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"Im Zweifel für die Frechheit"

"Extra 3" - seit dem 21. September 1976 auf Sendung - ist das älteste Satiremagazin im deutschen Fernsehen. Seit 30 Jahren folgt das Team dem Motto "im Zweifel für die Frechheit" und nimmt Politiker und Medien ebenso wie Bürgerinnen und Bürger ins Visier.

Von Leonard Ameln |
    […]

    So hörte es sich an, damals, als extra 3 sich auch noch die "wahre Wochenschau" nannte.
    Die Zeiten haben sich geändert - und mit ihnen extra3: bunter, kompakter und schneller.

    Achtmal wurde bisher die Studiodeko gewechselt, 18 Moderatoren gaben sich seit Sendebeginn die Klinke in die Hand. Mann der ersten Stunde war - neben Dieter Kronzucker und Stefan Aust - Wolf von Lojewski, der hier fünf Jahre vor der Kamera stand:

    "Das lustigste und frechste und das unseriöseste und gleichzeitig das ehrlichste aller Magazine. Eine Satiresendung ist extra 3 übrigens nicht gewesen damals - die Politiker und all die anderen Helden, die waren eben so, sie wussten es nur nicht."

    Kein Zweifel, das Satiregeschäft ist schwieriger geworden, seitdem der Kalte Krieg vorbei und Helmut Kohl nicht mehr an der Macht ist. Aber es gibt ja noch Alfons, den schmierigen Reporter, der jede Woche Realsatire aus ahnungslosen Passanten kitzelt. Ein riesiges Windschutzmikrofon hält er ihnen vor's Gesicht, schaut debil und depressiv in die Kamera.

    "Jetzt, wo die Prostitution legalisiert ist: Werden sie auf den Strich gehen, um die Rezession besser zu überstehen?"
    "Äh, auf jeden Fall."
    "Koksen sie regelmäßig?"
    Ja!"
    "Wie buchstabiert man BSE?"
    "BSE?"
    "Ja. - B.. E.. S."

    Und für diejenigen, die es noch nicht wussten, erklärt Klaus, der Mäuserich in seinen Ach- und Krachgeschichten die Welt:

    "Heute: Euro. Das ist ne Mark, kennt ihr ja. Das sind zwei Mark - heißt jetzt Euro. Kompliziert? Ne gar nicht, einfach D-Mark wegwischen, Euro hinschreiben, Zahl stehen lassen, fertig. So, das war's, tschüss bis zum nächsten Mal. Euer Klaus."

    Auch das politische Tagesgeschäft kommt nicht zu kurz. Neben dem Studiogast, meist ein Politiker, greift extra 3 in (der Rubrik) 'abgehakt' die Themen der Woche auf:

    Genug Politik? Nein, sagt Kuno Haberbusch, der früher 'panorama'-Chef war, und heute extra 3 leitet:

    "Ich würde mir wünschen, es wäre bisweilen noch politischer, nur ich glaube nur mit politischer Satire, das trifft die Lebensrealität nicht mehr so sehr, weil auch diese Gesellschaft da draußen hat sich verändert, ist entpolitisiert."

    Wie bei extra 3 die Satire funktionieren sollte, davon hat Haberbuschs Vorgänger Hans-Jürgen Börner eine klare Vorstellung:

    "Schluss mit Lustig! Das ist nämlich der erste Fehler bei einer Satiresendung, das hat nichts mit Comedy zu tun, was gibt's denn da zu lachen, extra 3 ist keine Kindersendung. Bloß nicht darauf eingehen, wenn jemand sagt 'erzähl doch mal nen Witz, die Leute wollen doch was zu lachen haben' - das sind die Feinde der Satire. Wenn es zuviel gelacht wird, dann wird es nämlich ernst. Das wichtigste Lachen ist, wenn das Lachen im Halse stecken bleibt."

    "Im Zweifel für die Frechheit", so das Motto der extra-3-Redaktion, getreu dem schon so manche (geschmackliche) Grenze überschritten wurde. Martin Neuffer, ehemaliger NDR-Intendant Ende der siebziger Jahre:

    "Extra 3 ist das Produkt einer wirklich verschleppten Führungsschwäche in diesem Hause."

    Und das war bei weitem nicht das einzige Mal, dass der Redaktion Gegenwind ins Gesicht blies. Etliche Male stand extra 3 vor dem vermeintlichen Aus. Wie lange es die Sendung wohl noch geben wird - schon oft wurde diese Frage gestellt. Moderator Thomas Pommer:

    "Nächste Woche wieder ganz normal extra 3, mit mir, mit Gast, mit Studio und mit allem Pipapo, ... glaub ich zumindest. Mir hat jedenfalls keiner was anderes gesagt."