Vom damaligen Anspruch der Reformuni wissen die meisten Protestierenden an der Uni Bielefeld gar nichts mehr, wie Max berichtet, der an der Besetzung beteiligt war:
"Also scheinbar weiß das darin selber keiner, scheinbar weiß das nicht einmal der Rektor. Also wir würden uns wünschen, das der Rektor hier man ein Exempel statuiert und die Universität Bielefeld wieder zu einer Reformuni macht. Das kriegt er allerdings nur mit uns Studierenden zusammen hin, nicht im Alleingang."
Mit ihren Protest wenden sich die Studierenden vor allem gegen das Rektorat, das heute Abend offiziell ein neues Gesicht bekommen wird: Gerhard Sagerer übernimmt passend zum 40-jährigen Jubiläum das Rektorenamt.
"Also man wünscht sich sicherlich einen anderen Anfang, als dass man nach sechs Wochen im Amt mit dieser Situation konfrontiert wird. Dass das 40-jährige Jubiläum und der Bildungsstreik auf einen Tag fallen, ist ein, ja ein unglückliches Zusammentreffen zweier völlig unabhängiger Ereignisse."
Und doch kann man die Ereignisse heute als einen Brückenschlag zu damaligen Studentenprotesten der 68er verstehen. An den Fakultäten Soziologie, Mathematik und Rechtswissenschaften sollte sich "unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren" erst gar nicht etablieren, wie in diesem Filmausschnitt von 1969 aus dem Uni-Archiv zu hören ist:
"Richtungweisend zu sein, nicht nur für die Entwicklung Bielefelds, sondern für die Gesamtreform der deutschen Hochschule, das ist Aufgabe dieser neuen Universität. Im Aufbau- und Verfügungszentrum am Nordwestrand der Stadt ist Platz für zunächst 1000 Studenten. 270 haben sich bereits zum ersten Semester einschreiben lassen. Sie kommen nicht nur auf eine architektonische Baustelle, darüber kann auch der perfekte Bauzustand des neuen Gebäudes nur kurze Zeit hinweg täuschen. Hier sollen in den nächsten Jahren neue Organisationsformen für Forschung und Lehre erprobt werden."
Student Nummer 1 im wahrsten Sinne des Wortes ist Günter Quandt. Er erinnert sich, was ihn damals an die Uni zog.
"Der Anspruch, den die Universität Bielefeld als Reformuniversität hatte, das war schon etwas Verlockendes. Man kannte oder ich kannte ja zumindest andere Universitäten durch Besuche, durch Informationen von befreundeten Studenten. Die Hoffnung, dass es in Bielefeld anders laufen würde, die war schon da. Natürlich."
Der heutige Studiendirektor eines Gymnasiums sieht die Bedingungen zu heute eher kritisch:
"Das Verhältnis zu den Lehrenden war einfach ein viel Intensiveres und Persönlicheres. Sie müssen sich vorstellen, dass die Professoren üblicherweise damals jeden Studenten mit Namen kannten. Da ließ sich auch gar nicht vermeiden. Die Seminare waren sehr klein, die Vorlesungen waren sehr klein. Da fanden vielleicht 60 Studierende in den Hörsaal und da man ging auch mal zusammen essen oder ein Bier trinken. Das ist natürlich was, was Sie sich heute natürlich nicht mehr vorstellen können, das geht heute gar nicht mehr."
Auch Rektor Sagerer, der heute sein Amt offiziell übernimmt, sieht Defizite an der Uni Bielefeld:
"Viele dieser Ideen, die damals Pate standen für die Gründung der Universität Bielefeld, interdisziplinäre Forschung, enger Bezug zwischen Forschung und Lehre, sehr gute Betreuungsverhältnisse sind Ziele, die wir heute genauso wieder formulieren können. Die für uns wichtig sind, die Teil unserer Geschichte sind, aber leider nur Teil. Die Betreuungsrelationen wurden aufgegeben."
Besonders stolz ist die Uni Bielefeld auf ihre wegweisenden Koriphäen, die nicht nur Bielefeld, sondern die Wissenschaft insgesamt prägten. Zum Beispiel Niklas Luhmann mit seiner soziologischen Systemtheorie. Rektor Gerhard Sagerer:
"Sicherlich ist Niklas Luhmann, der erstberufene Professor dieser Universität, eine der zentralen Figuren, der die Uni sehr geprägt hat. Und es zeigt auch, in den letzten Jahren wurde häufig zentriert oder wird zentriert, auf Forschungskooperationen. Luhmann war in dem Bezug Einzelgänger und eine Persönlichkeit, die diese Uni sehr geprägt hat. Unsere Historiker Reinhart Koseelleck, Wehler haben sehr stark eine ganz neue Betrachtung von Geschichte hervorgebracht, geleistet, initiiert. Ein Programm der DFG heißt inzwischen Reinhart-Koselleck-Programm und das soll genau innovative, quer denkende Projekte fördern, die nicht im Streamline liegen."
Auch Klaus Hurrelmann, der lange Jahre an der Uni Bielefeld Public Health and Education gelehrt hat, gilt als wegweisend in der Disziplin der Gesundheitswissenschaften.
Doch erfolgreiche Köpfe und Koriphäen allein reichen dem Studenten Nr. 1 nicht. Und so wünscht sich Günter Quandt
"Dass sie vielleicht ein bisschen sich wieder besinnt auf die Dinge, die seinerseits das Besondere der Universität Bielefeld ausgemacht haben und nicht eine Universität bleibt, wie hundert andere auch."
