An sich müsste sich ein richtiger maghrebinischer Erzähler in so einen braunrot filzigen Berbermantel hüllen, wie ihn die alten Männer mit den von der Sonne gegerbten Gesichtern hier am Marktplatz tragen: Ein immer kühler Drehwind, ein fruchtbares Hochplateau. Bis zu drei Ernten jährlich. Aber kaum etwas ist von dem Reichtum zu sehen, den diese fruchtbare Erde hier in Nordafrika finanziell abwerfen müsste.
Der Marktflecken Maktar, immer schon Kreuzpunkt wichtiger Provinzstraßen. Neben dem Minarett eine neue Schule. Weiß getüncht leuchtet sie in der noch schwächelnden Frühlingssonne. Ein großes Bildnis des tunesischen Staatspräsidenten deutet auf den ergeben Eifer maghrebinischer Hofmaler hin. Die Hauptstadt Tunis ist drei Autostunden entfernt. Dafür ist aber der Staatspräsident auf seinem Bildnis 25 Jahre juveniler, jugendlicher abgebildet, als es sein Diplomatenpass belegen mag.
Zurück zur Natur: Professor Christoph Rüger, der in Tunesien und überhaupt rund um das Mittelmeer fast jeden antiken Stein zum Reden bringen kann. Zurück zu dieser, ja fast deutschen Landschaft:
"Manche Landschaften in Franken sähen so aus. Kalkberge, die so ein rollendes Hügelland abgeben. Und dass es jetzt grün ist, das hängt natürlich an der Jahresszeit. Wir haben jetzt Frühjahr. Und sie sehen schon, warum es grün ist? Weizen und vor allem Gerstenfelder. Und so war das hier um Maktar auch in der Antike. Es ist offensichtlich so, dass Maktar eine berberische, also einheimische Gründung und keine Gründung dieser hanseatischen Punier von der Küste ist, die da in Sousse-Hadrumetum oder in Karthago gewohnt haben und richtige Städte hatten. Dieser Fernhandel ist natürlich erst eine römische Geschichte geworden. Und die Römer brauchen eins für ihre Millionenstadt, die brauchen Ruhe, die brauchen Kornlieferungen für das städtische Proletariat, was da unterhalten werden muss. Und deswegen bauten die auch diese große Dorsal-Strasse, die quer am Rückgrad von Tunesien, quer durch das Land geht, nach Karthago herauf."
Karthago als Stichwort, wenn wir auch jetzt unsere Sanduhren zurückdrehen: Maktar, also ein wichtiger Ort für Getreide, liegt damals im numidischen Grenzland. Der bekannteste Führer ist der Numiderkönig Massinissa. Er lebt in der Zeit als Rom drei punische Kriege gegen Karthago und Hannibal führt. Die berühmte Schlacht von Zama, zwischen Hannibal und auf der Gegenseite Scipio und Massinissas numidische Elitereiter, dieses antike "Alles oder Nichts" hat etwa gute 30 Kilometer von Maktar entfernt, nordwestlich von hier, stattgefunden.
"Um 160 schlägt sich Massinissa, nach ziemlichem Lavieren, wo er denn besser hintendiert, auf die Seite der Römer. Er sitzt im Rücken Karthagos für die Römer. Und die haben sich das auch was kosten lassen und haben ihm natürlich, dem Berberkönig, gesagt, es soll dein Schaden nicht sein, wenn wir hier die Frage mit Karthago mal geregelt haben. Und richtig, er hat Maktar, zum Beispiel, hat er bekommen. Es war damals wohl so ein Kleinkönigreich. Dieses Vasallenland kriegte dann König Massinissa. Als die Römer Karthago einnehmen, stirbt ja Massinissa. Also hat er das Ende des Krieges gar nicht mehr erlebt. Aber die haben ihm vorab schon mal was bezahlt."
