Archiv


"Im Notfall muss es schnell gehen"

Mit einem Kribbeln im Mund, auf den Hand- oder Fußflächen, mit einem Juckreiz oder Hitzegefühl kann sich ein anaphylaktischer Schock ankündigen. Wer schon einmal diese schwerste Form einer Allergie erlebt hat, sollte spätestens bei diesen Symptomen hellhörig werden,

Von Arndt Reuning |
    sagt Sabine Schnadt vom Deutschen Allergie- und Asthmabund, DAAB, in Mönchengladbach.

    "Die Anaphylaxie zeichnet sich eben dadurch aus, dass die Reaktion sehr schnell vonstatten gehen kann und eben lebensbedrohlich sein kann in dem Moment, wo entweder Atemwege und/oder das Herzkreislaufsystem betroffen sind. Das heißt also: jede Anaphylaxie ist als ein medizinischer Notfall einzustufen, der sehr schnell einer Behandlung bedarf."

    In Ländern wie England oder den USA sind Notfallsets für Lebensmittelallergiker weit verbreitet. Sie enthalten unter anderem ein Anti-Histaminikum, also ein Arzneimittel gegen allergische Reaktionen, und Adrenalin für den Fall, dass Atemwegs- oder Kreislaufbeschwerden auftreten. Wie viele Patienten und Patientiennen in Deutschland solch ein Notfallset besitzen, das wollte der DAAB herausfinden und hat deshalb 175 Betroffene am Telefon befragt. Ergebnis: Nur ungefähr sechzig Prozent verfügen über die Medikamente, die im Notfall Leben retten können. Und nicht alle wissen genau bescheid, wie sie die Mittel anzuwenden haben. Oder werden im Laufe der Zeit einfach nachlässig.

    "Es ist wichtig, dass die Patinenten im Umgang mit dem Notfallset geschult werden. Das heißt also auch mit den Rahmenbedingungen. Es nutzt natürlich nicht, dass man es vom Arzt verschrieben bekommt und geht dann ins Restaurant essen, und es liegt dann zu Hause im Nachttisch."

    Außerdem enthielten einige Notfallsets kein Adrenalin, das die Betroffenen sich mit einem Autoinjektor selbst in den Oberschenkel verabreichen können. Bei anderen Sets sei das Haltbarkeitsdatum der Medikamente abgelaufen gewesen. Ein weiterer Kritikpunkt der DAAB-Studie: Manche Notärzte oder Krankenhäuser versäumen es, den Patienten oder die Patientin nach der Akutbehandlung an einen Fachmann zu verweisen, der dann einen persönlichen Therapieplan erstellen kann.

    "Das heißt, es wird nicht drauf hingewiesen, dass man zwecks diagnostischer Abklärung den Allergologen aufsuchen sollte. Und das ist ein wichtiger Punkt, damit die Leute wissen: a) auf was reagiere ich und b) dass sie ein Notfallset verschrieben bekommen beziehungsweise dann natürlich auch über weitere Präventionsmaßnahmen - das Meiden des Allergens - bescheid wissen. Wenn man nicht weiß, auf welches Nahrungsmittel man reagiert, kann man es letztendlich auch nicht meiden."

    Außerdem, so Sabine Schnadt, fehlt es noch immer an dem Wissen über die Anapylaxie. Noch viel Aufklärungsarbeit sei nötig, sowohl für die Betroffenen selbst wie auch für die Angehörigen.

    "Im sozialen Umfeld bezieht es sich zum Beispiel darauf, dass die sicherlich gut gemeinte Reaktion der Großeltern, dem Kind doch ein Stück Schokolade zu geben, bei einem Erdnussallergiker oder Nussallergiker nicht immer angebracht ist. Und da halt auch das Verständnis nicht immer da ist, dass man sagt: 'Ach, das kleine Stückchen, das schadet doch nichts.' Und das kann in diesem Moment natürlich sehr viel schaden."

    Aber auch die Ärzte und das medizinische Personal möchte der DAAB erreichen. Erste Hilfe gegen die Versorgungs- und Informationslücken erhofft sich die Selbsthilfeorganisation von einer Informationskampagne, die gerade EU-weit anläuft. Und Mediziner über die bedrohliche Situation der Extrem-Allergiker aufklären will.

    Service
    Für Betroffene hat der DAAB eine Broschüre zusammengestellt mit den wichtigsten Informationen zur Anaphylaxie. Zu bestellen über die Website des Deutschen Allergie- und Asthmabunds