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Im Liegen zum Rekord

Technik. - Speedbikes sind voll verkleidete Liegeräder, die Spitzengeschwindigkeiten um die einhundertdreißig Stundenkilometer erreichen. Bislang lag der Rekord der maximal im Verlauf einer Stunde zurückgelegte Strecke in deutschen Händen: Lars Teutenberg erreichte auf dem Speed Hawk fast dreiundachtzig Kilometer in der Stunde. Mit PC und Muskelkraft brach der Kanadier Sam Wittingham am vergangenen Wochenende die Vorlage im Opel-Testzentrum in Dudenhofen bei Frankfurt.

Von Klaus Herbst |
    Das war eine tolle Fahrt, danke! Es ist im Fahrzeug so heiß wie in einer Sauna. Trotzdem: Wie leicht es ist, schnell zu sein!
    Freut sich der zierliche Kanadier Sam Wittingham, der am Samstag mit einem maßgeschneiderten Speedbike mit Vorderradantrieb den Weltrekord des Deutschen Lars Teutenberg um rund einen Kilometer übertroffen hat: Er schaffte vierundachtzig Kilometer in der Stunde.

    Das universelle deutsche Liegefahrrad Speed Hawk ist mit seiner Kohlefaser-Aramid-Verkleidung so platt wie eine Flunder und so eng, dass der drahtige, schlanke Testfahrer Lars Teutenberg gerade so hineinpasst. Normalerweise hat er einen Ruhepuls von sechsundvierzig, aber der steigt jetzt auch - bei der feuchten Hitze kurz vor dem ersten Fahrversuch.

    Schieb mich bis zu dem Auto dann. Jetzt ist die Startphase, das ist das Schwerste.

    Und schon ist Lars Teutenbergs Stimme kaum noch zu verstehen. So stark überträgt sich der Lärm der Betonpiste ins Innere der Renn-Flunder. Die Startphase ist das Schwerste, rekonstruieren wir aus dem Fahrzeug ankommende Sprachfetzen. Das Gerät sei schwer zu balancieren, anfangs drohe ein Sturz. Beim Hochschalten werde es einfacher. Diese Strecke sei uneben - daher das extreme Poltern und der Lärm, der erst in der Ausrollphase nachlässt.

    Lars Teutenberg zeigt den Technikern seines Teams, an welcher Stelle des Sitzes noch Schaumstoffpolster angeklebt werden, um die schlimmsten Vibrationen zu vermeiden. Denn der nach eigener Einschätzung Technikbewusste und Geschwindigkeitsfaszinierte hat sich etwas vorgenommen: mit dem Speedhawk des Vector Racing Team den Stundenweltrekord des Kanadiers Sam Whittingham erneut zu brechen. Die Chancen stehen gut, meint Rolf Sievers von der Adam Opel AG, zuständig für Fahrzeugsimulation im Entwicklungszentrum Rüsselsheim.

    Spötter würden sagen: Das Fahrzeug sah vorher aus wie ein Fisch auf Rädern. Wir sind jetzt hingegangen und haben diesen Fisch flacher gestaltet. Wir haben in der Breite des Fahrzeugs nicht zugelegt. Das Fahrzeug ist genauso lang wie vorher. Wir haben unten ein Teil abgeschnitten und haben ihn durch einen weniger hohen Teil ersetzt. Wir haben dabei die Abrundung verbessert, damit die Form immer harmonisch bleibt und dass es vom Windverhalten her immer noch schnell ist.

    Im Unterschied zu Rennrädern ist bei den Speedbikes das Windverhalten besonders wichtig. Sievers nennt computeroptimierte Design-Tricks:

    Also es ist einerseits die Stirnfläche. Die haben wir jetzt sehr verringert. Und es ist andererseits der so genannte cw-Wert. Bei Autos ist der so im Bereich von 0,3. Bei diesem Fahrzeug ist er im Bereich von 0,07. Ganz genau weiß man es nicht, weil solche Bereiche so niedrig sind, dass da eine Prognose schwer fällt. Aber wir haben einen so genannten A/B-Vergleich gemacht, alte Karosserie zu neuer Karosserie. Und in diesem Vergleich hat sich die gleiche Qualität des Fahrzeugs ergeben. Und das hat uns erst mal ausgereicht und, ehrlich gesagt, auch sehr glücklich gemacht und ein bisschen stolz.

    Glücklich ist auch der Speedbike-Experte und Liegerad-Buchautor Gunnar Fehlau aus Göttingen. Seine Renn-Szene sei fast völlig kommerzfrei. Da zählten nur Technikinteresse und Form des Fahrers.

    Das ist die Formel Eins der Muskelkraft. Da ist das absolute Diktat der Effizienz. Da kommt nur ans Rad, was wirklich für Vortrieb sorgt. Da geht’s nur um Tempo. Das sind keine Fahrräder, mit denen man Brötchen holen gehen kann. Man hat nur wenige Millimeter Lenkeinschlag. Der Kopf hat nur wenige Millimeter zum Drehen. Das sind Geräte, die absolut auf Geschwindigkeit getrimmt sind. Und da wird alles eingesetzt, was schnell macht. Die Rahmen sind aus Karbon, die Verkleidungen sind aus Kevlar. Titanwellen in den Pedalen, im Tretlager, überall, wo man was leichter machen kann, werden die entsprechenden Werkstoffe benutzt. Das ist natürlich Hightech.

    Gerade mal eine Handvoll Enthusiasten, so überschaubar ist die Szene, einige Europäer, der Kanadier ...

    ... und dann gibt es Matt Weaver, auch ein Amerikaner mit sehr spektakulären Konzepten. Der hat nicht mal mehr eine normale Kanzel, sondern er hat vorne eine Minikamera und fährt über LCD-Bildschirm. Also, das ist noch einmal eine Verschärfung. Der ist auch sehr rekordambitioniert, aber in der Tasche hat er noch keinen Rekord und auch noch keinen wirklich gültigen Versuch gefahren. Aber seine technischen Ansätze sind sehr interessant.