Wie man das in der Politik schon immer so macht. Dafür wurden aber Massinissas Erben von den Römern dann doch über den Tisch gezogen. Viel weiß man nicht über die jene Berberzeiten. Immerhin finden wir hier im Gewirr antiker Fundamente auch Steinplatten mit sechs numidischen Grabkammern. Azzisi Fauzi, unser tunesischer Begleiter:
"Es gab ja einen Ahnenkult bei den Numidier. Dass die Namen weitergegeben wurde über das weibliche Geschlecht und nicht das männliche Geschlecht."
"Also, der Namen der Frau wurde weitergegeben."
"Ja, das Familienoberhaupt war ja die Frau. Das ging ja so weit bis zu der islamischen Eroberung, denn den Widerstand leistete damals die Berberkönigin La Kahina. Da haben dann die Araber viel Mühe gehabt, sie zu besiegen."
"Ja, es gibt also Megalithgräber hier, also Großsteingräber, das sind Bauernhäuptlinge, aus den Bauernstämmen. Aber man soll nicht vergessen, dass es hier ein Forum schon gibt, das heißt ein Handelplatz, der das Forum-Numidicum heißt. Und das ist natürlich der alte Handelsplatz im Herzen der Siedlung, wo dann die großen Kaufleute die Getreidebörse hatten."
Dieser Getreidehandel ist ein hochpolitisches internationales Geschäft. Rom braucht Brot für seine Unterschichten. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er will auch ein bisschen Allotria dazu, also "Panem et Circenses". Vergleichbar den heutigen Bedudelungsshows im Billig-TV. Rom braucht beispielsweise auch Berberlöwen für die blutigen "Daumen-rauf"- und "Daumen-runter-Spiele", Löwen aus dem Atlasgebirge. Ich habe hier eine Postkartenkopie eines Mosaikbildes aus dem Bardomuseum in Tunis dabei: Zwei Löwen zerfleischen einen Eber. Um preiswert an Getreide, Tiere, auch Sklaven zu kommen, schaltet Rom den Konkurrenten Karthago aus. Und Bert Brecht schreibt:
Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten, nicht mehr auffindbar nach dem dritten.
Und dieses Maktar oder Maktaris, wie es die Römer nennen, profitiert mit, weil viele Flüchtlinge aus dem zerstörten Karthago, Handwerker, Künstler, sich hier eine neue Existenz aufbauen. Wir stehen jetzt vor den Resten des prunkvollen Trajan-Bogens, ein Triumphbogen, sechs Meter oder höher. Stehen hier wie der Ochs staunend vor dem antiken Scheunentor und lesen über Trajan, zusammengefasst:
Diesen Triumphbogen stiften die "ersten" Familien der reichen Stadt dem Kaiser Trajan für die Erhebung als "Munizipium". Das heißt, Mactaris bekommt damit Sitz und Stimme, später sogar einen Senator in Rom. Trajan, 45 Jahre alt, eröffnet die Riege sogenannter "Adoptivkaiser". Es sind Männer, auch einfacher Herkunft, die sich über die Militärkarriere als siegreiche Schlachtenlenker in hohe Staatsämter hocharbeiten. Schließlich werden sie, mangels "Stallgeruch", von einem amtierenden Kaiser adoptiert. Trajan zeigt sich in seiner Regierungszeit nicht als neurotisch-abgehobener "Weltherrscher". Er gestaltet eine der glücklichsten Episoden der römischen Geschichte. Es gelingt ihm eine politisch-soziale Stabilisierung des Vielvölker-Reiches. Trajan lässt unter anderem das Straßennetz des Imperiums weiter ausbauen.
Und vielleicht haben die Noblen von Mactaris hier diesen Triumphbogen errichtet, weil Trajans "Hoch- und Tiefbau" die wichtige Römerstraße zum Hafen nach Karthago vielleicht um eine Überholspur verbreitert haben könnten. Und noch nachgetragen, als Trajan über seine Kaiserwürde benachrichtigt wird, sitzt er nicht in Rom, er ist in Germanien, bevorzugt in Köln und Xanten am Rhein als Generalbevollmächtigter für das römische Imperium nördlich der Alpen.
