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Im Sturzflug auf die Leinwand

Mit 75 Jahren hat der Schauspieler Dustin Hoffman die Fronten gewechselt: "Quartett" ist seine erste Regiearbeit und bestens gelungen. Ebenfalls empfehlenswert: "Flight", der neue Film von Robert Zemeckis.

Von Jörg Albrecht | 23.01.2013
    Flight" von Robert Zemeckis

    "Alles klar, Evans! Landeklappen!"

    Fasten your seat belts! Ein Sturzflug mit einem Passagierflugzeug. So spektakulär, dass diese Bilder jeden Katastrophenfilm geadelt hätten. "Flight" aber ist gar kein Katastrophenfilm und die Bruchlandung nur der Auftakt zu einem Drama über einen Süchtigen. Zunächst von den Medien als Held gefeiert, der mit seinem waghalsigen Flugmanöver viele Menschenleben gerettet hat, steht der von Denzel Washington gespielte Pilot Whitaker schon bald darauf im Visier der Flugsicherheitsbehörde. Die hat nach dem Unglück Blut- und Haarproben der Crewmitglieder gesammelt.

    "Dieser toxikologische Bericht sagt, dass Sie betrunken waren. Und wenn bewiesen wird, dass Ihr Rausch der Grund für den Tod von vier Passagieren war, dann haben wir vier Fälle von Totschlag. Und das könnte lebenslänglich bedeuten."

    Und Whitaker gibt sogar zu:

    "Ich habe am Abend vor dem Flug ein paar Bier getrunken."

    Die Wahrheit aber ist eine andere. Die kennt der Zuschauer bereits aus der ersten Szene in "Flight". In der wacht Whitaker am Morgen vor dem Unglücksflug in einem Hotelzimmer auf. Neben seinem Bett eine geleerte Whiskyflasche. Außerdem zieht er sich Koks durch die Nase. Dennoch reagiert der Pilot selbstgefällig und arrogant auf den Untersuchungsbericht. Schließlich sei er ja ein Held.

    "Ich habe das Flugzeug in Rückenlage geflogen, das heißt auf dem Kopf. ... Haben Sie überhaupt eine Idee, wie das ist? - Durchaus. Ich habe mir gestern die Aufnahmen des Flugschreibers angesehen. - Oh, haben Sie?! Sind Sie Pilot? - Nein, bin ich nicht. - Dann haben Sie nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie reden."

    Lange vor dem Absturz des Fliegers ist Whitaker selbst abgestürzt. Seit seine Ehe gescheitert ist, säuft er und nimmt Drogen. Eine große Rolle für Denzel Washington in einem Film, dessen Qualität darin besteht, dass er sich zu einem komplexen Porträt eines Süchtigen entwickelt, in dem Fragen von Moral und Gewissen angesprochen werden. Damit kein Missverständnis aufkommt: Robert Zemeckis ist geht das Thema "Drogenabhängigkeit" nicht so radikal an wie einige Independentfilme in der Vergangenheit.

    Für Hollywoodmainstream aber hat "Flight" erstaunlich viele Ecken und Kanten und ist somit empfehlenswert.

    "Frankenweenie" von Tim Burton

    Während Zemeckis die letzten Jahre mit mittelmäßigen Animationsstreifen vergeudet hat, gönnt sich Kollege Tim Burton jetzt einen Ausflug in die Trickfilmwelt. Mit "Frankenweenie" hat Burton ein Remake seines gleichnamigen Kurzfilms von 1984 gedreht. Damals noch ein Realfilm ist "Frankenweenie" jetzt ein Puppenfilm in Schwarz-Weiß. Wie der Titel schon suggeriert, parodiert Burton das "Frankenstein"-Motiv. Viktor Frankenstein ist hier ein kleiner Junge, der mit Stromstößen seinen Hund wiederbelebt, der von einem Auto überfahren wurde.

    "Du lebst. Du lebst. Sparky, du lebst."

    Ein Gruselmärchen mit skurrilen Figuren und aberwitzigen Situationen. Tim Burton, der Meister des fantastischen Films, ist bei "Frankenweenie" in seinem Element. Und doch hat man den Eindruck, das alles von Burton schon oft gesehen zu haben, und oft auch besser - wie bei "Edward mit den Scherenhänden".

    "Frankenweenie" ist nette Unterhaltung - akzeptabel, aber auch nicht mehr.

    "Gangster Squad" von Ruben Fleischer

    Eine Enttäuschung auf ganzer Linie dagegen ist "Gangster Squad". Und das bei dieser Besetzung: Sean Penn, Ryan Gosling, Josh Brolin und Nick Nolte. Es mutet wie ein Akt purer Verzweiflung an, wie hier versucht wird, den Gangsterfilm in einen blutigen Comicstrip zu verwandeln, nur um jüngere Kinogänger zu begeistern. Regelrecht verschenkt wird hier eine auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte aus dem Los Angeles der frühen 1950er-Jahre.

    " Ich stelle eine Truppe zusammen und suche noch jemanden, der die Gegend gut kennt. "

    Eine Gruppe Polizisten versucht sich gegen den die gesamte Stadt beherrschenden Mafiaboss Mickey Cohen zu stellen, gegen korrupte Kollegen und Politiker. Mit genauer Charakterzeichnung anstelle stereotyper Figuren und mit einem Drehbuch, das nicht nur Genre-Klischees aneinanderreiht, hätte hier durchaus ein zweiter "L. A. Confidential " gelingen können.

    "Quartett" von Dustin Hoffman

    "Diese Blumen sind ein Willkommensgruß. ... Wir freuen uns, dass Sie bei uns sind. ... Der Aufzug wird gerade repariert. Aber wir haben einen Sessellift. - Sessellift? Und was mache ich, wenn ich oben bin? Abfahrtsski?"

    Vom "Best Exotic Marigold Hotel" im fernen Jaipur geht es für Maggie Smith jetzt in die nächste Seniorenresidenz. Das englische Beecham House ist ein Ort, an dem berühmte Orchestermusiker und Opernsänger ihren Lebensabend verbringen. Ein Ort der Sentimentalitäten, aber auch ein Ort voller Lebensfreude, geprägt von der Liebe zur Musik. Sie ist es, die alle Bewohner miteinander verbindet, vergessen sind dann die Eifersüchteleien und Eitelkeiten. Nur lässt sich der von Maggie Smith gespielte Neuzugang von Beecham House nicht erweichen, als die Wiedervereinigung eines legendären Opern-Quartetts geplant ist.

    "Welches Quartett? - Cedric will, dass wir alle singen auf unserem Galakonzert. Ich singe bei keinem Quartett. Ich finde, ihr seid wirklich abscheulich."

    Schrulligkeiten und Sentimentalitäten geben sich hier die Klinke in die Hand. Melancholie und viele feine Pointen durchziehen "Quartett". Dustin Hoffman hat einen Schauspielerfilm mit einem großen Herzen gedreht.

    Ein rundum gelungenes spätes Regiedebüt: Empfehlenswert!