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Image-Polieren für "Pleiten-Peer"

Dass der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück Italiens frisch gewählte Politiker als Clowns bezeichnete, sorgte auf seiner "Klartext-Tour" beim Publikum für Begeisterung - außenpolitisch fiel er damit aber auf die Füße. Kritik trifft auch diejenigen, die Steinbrück bei seinem Wahlkampf beraten.

Von Frank Capellan |
    Aschermittwoch. Vilshofen. Bierzelt. Eigentlich nicht die passende Umgebung für einen Hanseaten vom Schlage Peer Steinbrücks. Feine Ironie ist sein Ding - deftige Verbalangriffe sind ihm zuwider. In Bayern aber fügt er sich, redet sich in Rage, vorsätzlich, wiegelt ab, als ihm ein Getränk ans Pult gereicht wird.

    "Das schmeiß ich nur um. Weil ich irgendwann leidenschaftlich werde, und dann geht das da los!"

    Leidenschaft zieht. Beim Bierzelt-Publikum und bei den Medien. Alles läuft nach Maß. Steinbrücks Sprecher lächelt zufrieden. Michael Donnermeyer erlebt einen souveränen Chef in ungewohnter Rolle. Bis vor Kurzem war der 52-Jährige Lobbyist – für RWE, EON und Vattenfall. Jetzt puscht er als Sprecher den Kanzlerkandidaten, und der tut das, was von ihm erwartet wird: Steinbrück greift an, teilt aus

    "Diese Regierung ist so beliebt wie Blinddarmentzündung und Wurzelbehandlung auf einmal, und das tut sich keiner freiwillig an!"

    Donnermeyer muss das gefallen. Er hat für die SPD gesprochen, als Gerhard Schröder sein rot-grünes Projekt wagte. Er war Sprecher von Klaus Wowereit, lange vor dessen Flughafen-Absturz. Donnermeyer stand neben Sieger-Typen. Steinbrück hat eine Chance, daran glaubt er:

    #"Weil dieser Kandidat ganz eindeutig nach außen vermittelt: Ich will Kanzler werden! Und wir diese Polarisierung auch brauchen: Ich will nur Kanzler werden. Diesen strategischen Vorteil des Kandidaten zu präsentieren. Das ist das Reizvolle daran, und das hat ‚ne gute Chance!"

    Beim politischen Karneval klappt es mit dem Klartext-Reden. Knapp zwei Wochen später, in der brandenburgischen Provinz, läuft es schief.

    "Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben."

    Als dieser Satz im Saal eines Potsdamer Hotels fällt, hört auch Heiko Geue aufmerksam zu. Geue ist jetzt 47, arbeitete für Peer Steinbrück, als der Finanzminister in der Großen Koalition war. Seit Herbst zählt er zum Berater-Stab des Kandidaten. "Als Peer Steinbrück von den Clowns sprach, waren viele, auch sehr prominente Journalisten dabei", erzählt Geue.

    "Mit denen haben wir danach gesprochen, und da war nicht ein Hauch von Kritik zu hören, das fanden die alle beeindruckend, die haben gespürt, wie die Bürgerinnen und Bürger begeistert davon waren, dass sie eben Klartext gehört haben, das kam dann erst im Laufe des nächsten Tages, als Napolitano abgesagt hat, da kam dann Kritik, übrigens auch von den gleichen Journalisten, die da saßen an dem Abend und das nicht gesagt haben."

    Und doch: Manchmal geht der Kavallerie-Steinbrück mit dem Kandidaten durch. Kann er also doch alles, nur nicht Kanzler? Geue schüttelt energisch den Kopf:

    "An manchen Stellen etwas undiplomatisch auszudrücken, um etwas zu erreichen, das ist Politik. Aber Sie erleben ihn, wenn er in Europa Reisen macht oder in die USA fährt, da hören Sie nicht, dass er sich undiplomatisch verhält."

    Der Schaden aber ist groß. Wieder hagelt es Kritik, die auch Steinbrücks Mannschaft trifft. So wie kurz vor Jahresfrist, als er ein zu niedriges Kanzlergehalt beklagte. Wochenlang hatte halb Deutschland diskutiert, wie jemand für soziale Gerechtigkeit eintreten will, der 15.000 Euro für einen einzigen Vortrag kassiert und Pinot Grigio unter fünf Euro verabscheut. Dann das: "Kanzler verdient zu wenig!" Solche Zeitungsinterviews werden autorisiert, Donnermeyer und Geue aber hatten die Brisanz des Themas nicht erkannt:

    "Man hätte einfach vermeiden müssen, übers Kanzlergehalt zu reden, nachdem in den sechs Wochen zuvor nur über Honorare diskutiert worden ist, da waren wir in diesem Moment blind für diese Sache! – Unser Fehler war, dass wir nicht gesehen haben, dass das so verdreht werden kann, als würde er mehr fordern für sich, wenn er Bundeskanzler wäre!"

    Aber sind nicht längst zu viele Fehler passiert? Der Parteichef hat getobt. Sigmar Gabriel hat nun sogar dafür gesorgt, dass Andrea Nahles alle Fäden in die Hand bekommt. Die Wahlkampfleitung soll in Händen der Generalsekretärin liegen. In der Schusslinie steht auch Hans-Roland Fässler, der sich selbst als "Freund, Vertrauten und Berater" von Peer Steinbrück bezeichnet. "Rolli" – wie der 64-Jährige von Steinbrück gerufen wird, kann ihm sagen, wenn etwas schief gelaufen ist.

    "Er ist überhaupt nicht beratungsresistent, sondern er nimmt ernst und ehrlich gemeinte Hinweise gerne auf. Er hat keine Vordenker, sondern Mit- und Nachdenker. Und in der Rolle bin ich gern!"

    Er, der einst für den Bayerischen Rundfunk arbeitete und heute als selbstständiger Kommunikationsberater tätig ist, soll aber zu wenig nachgedacht haben, als er den "Peerblog" ins Leben rief. Hinter der Internet-Plattform standen Steinbrück-gewogene Unternehmer. Dass Fässler die Namen der Unterstützer kennt, aber nicht nennen möchte, führt schließlich zur Einstellung des Blogs, dass er mit seinem Freund Peer über die Geldgeber nicht gesprochen haben will, nimmt ihm niemand wirklich ab.

    "Damit muss man umgehen: Wer die Hitze nicht aushält, muss die Küche verlassen. Muss ich aushalten!"

    Themen wie den Mindestlohn deftig anzurichten, dafür ist ein anderer gewichtiger Player im Team Steinbrück zuständig. Mathias Machnig, Wirtschaftsminister in Thüringen. Immerhin hat er 1998 und 2002 erfolgreich für Gerhard Schröder die Kampa geleitet, die Wahlkampfzentrale der SPD. Machnig - ein Macher. Ein hemdsärmeliger Typ, der zwischen zwei Zigaretten mindestens eine neue Idee entwickeln kann. Dass Peer Steinbrück das Image des Pleiten-Peer nicht mehr loswerden könnte, glaubt Machnig nicht.

    "Er sollte eines machen. Er sollte sich selber treu bleiben, die kontrollierte Offensive suchen. Da gibt es auch mal ein bisschen Gegenwind. Keine Bundestagswahlkampagne hat nicht Ups and Downs!"

    Dass Peer Steinbrück in den Beliebtheitswerten rapide abgerutscht ist, davon will sich auch Heiko Geue nicht beirren lassen.

    "Ich wünsch mir viel mehr solche Politiker wie Peer Steinbrück. Klartext miteinander reden und mit den Bürgern, das wäre gut für die Demokratie!"


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