Und wir greifen uns nun hier die Steine und Reste in Mactaris einer "Schola Juvenum" heraus. Die Schule der Jungspunde war eine römische Einrichtung zur "Integration". Das ist ja ein ganz aktuelles Wort. Zur Integration der Söhne numidischer Würdenträger in das römische Vielvölkerreich. Den farbigen Nordafrikanern, natürlich auch den begabten Flüchtlingssöhnen aus Karthago wird damit die Möglichkeit geboten, mittels der lateinischen Weltsprache, die sie erlernen mussten, die Staats-Philosophie Roms zu verinnerlichen.
"Diese Geschichte führt mitten ins Herz der vormilitärischen Ausbildung in der römischen Kaiserzeit. Das war die Hitlerjugend des Kaisers. Die Juvenes, die gibt es überall. In Bitburg, wo das gute Bier herkommt, finden sie an der Stadtmauer eine Inschrift. Die bauen dort in einer Feldübung einen Pharator. Das ist ein riesiger hölzerner Aussichtsturm für Waldbrände. Man kriegte die Pänz von der Straße. Die vornehmen Söhne wurden dort die HJ-Führer, die anderen wurden dort auch im Kaiserkult unterrichtet, Drill und dergleichen, Sportübungen."
"Auch die Elite, die dann nachher in der römischen Armee, im Zweifelsfall in Germanien?"
"Ja, ich glaub in Köln haben wir einen Soldaten aus Maktar."
"Auch so ein bisschen Napola."
"An Kaisers Geburtstag musste sie ganz bestimmte Tänze aufzuführen, ein ganz bestimmtes Kampfspiel."
Hier und heute, 2000 Jahre später, stolpern wir über die Steinplatten des römischen Forums. Andere Fragen mögen beispielsweise die vielen Thermen aufwerfen. Natürlich gehört die Therme zur römischen Kultur. Wir stehen vor den wuchtigen Mauern, an die zehn Meter hoch, man sieht noch die Mosaikreste im Boden, ahnt die früheren prunkvollen Marmorverkleidungen.
"Sie haben hier vier große Thermenanlagen, wo sie heiß und kalt baden und sogar schwimmen können. Der Schriftsteller Plinius kommt als Gouverneur in seiner neuen Provinz an, in Nikomedia. Und dann schreibt er einem Freund, um erst einmal zu wissen, was hier Sache ist, habe ich mich sofort ins Bad tragen lassen. Denn da kriegte er die Neuigkeiten mit, da sitzt sogar der Bürgermeister in der Badewanne und lässt sich abseifen. Und nebenan können die Leute die Briefe schreiben lassen, weil: Da sitzen die Anwälte, und wo die Privatprozesse dann gegeneinander geführt werden. Das macht die Bedeutung von Maktar als Mittelzentrum aus. Vier große Thermenanlagen. Wir haben einen Dichter, das ist der Dichter Statius. Der hat uns einen Haufen Werbesprüche hinterlassen, für Thermenunternehmen. Die man dann angeschlagen fand. Und da wird immer abgehoben auf prächtige Marmorausstattung. Das alles gleißt uns glänzt. Da schreibt er vom Marmor von Chemtou, von dem Marmor Numidicum, hier glänzt der Numider goldblonder Fels."
"Sauberkeit, Hygiene, Kommunikation, Geschäfte, Kungeln."
"Man konnte sogar dort Abtreibungen vornehmen lassen. Es waren dort die Ärzte, wir haben aus den Thermen von Xanten ein ganz reiches Ärztebesteck. Die Skalpelle legen nahe, dass die da selbst komplizierte Operationen ausführen konnten. Und das wurde auch gemacht."
