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Im Herz der Rakete

Technik. - Metalle zählen seit Jahrtausenden zu den stabilsten Baustoffen und haben selbst in heutigen Raketen noch eine tragende Rolle. So sind etwa die Brennkammern, in denen eine gesteuerte Explosion für gewaltigen Schub sorgt, aus Kupfer und Nickel. Probleme sind dabei aber das hohe Gewicht und die nötige Kühlung des Materials. Ingenieure vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt wollen die Explosionskammern deshalb aus Keramik und Plastik bauen.

Von Björn Schwentker |
    Während eine Rakete donnernd in den Himmel startet, setzt sie so viel Energie frei wie zwei Atomkraftwerke in der gleichen Zeit. Entsprechend ist in der Brennkammer des Antriebs die Hölle los. Bei bis zu 4000 Grad verbrennt darin flüssiger Wasserstoff mit flüssigem Sauerstoff. Dabei entsteht über hundertfacher Luftdruck, der sich entlädt über die Düsentrichter und so der Rakete den gewaltigen Schub gibt. Solche Brennkammern sind bisher aus Metall. Damit es nicht sofort schmilzt, müssen die Wände ständig gekühlt werden, indem durch kleine Kanäle darin der -230 Grad kalte Wasserstoff fließt. Ein riskantes Verfahren, meint Hermann Hald vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR, in Stuttgart:

    " Ein Problem besteht darin, dass sich die Metalle bei Temperaturwechseln ausdehnen oder zusammenziehen und damit die Gefahr besteht, dass die Materialien ermüden, dass es Risse gibt in dem Innenbereich und dass sie deswegen nur begrenzt von der Lebensdauer her einsetzbar sind. "

    Reißt eine Brennkammer während des Fluges, so führt dies fast sicher zum Absturz der Rakete. Künftige Triebwerke, die sich gar mehrfach wiederverwenden lassen, seien mit dem anfälligen Metall nur schwerlich vorstellbar, glaubt Herman Hald. Darum entwickelt er eine Brennkammer ganz neuer Art: aus Keramik und Plastik.

    " Es ist weniger ein evolutionärer, eher ein revolutionärer Antritt. Wir setzen hier auf eine Art hybride Verbundbauweise, indem wir einen Innenkern in der Brennkammer haben, der aus einer porösen Faserkeramik besteht, und dieser Innenkern ist ummantelt von einem kohlefaserverstärkten Kunststoff-Bauteil, das die hohen Brennkammerdrücke aufnimmt."

    Der Kunststoff des Mantels ist stabiler als Stahl, aber trotzdem fünfmal so leicht. Schmelzen kann die Plastik-Hülle nicht. Denn eiskalter Wasserstoff fließt zwischen Mantel und Innenkern. Dieser ist eine dünne Wand aus poröser Keramik, durch die die Flüssigkeit langsam in die Kammer sickert. Dort bildet der Wasserstoff einen dünnen Film und kühlt so die Innenwand der Brenn-Zone - quasi durch Schwitzen. Auf nur zwei Millimetern sinkt die Temperatur in der Keramik von 1500 Grad auf -230 Grad.

    " Diese faserverstärkten Keramiken zeichnen sich dadurch aus, dass sie extreme Temperatur ertragen, und dieses poröse Faserkeramikmaterial verändert sich nicht bei diesen hohen Temperaturen."

    Darum könnten Brennkammern aus Keramik auch keine Risse bekommen wie die aus Metall, glaubt Hermann Hald. Gerade haben die DLR-Ingenieure am Boden eine kleine Keramikkammer erfolgreich getestet - und damit gezeigt, dass das Prinzip funktioniert. Gerald Hagemann, Triebwerksexperte beim Raketenbauer EADS, bezweifelt aber, dass die neuartigen Antriebe im echten Einsatz sicher genug wären:

    " Weil man hier wirklich das Problem bekommt, dass der Wasserstoff dann mit einer zu niedrigen Temperatur eingespritzt werden muss, was unter Umständen zu Verbrennungsrauigkeiten bis hin zu Verbrennungsinstabilitäten führen könnte."

    Bei Metallkammern fließt sämtlicher Wasserstoff zuerst durch die heißen Wände. Dadurch erwärmt er sich und lässt sich leicht verbrennen. Bei den neuen Keramik-Kammern hingegen wird nur so wenig Flüssigkeit zur Kühlung verwendet, dass sie für die Verbrennung keine Rolle spielt. Der eigentliche Treibstoff wird darum ohne Vorwärmung direkt in die Kammer gespritzt. Weil dieser Wasserstoff so kalt ist - das gibt auch Hermann Hald vom DLR zu - könnte die Zündung durchaus holprig und damit problematisch werden. Aber nur, wenn man herkömmliche Einspritzer verwendet. Die DLR-Ingenieure entwickeln aber bereits eine neue Technologie, die auch den kalten Brennstoff so gut in der Kammer zerstäubt und durchmischt, dass er risikolos verbrennt.

    " Dieses an und für sich von der Physik sehr gute Kühlungsprinzip hat jetzt gute Chancen, dass man hier zu einem großen Erfolg in der Technologie kommt. Dazu kommt, dass es sich um eine vergleichsweise einfache Bauweise handelt. Das heißt, wir sehen auch das Potenzial für eine deutliche Kostenreduktion, und das ist ja in der Raumfahrt heute ein allgemein angestrebtes Ziel. Und eine Notwendigkeit. "