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Im Falle eines Falles

Technik. - Um ihre Provinzen zu sichern, brauchten die antiken Römer ständig neue Truppen, die praktischerweise vor Ort rekrutierten. Darunter waren oft knustfertige Stämme wie etwa die westgermanischen Bataver: sie produzierten ihre Helme und Rüstungen mit erstaunlichen Kniffen.

Von Joachim Budde | 04.12.2007
    Stechend starren die schmalen Augenschlitze, hell glänzt das Gesicht, fein modelliert Nase, Mund und Ohren. Dieses Gesicht aus Silber war das Visier zu einem Helm der Bataver-Reiterei. Eindrucksvoll muss das ausgesehen haben, denn der ganze Helm war mit einer Lage Haare bedeckt, auf die geflochtene Strähnen in Schlangenlinien, Dreiecken und Zopfmustern gelegt waren. Dass wir überhaupt eine Vorstellung von den Helmen dieser römischen Hilfstruppen bekommen, liegt an der Arbeit der Restauratoren vom Museum Het Valkenhof in Nimwegen. Zusammen mit Kollegen aus Bonn und Mannheim haben sie die bei Xanten und Nimwegen gefundenen Helme untersucht, sagt Frank Willer vom Rheinischen Landesmuseum:

    "Man erkennt den Helm zunächst erst gar nicht, das ist ein riesiger Rostklumpen, und durch aufwändige Arbeiten, die mehrere Wochen dauern, legt man Millimeter für Millimeter frei, und erlangt dann so eben das Bild des Helmes, wie er vor 2000 Jahren in etwa ausgesehen hat, als er in den Boden kam."

    Die Bataver haben sie wohl nach einer erfolgreichen Schlacht als Opfer vergraben. Die Visiere bestanden aus zwei Lagen: Eisen für die Sicherheit, Silber fürs Auge. Silber war teuer, deshalb rissen die Soldaten diese Schicht ab, bevor sie den Rest vergruben. Die Forscher fanden nur noch Reste. Weil das Silberblech fehlte, waren die Altertumsexperten in punkto Herstellung lange auf Mutmaßungen angewiesen. Bisher dachten sie, die antiken Schmiede hätten das Silber lediglich auf die Eisenmasken aufgerieben. Frank Willer hat durch Ausprobieren herausgefunden, dass das nicht sein kann:

    "Also war die Schlussfolgerung, dass die Handwerker, die diese Helme gefertigt haben, also zwei Arbeitsgänge hatten: Der erste Arbeitsgang wäre also der, dass man den Helm in Eisen schmieden musste, und der zweite Arbeitsgang, das Silberblech musste noch mal aufwändig geschmiedet werden."

    In Handarbeit war es jedoch unmöglich, die beiden Masken exakt passend herzustellen. Sie mussten also aufeinander geklebt werden – doch von solch einem Kleber wusste bisher niemand etwas.

    "Um zwischen dem Silber und dem Eisen den Klebstoff zu identifizieren, wollte ich also an einer kleinen Stelle mit einem Mikroschleifgerät einen Querschnitt erzeugen, und da das Eisen an diesem Fragment noch metallisch war, wurde es natürlich heiß, und dadurch hob sich dann das Silber wie von Geisterhand hoch, und man konnte dann quasi noch den Klebstoff erkennen, der zwischen Silber und Eisen bestand. Das war natürlich sensationell spannend. Im Rahmen einer Analyse kam dann heraus, dass es sich hierbei um eine Verbindung aus Baumteer, Bitumen und Rindertalg handelt."

    Der Kleber war nicht die einzige Besonderheit. Auch die prächtige Haardecke war völlig neu. Wie sich unter dem Mikroskop herausstellte, sind die reichhaltigen Ornamente aus Pferdehaar geflochten, sagt Louis Swinkels, Kurator am Museum Het Valkenhof in Nimwegen.

    "Diese Verzierungen ist einmalig im Römischen Reich, wir kennen sie nur aus Xanten und Nimwegen, es ist also anscheinend eine lokaler Brauch, die Helme mit geflochtenem Pferdehaar zu verzieren. Das ist natürlich verständlich bei einem Volk, das so eng mit seinen Pferden lebte wie die Bataver. Zum Ende des ersten Jahrhunderts aber verschwindet das. Die Idee, Helme mit Haarmustern zu dekorieren, bleibt, doch sie werden aus Metall imitiert, die alte Technik verschwindet."

    Über die Gründe dafür können die Altertumsforscher nur spekulieren. Hat es mit dem so genannten Bataver-Aufstand im Jahr 69 nach Christus zu tun oder entwickelte sich die Technologie weiter? Vielleicht wurde den Batavern die Technik einfach zu aufwändig.
    "Wir rekonstruieren die Fertigung der Helmteile aus Eisen und Silber etwa mit 40 Arbeitsstunden und die Verzierung durch die Haare 150 Arbeitsstunden. Da sieht man mal das Verhältnis, wie wichtig den römischen Reitern wohl die Verzierung durch diese perückenartige Arbeit war. Diese feinen Muster, die ja sehr empfindlich sind, da wundert man sich wirklich, dass die römischen Soldaten solche Helme getragen haben, man würde eher erwarten, dass reiche Römerinnen sich solche Textilien für die Produktion ihrer Gewänder haben fertigen lassen, aber nicht für römische Reiter."

    Ab Dienstag, 4. Dezember, bis 16. Februar sind die Helme in der Ausstellung "Hinter der silbernen Maske" im Rheinischen Landesmuseum in Bonn zu sehen.

    Rheinisches Landesmuseum