Wir wenden uns jetzt abschließend einer christlichen Basilika zu. Das antike Maktar wird schon relativ früh auch eine Bischofsstadt. Dann kommen gegen 435, in Folge der Völkerwanderung, hier in Nordafrika die Vandalen an. Und wir stehen nun hier in den Trümmern einer "Basilika des Hildeguns", eines Vandalenfürsten.
Es waren damals, geschätzt, 20.000 Bewaffnete, insgesamt etwa 80.000 Vandalen mit Kind und Kegel, die hier in Nordafrika einen unabhängigen germanischen Staat gründen.
"Es ist eine dreischiffige Basilika. Und dann haben sie so eine Art Mausoleum dabei. Und da ist das Grab eines Herrn Hildeguns. Es ist derjenige, der also holde Gunst ausstrahlt. Also ein richtiger germanischer Zärtlichkeitsnamen, für irgendeinen Mann. Es waren die Silingi, die kommen aus Silesien, aus Schlesien. Und die sind dann hundert Jahre hier Stadtherren. Die unterscheiden sich in einem von den Einheimischen, sie sind Arianer. Das heißt, sie gehören einer christlichen Sekte des Arius an und sind keine Katholiken."
Die arianischen Vandalen sehen Jesus nicht als Sohn Gottes, sondern als einen besonders begabten Menschen. Das führt mit dazu, dass das päpstliche Rom die Vandalen, mit "Vandalismus" diskreditiert, auch als Sekte verketzert. Hundert Jahre später gehen die blonden Vandalen bei der dann byzantinischen Eroberung Nordafrikas unter oder sie reihen sich bei denen mit ein. Gleichzeitig erschüttern Berber- und Bauernaufstände die Region. Dann folgen die anstürmenden Araber mit der grünen Fahne eines neuen Propheten aus Saudi-Arabien. Und schließlich enden die spätantiken Reisenotizen aus dem einst blühenden Maktar. Der letzte bläst das Öllämpchen aus.
Maktar versinkt als Steinbruch der Geschichte. Und erst nach 1914 erfolgen archäologische Ausgrabungen, legen hier die Steine und Ruinen zum Teil wieder frei. Auch mit Hilfe deutscher Gefangener des Ersten Weltkrieges.
Der Marktflecken Maktar, immer schon Kreuzpunkt wichtiger Provinzstraßen. Neben dem Minarett eine neue Schule. Weiß getüncht leuchtet sie in der noch schwächelnden Frühlingssonne. Ein großes Bildnis des tunesischen Staatspräsidenten deutet auf den ergeben Eifer maghrebinischer Hofmaler hin. Die Hauptstadt Tunis ist drei Autostunden entfernt. Dafür ist aber der Staatspräsident auf seinem Bildnis 25 Jahre juveniler, jugendlicher abgebildet, als es sein Diplomatenpass belegen mag.
Zurück zur Natur: Professor Christoph Rüger, der in Tunesien und überhaupt rund um das Mittelmeer fast jeden antiken Stein zum Reden bringen kann. Zurück zu dieser, ja fast deutschen Landschaft:
"Manche Landschaften in Franken sähen so aus. Kalkberge, die so ein rollendes Hügelland abgeben. Und dass es jetzt grün ist, das hängt natürlich an der Jahresszeit. Wir haben jetzt Frühjahr. Und sie sehen schon, warum es grün ist? Weizen und vor allem Gerstenfelder. Und so war das hier um Maktar auch in der Antike. Es ist offensichtlich so, dass Maktar eine berberische, also einheimische Gründung und keine Gründung dieser hanseatischen Punier von der Küste ist, die da in Sousse-Hadrumetum oder in Karthago gewohnt haben und richtige Städte hatten. Dieser Fernhandel ist natürlich erst eine römische Geschichte geworden. Und die Römer brauchen eins für ihre Millionenstadt, die brauchen Ruhe, die brauchen Kornlieferungen für das städtische Proletariat, was da unterhalten werden muss. Und deswegen bauten die auch diese große Dorsal-Strasse, die quer am Rückgrad von Tunesien, quer durch das Land geht, nach Karthago herauf."
