Der eine hantiert mit der Pistole, der andere übt politische Verhaltensklischees, und die dritten überlegen, wer für den Überfall auf ihren misshandelten Kollegen verantwortlich ist. Die Darmstädter Inszenierung läßt zu Beginn einen rechtspopulistischen Politaufsteiger, einen in die Politik wechselnden Schauspieler und zwei kritische Journalisten neben- und nacheinander und damit als Teil eines gesellschaftlichen Systems auftreten.
Der dramatische Erstling des Essayisten und Romanciers Robert Menasse, dessen Titel "Das Paradies der Ungeliebten" den Namen einer Schlangenfarm zitiert, erklärt das Verlöschen der europäischen Demokratien in Globalisierungszeiten, indem er ein Panoptikum unterschiedlichster Politikertypen ausstellt. Diese tragen Namen dänischer Fußballeuropameister: weil das Stück in einem Dänemark spielt, dessen Regierungskoalition hilflos vor hoher Arbeitslosigkeit, fehlenden Reformen, einer Hochwasserkatastrophe und dem Aufstieg eines rechten Politikers steht.
Die Absage der Uraufführung durch das Wiener Burgtheater als Auftraggeber für das Stück mit der Begründung, die Mitte-Rechts-Koalition und der Rechtspopulist Jörg Haider seien nicht mehr aktuell, wird dem Stück nicht gerecht. Denn Menasse erzählt vom Journalisten Brian Laudrup, der den Aufstieg des Rechtspopulisten Peter Schmeichel mit allen Mitteln, sogar mit denen Tyrannenmords, zu stoppen sucht, weil er auf eine rechte Entwicklung in ganz Europa hinweisen will.
Im Stück ist Politik weniger von Inhalten als von deren äußerer Erscheinung bestimmt. So wird der Rechtspopulist, den Matthias Kleinert mit souveräner Hohlheit ausstattet, dabei gezeigt, wie er sich von seinem Haushälter, der ausgerechnet ein Migrant namens Achmed ist, beim Einkleiden beraten, mit Schlagworten ausstatten und die Füße massieren lässt. Und Kanzler Flemming Paulsen wird zu einer Fotostrecke gedrängt, in der er mit roten Boxhandschuhen Angriffslust und Energie demonstrieren soll. Das ganze: politisches Kabarett.
Wobei Harald Schneider diesen Kanzler als hilfloses Männchen spielt, der sich als Mitläufer ohne Familienleben bemitleidet und als ausreichend für die Kanzler-Qualifikation politisches Desinteresse und einen brennenden Ehrgeiz nach dem Titel ansieht. Menasse zeigt die Politiker der Regierungskoalition oft in hilflos-komischen Suchsituationen: bei Liebesbeteuerungen oder bei sexualisierter Frömmelei.
Macht- und zielbewusst kommt Aufsteiger Schmeichel daher. Wenn dieser seinen Polizeichef zur Gesetzesübertretung bringt oder sich mit seinem potentiellen Attentäter direkt auseinandersetzt, wird es spannend und plakativ. Insgesamt aber wirken Menasses Politikerporträts recht klischeehaft. Der Autor versucht in seinem ehrgeizigen Stück das Spannungsfeld zwischen Moral, Politik und Gesellschaft zu vermessen, ohne dass er dabei einen inhaltlichen oder ästhetischen Mehrwert erzielt.
Bühnenbildner Stefan Heyne hat mit einer mächtigen, sich drehenden runden Bar, hinter deren als Videoscreen nutzbaren Mittellamellen sich ein trauriger Raum für die privaten Szenen der Politiker öffnet, ein das Spiel allzu dominierendes Bühnenbild geschaffen. Der Dramatiker Peter Turrini lobte "Das Paradies der Ungeliebten" mit den Worten, "Robert Menasse spannt eine theatralische Schnur von Shakespeare bis Dario Fo".
Doch wenn auch im Stück der vom Theater auf die politische Bühne wechselnde Schauspieler Shakespeares Coriolan zitiert und einzelne Szenen sprachlichen Witz sprühen, so fehlt Menasses Erstling doch Shakespeares tiefe Durchdringung von Politischem und Privatem sowie Dario Fos grobe Folgerichtigkeit, mit der Widersprüche in einer aufklärerischen Groteske explodieren.
Robert Menasse entwickelt keine handelnden Figuren, sondern lässt diese sich in anekdotischen Monologen erklären. Nun ist Regisseur Hermann Schein, auch wenn er einst mit Frank Castorf an der Hochschule Ernst-Busch studiert hat, kein Berserker des Regietheaters. Schein, der nach der Wende an den Freien Kammerspielen Magdeburgs als leitender Regisseur ein spannendes Programm mitverantwortete, sich dann an etlichen Bühnen zwischen Mainz und Dresden als sensibler Vertreter eines psychologisch-realistischen Schauspielertheaters einen Namen gemacht sowie gerade bei Armin Petras' Auftaktspektakel am Berliner Maxim Gorki Theater eine hinreißende Inszenierung von Marieluise Fleißers "Der starke Stamm" vorgelegt hat, versucht auch beim "Paradies der Ungeliebten" alles aus den Figuren zu holen.
Hermann Schein ist ein Verfeinerer, während Robert Menasse ein Vergröberer ist. Doch bei dieser Vorlage gelingt es dem Regisseur nicht, die weniger charakterisierten als plakatierten Figuren trotz aller inszenatorischen und schauspielerischen Feinzeichnung sinnlich spannend zu machen, und die kabarettistisch zugespitzten Szenen wirken harmlos verhalten. Trotz dieser Einwände traf Hermann Scheins etwas mehr als zweistündige, pausenlose Inszenierung auf große Zustimmung beim Publikum und beim strahlenden Autor.