"Also scheinbar weiß das darin selber keiner, scheinbar weiß das nicht einmal der Rektor. Also wir würden uns wünschen, das der Rektor hier man ein Exempel statuiert und die Universität Bielefeld wieder zu einer Reformuni macht. Das kriegt er allerdings nur mit uns Studierenden zusammen hin, nicht im Alleingang."
Mit ihren Protest wenden sich die Studierenden vor allem gegen das Rektorat, das heute Abend offiziell ein neues Gesicht bekommen wird: Gerhard Sagerer übernimmt passend zum 40-jährigen Jubiläum das Rektorenamt.
"Also man wünscht sich sicherlich einen anderen Anfang, als dass man nach sechs Wochen im Amt mit dieser Situation konfrontiert wird. Dass das 40-jährige Jubiläum und der Bildungsstreik auf einen Tag fallen, ist ein, ja ein unglückliches Zusammentreffen zweier völlig unabhängiger Ereignisse."
Und doch kann man die Ereignisse heute als einen Brückenschlag zu damaligen Studentenprotesten der 68er verstehen. An den Fakultäten Soziologie, Mathematik und Rechtswissenschaften sollte sich "unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren" erst gar nicht etablieren, wie in diesem Filmausschnitt von 1969 aus dem Uni-Archiv zu hören ist:
"Richtungweisend zu sein, nicht nur für die Entwicklung Bielefelds, sondern für die Gesamtreform der deutschen Hochschule, das ist Aufgabe dieser neuen Universität. Im Aufbau- und Verfügungszentrum am Nordwestrand der Stadt ist Platz für zunächst 1000 Studenten. 270 haben sich bereits zum ersten Semester einschreiben lassen. Sie kommen nicht nur auf eine architektonische Baustelle, darüber kann auch der perfekte Bauzustand des neuen Gebäudes nur kurze Zeit hinweg täuschen. Hier sollen in den nächsten Jahren neue Organisationsformen für Forschung und Lehre erprobt werden."
Student Nummer 1 im wahrsten Sinne des Wortes ist Günter Quandt. Er erinnert sich, was ihn damals an die Uni zog.
"Der Anspruch, den die Universität Bielefeld als Reformuniversität hatte, das war schon etwas Verlockendes. Man kannte oder ich kannte ja zumindest andere Universitäten durch Besuche, durch Informationen von befreundeten Studenten. Die Hoffnung, dass es in Bielefeld anders laufen würde, die war schon da. Natürlich."
Der heutige Studiendirektor eines Gymnasiums sieht die Bedingungen zu heute eher kritisch:
"Das Verhältnis zu den Lehrenden war einfach ein viel Intensiveres und Persönlicheres. Sie müssen sich vorstellen, dass die Professoren üblicherweise damals jeden Studenten mit Namen kannten. Da ließ sich auch gar nicht vermeiden. Die Seminare waren sehr klein, die Vorlesungen waren sehr klein. Da fanden vielleicht 60 Studierende in den Hörsaal und da man ging auch mal zusammen essen oder ein Bier trinken. Das ist natürlich was, was Sie sich heute natürlich nicht mehr vorstellen können, das geht heute gar nicht mehr."
Auch Rektor Sagerer, der heute sein Amt offiziell übernimmt, sieht Defizite an der Uni Bielefeld:
"Viele dieser Ideen, die damals Pate standen für die Gründung der Universität Bielefeld, interdisziplinäre Forschung, enger Bezug zwischen Forschung und Lehre, sehr gute Betreuungsverhältnisse sind Ziele, die wir heute genauso wieder formulieren können. Die für uns wichtig sind, die Teil unserer Geschichte sind, aber leider nur Teil. Die Betreuungsrelationen wurden aufgegeben."
Besonders stolz ist die Uni Bielefeld auf ihre wegweisenden Koriphäen, die nicht nur Bielefeld, sondern die Wissenschaft insgesamt prägten. Zum Beispiel Niklas Luhmann mit seiner soziologischen Systemtheorie. Rektor Gerhard Sagerer:
"Sicherlich ist Niklas Luhmann, der erstberufene Professor dieser Universität, eine der zentralen Figuren, der die Uni sehr geprägt hat. Und es zeigt auch, in den letzten Jahren wurde häufig zentriert oder wird zentriert, auf Forschungskooperationen. Luhmann war in dem Bezug Einzelgänger und eine Persönlichkeit, die diese Uni sehr geprägt hat. Unsere Historiker Reinhart Koseelleck, Wehler haben sehr stark eine ganz neue Betrachtung von Geschichte hervorgebracht, geleistet, initiiert. Ein Programm der DFG heißt inzwischen Reinhart-Koselleck-Programm und das soll genau innovative, quer denkende Projekte fördern, die nicht im Streamline liegen."
Auch Klaus Hurrelmann, der lange Jahre an der Uni Bielefeld Public Health and Education gelehrt hat, gilt als wegweisend in der Disziplin der Gesundheitswissenschaften.
Doch erfolgreiche Köpfe und Koriphäen allein reichen dem Studenten Nr. 1 nicht. Und so wünscht sich Günter Quandt
"Dass sie vielleicht ein bisschen sich wieder besinnt auf die Dinge, die seinerseits das Besondere der Universität Bielefeld ausgemacht haben und nicht eine Universität bleibt, wie hundert andere auch."