Karthago als Stichwort, wenn wir auch jetzt unsere Sanduhren zurückdrehen: Maktar, also ein wichtiger Ort für Getreide, liegt damals im numidischen Grenzland. Der bekannteste Führer ist der Numiderkönig Massinissa. Er lebt in der Zeit als Rom drei punische Kriege gegen Karthago und Hannibal führt. Die berühmte Schlacht von Zama, zwischen Hannibal und auf der Gegenseite Scipio und Massinissas numidische Elitereiter, dieses antike "Alles oder Nichts" hat etwa gute 30 Kilometer von Maktar entfernt, nordwestlich von hier, stattgefunden.
"Um 160 schlägt sich Massinissa, nach ziemlichem Lavieren, wo er denn besser hintendiert, auf die Seite der Römer. Er sitzt im Rücken Karthagos für die Römer. Und die haben sich das auch was kosten lassen und haben ihm natürlich, dem Berberkönig, gesagt, es soll dein Schaden nicht sein, wenn wir hier die Frage mit Karthago mal geregelt haben. Und richtig, er hat Maktar, zum Beispiel, hat er bekommen. Es war damals wohl so ein Kleinkönigreich. Dieses Vasallenland kriegte dann König Massinissa. Als die Römer Karthago einnehmen, stirbt ja Massinissa. Also hat er das Ende des Krieges gar nicht mehr erlebt. Aber die haben ihm vorab schon mal was bezahlt."
Wie man das in der Politik schon immer so macht. Dafür wurden aber Massinissas Erben von den Römern dann doch über den Tisch gezogen. Viel weiß man nicht über die jene Berberzeiten. Immerhin finden wir hier im Gewirr antiker Fundamente auch Steinplatten mit sechs numidischen Grabkammern. Azzisi Fauzi, unser tunesischer Begleiter:
"Es gab ja einen Ahnenkult bei den Numidier. Dass die Namen weitergegeben wurde über das weibliche Geschlecht und nicht das männliche Geschlecht."
"Also, der Namen der Frau wurde weitergegeben."
"Ja, das Familienoberhaupt war ja die Frau. Das ging ja so weit bis zu der islamischen Eroberung, denn den Widerstand leistete damals die Berberkönigin La Kahina. Da haben dann die Araber viel Mühe gehabt, sie zu besiegen."
"Ja, es gibt also Megalithgräber hier, also Großsteingräber, das sind Bauernhäuptlinge, aus den Bauernstämmen. Aber man soll nicht vergessen, dass es hier ein Forum schon gibt, das heißt ein Handelplatz, der das Forum-Numidicum heißt. Und das ist natürlich der alte Handelsplatz im Herzen der Siedlung, wo dann die großen Kaufleute die Getreidebörse hatten."
Dieser Getreidehandel ist ein hochpolitisches internationales Geschäft. Rom braucht Brot für seine Unterschichten. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er will auch ein bisschen Allotria dazu, also "Panem et Circenses". Vergleichbar den heutigen Bedudelungsshows im Billig-TV. Rom braucht beispielsweise auch Berberlöwen für die blutigen "Daumen-rauf"- und "Daumen-runter-Spiele", Löwen aus dem Atlasgebirge. Ich habe hier eine Postkartenkopie eines Mosaikbildes aus dem Bardomuseum in Tunis dabei: Zwei Löwen zerfleischen einen Eber. Um preiswert an Getreide, Tiere, auch Sklaven zu kommen, schaltet Rom den Konkurrenten Karthago aus. Und Bert Brecht schreibt:
Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten, nicht mehr auffindbar nach dem dritten.