Der dramatische Erstling des Essayisten und Romanciers Robert Menasse, dessen Titel "Das Paradies der Ungeliebten" den Namen einer Schlangenfarm zitiert, erklärt das Verlöschen der europäischen Demokratien in Globalisierungszeiten, indem er ein Panoptikum unterschiedlichster Politikertypen ausstellt. Diese tragen Namen dänischer Fußballeuropameister: weil das Stück in einem Dänemark spielt, dessen Regierungskoalition hilflos vor hoher Arbeitslosigkeit, fehlenden Reformen, einer Hochwasserkatastrophe und dem Aufstieg eines rechten Politikers steht.
Die Absage der Uraufführung durch das Wiener Burgtheater als Auftraggeber für das Stück mit der Begründung, die Mitte-Rechts-Koalition und der Rechtspopulist Jörg Haider seien nicht mehr aktuell, wird dem Stück nicht gerecht. Denn Menasse erzählt vom Journalisten Brian Laudrup, der den Aufstieg des Rechtspopulisten Peter Schmeichel mit allen Mitteln, sogar mit denen Tyrannenmords, zu stoppen sucht, weil er auf eine rechte Entwicklung in ganz Europa hinweisen will.
Im Stück ist Politik weniger von Inhalten als von deren äußerer Erscheinung bestimmt. So wird der Rechtspopulist, den Matthias Kleinert mit souveräner Hohlheit ausstattet, dabei gezeigt, wie er sich von seinem Haushälter, der ausgerechnet ein Migrant namens Achmed ist, beim Einkleiden beraten, mit Schlagworten ausstatten und die Füße massieren lässt. Und Kanzler Flemming Paulsen wird zu einer Fotostrecke gedrängt, in der er mit roten Boxhandschuhen Angriffslust und Energie demonstrieren soll. Das ganze: politisches Kabarett.
Wobei Harald Schneider diesen Kanzler als hilfloses Männchen spielt, der sich als Mitläufer ohne Familienleben bemitleidet und als ausreichend für die Kanzler-Qualifikation politisches Desinteresse und einen brennenden Ehrgeiz nach dem Titel ansieht. Menasse zeigt die Politiker der Regierungskoalition oft in hilflos-komischen Suchsituationen: bei Liebesbeteuerungen oder bei sexualisierter Frömmelei.
Macht- und zielbewusst kommt Aufsteiger Schmeichel daher. Wenn dieser seinen Polizeichef zur Gesetzesübertretung bringt oder sich mit seinem potentiellen Attentäter direkt auseinandersetzt, wird es spannend und plakativ. Insgesamt aber wirken Menasses Politikerporträts recht klischeehaft. Der Autor versucht in seinem ehrgeizigen Stück das Spannungsfeld zwischen Moral, Politik und Gesellschaft zu vermessen, ohne dass er dabei einen inhaltlichen oder ästhetischen Mehrwert erzielt.
Bühnenbildner Stefan Heyne hat mit einer mächtigen, sich drehenden runden Bar, hinter deren als Videoscreen nutzbaren Mittellamellen sich ein trauriger Raum für die privaten Szenen der Politiker öffnet, ein das Spiel allzu dominierendes Bühnenbild geschaffen. Der Dramatiker Peter Turrini lobte "Das Paradies der Ungeliebten" mit den Worten, "Robert Menasse spannt eine theatralische Schnur von Shakespeare bis Dario Fo".
Doch wenn auch im Stück der vom Theater auf die politische Bühne wechselnde Schauspieler Shakespeares Coriolan zitiert und einzelne Szenen sprachlichen Witz sprühen, so fehlt Menasses Erstling doch Shakespeares tiefe Durchdringung von Politischem und Privatem sowie Dario Fos grobe Folgerichtigkeit, mit der Widersprüche in einer aufklärerischen Groteske explodieren.
Robert Menasse entwickelt keine handelnden Figuren, sondern lässt diese sich in anekdotischen Monologen erklären. Nun ist Regisseur Hermann Schein, auch wenn er einst mit Frank Castorf an der Hochschule Ernst-Busch studiert hat, kein Berserker des Regietheaters. Schein, der nach der Wende an den Freien Kammerspielen Magdeburgs als leitender Regisseur ein spannendes Programm mitverantwortete, sich dann an etlichen Bühnen zwischen Mainz und Dresden als sensibler Vertreter eines psychologisch-realistischen Schauspielertheaters einen Namen gemacht sowie gerade bei Armin Petras' Auftaktspektakel am Berliner Maxim Gorki Theater eine hinreißende Inszenierung von Marieluise Fleißers "Der starke Stamm" vorgelegt hat, versucht auch beim "Paradies der Ungeliebten" alles aus den Figuren zu holen.
Hermann Schein ist ein Verfeinerer, während Robert Menasse ein Vergröberer ist. Doch bei dieser Vorlage gelingt es dem Regisseur nicht, die weniger charakterisierten als plakatierten Figuren trotz aller inszenatorischen und schauspielerischen Feinzeichnung sinnlich spannend zu machen, und die kabarettistisch zugespitzten Szenen wirken harmlos verhalten. Trotz dieser Einwände traf Hermann Scheins etwas mehr als zweistündige, pausenlose Inszenierung auf große Zustimmung beim Publikum und beim strahlenden Autor.