl keiner wollen, so was.

    Keiner weiß, wie viel Illegale es in Deutschland gibt. Täglich kommen neue, täglich reisen aber andere wieder aus. Jörg Alt spricht von einer Pendelmigration. Und er verweist darauf: Die deutsche Gesellschaft profitiere von den fleißigen Billigarbeitern, die den privaten Reichtum mehren. Sie zahlten zwar keine Steuern, lägen aber auch niemandem auf der Tasche. Die meisten reisen – ob mit oder ohne Einreisevisum - völlig legal ein, und blieben, solange sie Arbeit hätten, im Lande. Ihnen, vor allem ihren Kindern, sollte ein Minimum an humanitärer Hilfe gewährt werden. Dies sei ein Menschenrecht, betonen die Kirchen, das auch in Deutschland gelten sollte.