Und dieses Maktar oder Maktaris, wie es die Römer nennen, profitiert mit, weil viele Flüchtlinge aus dem zerstörten Karthago, Handwerker, Künstler, sich hier eine neue Existenz aufbauen. Wir stehen jetzt vor den Resten des prunkvollen Trajan-Bogens, ein Triumphbogen, sechs Meter oder höher. Stehen hier wie der Ochs staunend vor dem antiken Scheunentor und lesen über Trajan, zusammengefasst:
Diesen Triumphbogen stiften die "ersten" Familien der reichen Stadt dem Kaiser Trajan für die Erhebung als "Munizipium". Das heißt, Mactaris bekommt damit Sitz und Stimme, später sogar einen Senator in Rom. Trajan, 45 Jahre alt, eröffnet die Riege sogenannter "Adoptivkaiser". Es sind Männer, auch einfacher Herkunft, die sich über die Militärkarriere als siegreiche Schlachtenlenker in hohe Staatsämter hocharbeiten. Schließlich werden sie, mangels "Stallgeruch", von einem amtierenden Kaiser adoptiert. Trajan zeigt sich in seiner Regierungszeit nicht als neurotisch-abgehobener "Weltherrscher". Er gestaltet eine der glücklichsten Episoden der römischen Geschichte. Es gelingt ihm eine politisch-soziale Stabilisierung des Vielvölker-Reiches. Trajan lässt unter anderem das Straßennetz des Imperiums weiter ausbauen.
Und vielleicht haben die Noblen von Mactaris hier diesen Triumphbogen errichtet, weil Trajans "Hoch- und Tiefbau" die wichtige Römerstraße zum Hafen nach Karthago vielleicht um eine Überholspur verbreitert haben könnten. Und noch nachgetragen, als Trajan über seine Kaiserwürde benachrichtigt wird, sitzt er nicht in Rom, er ist in Germanien, bevorzugt in Köln und Xanten am Rhein als Generalbevollmächtigter für das römische Imperium nördlich der Alpen.
Und wir greifen uns nun hier die Steine und Reste in Mactaris einer "Schola Juvenum" heraus. Die Schule der Jungspunde war eine römische Einrichtung zur "Integration". Das ist ja ein ganz aktuelles Wort. Zur Integration der Söhne numidischer Würdenträger in das römische Vielvölkerreich. Den farbigen Nordafrikanern, natürlich auch den begabten Flüchtlingssöhnen aus Karthago wird damit die Möglichkeit geboten, mittels der lateinischen Weltsprache, die sie erlernen mussten, die Staats-Philosophie Roms zu verinnerlichen.
"Diese Geschichte führt mitten ins Herz der vormilitärischen Ausbildung in der römischen Kaiserzeit. Das war die Hitlerjugend des Kaisers. Die Juvenes, die gibt es überall. In Bitburg, wo das gute Bier herkommt, finden sie an der Stadtmauer eine Inschrift. Die bauen dort in einer Feldübung einen Pharator. Das ist ein riesiger hölzerner Aussichtsturm für Waldbrände. Man kriegte die Pänz von der Straße. Die vornehmen Söhne wurden dort die HJ-Führer, die anderen wurden dort auch im Kaiserkult unterrichtet, Drill und dergleichen, Sportübungen."
"Auch die Elite, die dann nachher in der römischen Armee, im Zweifelsfall in Germanien?"
"Ja, ich glaub in Köln haben wir einen Soldaten aus Maktar."
"Auch so ein bisschen Napola."
"An Kaisers Geburtstag musste sie ganz bestimmte Tänze aufzuführen, ein ganz bestimmtes Kampfspiel."
Hier und heute, 2000 Jahre später, stolpern wir über die Steinplatten des römischen Forums. Andere Fragen mögen beispielsweise die vielen Thermen aufwerfen. Natürlich gehört die Therme zur römischen Kultur. Wir stehen vor den wuchtigen Mauern, an die zehn Meter hoch, man sieht noch die Mosaikreste im Boden, ahnt die früheren prunkvollen Marmorverkleidungen.
