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Illegale Abfälle und Schaum auf dem Fluss

Es liegt schon mehr als sieben Jahre zurück. Aber den Ungarn haben sich die dramatischen Bilder des Flusses Theiß ins Gedächtnis gegraben. Nach einem Unglück in einer rumänischen Goldmine geriet giftiges Zyanid in den Fluss und löste ein großes Fischsterben aus. Der neueste Umweltskandal hat seine Ursprünge in Deutschland und Österreich. Die Ungarn sind wütend und wehren sich.

Von Anat Kalman |
    Eifrig laden die Mitarbeiter des ungarischen Recycling-Unternehmens im westungarischen Acs 3500 Tonnen illegaler Abfälle aus Deutschland auf den Lastwagen - der sie wieder nach Deutschland bringt. Zur gleichen Zeit reinigen keine 20km weiter andere Mitarbeiter den kleinen Fluss Raab, der von Österreich nach Westungarn fließt. Dort verdreckt aus Österreich angeschwemmter Schaum die beschaulichen Ufer. Beide Vorfälle eskalieren gerade zu einem Umweltskandal, denn in Ungarn ist man wütend. Der ungarische Umweltminister Gabor Fodor fuhr nun höchst persönlich nach Acs und erklärte dort vor der Presse:

    " Illegal nach Ungarn verfrachteter Müll wird ab sofort auf Kosten der dafür verantwortlichen Firmen wieder zurückgeschickt. Das geschieht mit diesem Müll aus Baden-Württemberg und Bayern. Wir fordern von den deutschen Firmen, dass sie sich an die abgemachten Lieferungen halten. Und nicht einfach Tausende von Tonnen mehr hierunter schicken. Das gleiche gilt für unsere Verhandlungen mit den österreichischen Behörden. Wir erwarten, dass sie erklären, wie sie die Verschmutzung der Raab technisch lösen wollen."

    Denn auch hier handelt es sich um nicht eingehaltene Abmachungen. 1997 hatte Ungarn die Einleitung bestimmter Abwassermengen aus Österreich genehmigt. Und zwar 1.400.000 Liter Abwasser pro Tag. Und das auch nur unter der Bedingung, dass die Wasserqualität der Raab erhalten bleibt. Doch das kümmert die Lederfabriken im burgenländischen Jennersdorf und Feldbach in der Oststeiermark nur wenig. Beide führen ihre Abwasser unkontrolliert in die Raab ab - was den Fluss mittlerweile fast vollkommen vergiftete - wie Herwig Schuster, der Chemieexperte von Greenpeace in Wien erklärt, der sich dabei auf die Probeentnahmen von Greenpeace stützt:

    " Also wir haben in der Raab sehr viele Schadstoffe gefunden. Auf der einen Seite haben wir festgestellt, dass hier sehr viele organische Schadstoffe in die Raab eingeleitet werden. Dann haben wir bemerkt, dass hier enorme Salzmengen in die Raab eingeleitet werden und dass auch sehr viele Schaum bildende Chemikalien hier von den Lederfabriken eingeleitet werden. "

    Dabei protestiert Ungarn schon seit Jahren. Die ersten Beschwerden über die Schaumbildung auf der Raab reichen ins Jahr 2003 zurück. Ein Jahr später forderte Ungarn Österreich auf, etwas dagegen zu tun. Doch vergebens. Die betroffenen Firmen berufen sich auf veraltete Wasserrechte, streiten die Zuverlässigkeit der Analysen ab und die Behörden sind sich nicht einig, wer dafür überhaupt zuständig ist. Eine ungarisch-österreichische Expertengruppe sollte nun Mitte Juni erste Lösungsvorschläge ausarbeiten. Doch bislang sind die Ergebnisse dieses Treffens nicht bekannt:

    " Es gibt hier die Bezirksverwaltung in Feldbach, es gibt die Landesregierung in der Steiermark, es gibt das Umweltministerium in Wien, es gibt das Wirtschaftsministerium in Wien, und alle die setzen hier auf Verzögerung und versuchen, die Verantwortung dem anderen zu geben. Und drum ist hier einfach jahrelang nichts passiert. Also ich kann bis jetzt noch keine Lösungsansätze erkennen. Es gab jetzt ja eine Task-Force und das einzige, was da an die Öffentlichkeit kam, ist eine Aussage des Umweltministers in Österreich. Und das war: es könnte sein, dass es in den nächsten Wochen eine Lösung geben könnte. "

    Ungarn droht nun mit dem Boykott österreichischer Unternehmen im eigenen Land. Das betrifft die Spar-Läden und die OMV-Tankstellen. Auch der ungarische Europaabgeordnete Peter Olajos, der selbst Chemiker und Umweltexperte ist, kündigte eine "harte, negative Kampagne" gegen Österreich an, sollte sich nicht bald eine Lösung abzeichnen. Denn seitdem im Jahre 2000 eine Zyanidkatastrophe in einer rumänischen Goldmine in der ostungarischen Theiß alles Leben ausgelöscht hat, reagiert man in Ungarn sehr empfindlich auf Verschmutzungen aller Art. Ganz gleich, ob illegale Mülltransporte oder vergiftete Flüsse: Ungarn - so klingt es zornig aus dem Umweltministerium in Budapest - ist schließlich nicht die Kloake Europas.