"Sie haben hier vier große Thermenanlagen, wo sie heiß und kalt baden und sogar schwimmen können. Der Schriftsteller Plinius kommt als Gouverneur in seiner neuen Provinz an, in Nikomedia. Und dann schreibt er einem Freund, um erst einmal zu wissen, was hier Sache ist, habe ich mich sofort ins Bad tragen lassen. Denn da kriegte er die Neuigkeiten mit, da sitzt sogar der Bürgermeister in der Badewanne und lässt sich abseifen. Und nebenan können die Leute die Briefe schreiben lassen, weil: Da sitzen die Anwälte, und wo die Privatprozesse dann gegeneinander geführt werden. Das macht die Bedeutung von Maktar als Mittelzentrum aus. Vier große Thermenanlagen. Wir haben einen Dichter, das ist der Dichter Statius. Der hat uns einen Haufen Werbesprüche hinterlassen, für Thermenunternehmen. Die man dann angeschlagen fand. Und da wird immer abgehoben auf prächtige Marmorausstattung. Das alles gleißt uns glänzt. Da schreibt er vom Marmor von Chemtou, von dem Marmor Numidicum, hier glänzt der Numider goldblonder Fels."
"Sauberkeit, Hygiene, Kommunikation, Geschäfte, Kungeln."
"Man konnte sogar dort Abtreibungen vornehmen lassen. Es waren dort die Ärzte, wir haben aus den Thermen von Xanten ein ganz reiches Ärztebesteck. Die Skalpelle legen nahe, dass die da selbst komplizierte Operationen ausführen konnten. Und das wurde auch gemacht."
Wir wenden uns jetzt abschließend einer christlichen Basilika zu. Das antike Maktar wird schon relativ früh auch eine Bischofsstadt. Dann kommen gegen 435, in Folge der Völkerwanderung, hier in Nordafrika die Vandalen an. Und wir stehen nun hier in den Trümmern einer "Basilika des Hildeguns", eines Vandalenfürsten.
Es waren damals, geschätzt, 20.000 Bewaffnete, insgesamt etwa 80.000 Vandalen mit Kind und Kegel, die hier in Nordafrika einen unabhängigen germanischen Staat gründen.
"Es ist eine dreischiffige Basilika. Und dann haben sie so eine Art Mausoleum dabei. Und da ist das Grab eines Herrn Hildeguns. Es ist derjenige, der also holde Gunst ausstrahlt. Also ein richtiger germanischer Zärtlichkeitsnamen, für irgendeinen Mann. Es waren die Silingi, die kommen aus Silesien, aus Schlesien. Und die sind dann hundert Jahre hier Stadtherren. Die unterscheiden sich in einem von den Einheimischen, sie sind Arianer. Das heißt, sie gehören einer christlichen Sekte des Arius an und sind keine Katholiken."
Die arianischen Vandalen sehen Jesus nicht als Sohn Gottes, sondern als einen besonders begabten Menschen. Das führt mit dazu, dass das päpstliche Rom die Vandalen, mit "Vandalismus" diskreditiert, auch als Sekte verketzert. Hundert Jahre später gehen die blonden Vandalen bei der dann byzantinischen Eroberung Nordafrikas unter oder sie reihen sich bei denen mit ein. Gleichzeitig erschüttern Berber- und Bauernaufstände die Region. Dann folgen die anstürmenden Araber mit der grünen Fahne eines neuen Propheten aus Saudi-Arabien. Und schließlich enden die spätantiken Reisenotizen aus dem einst blühenden Maktar. Der letzte bläst das Öllämpchen aus.
Maktar versinkt als Steinbruch der Geschichte. Und erst nach 1914 erfolgen archäologische Ausgrabungen, legen hier die Steine und Ruinen zum Teil wieder frei. Auch mit Hilfe deutscher Gefangener des Ersten Weltkrieges.