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Steinbrück, wie man ihn kennt

Die "Clown"-Äußerung über italienische Politiker hat Peer Steinbrück nicht geschadet, sagt der Publizist und Politikberater Michael Spreng. Ganz im Gegenteil - er habe dadurch seinen "Markenkern" aufpoliert. Anders sei es bei seinen Bemerkungen zum Kanzlergehalt gewesen.

Michael Spreng im Gespräch mit Peter Kapern | 28.02.2013
    Peter Kapern: Im Zwei-Sterne-Restaurant des Hotels Adlon in Berlin, da standen gestern zum Beispiel "mild geräucherter Kabeljau in einer Seeigel-Samtsoße" auf der Karte und "Rücken und Bauch vom Salzwiesen-Lamm in einer Estragonsoße". Und der Wein, den der Sommelier dazu empfohlen hat, war bestimmt kein Pinot Grigio für fünf Euro die Flasche. Ob Peer Steinbrück sich wohl ärgert, dass ihm das alles durch die Lappen gegangen ist? Mit Italiens Staatspräsident Napolitano war er gestern Abend im Adlon zum Essen und Plaudern verabredet. Aber dann ließ der Besucher aus Rom den Termin platzen, weil Peer Steinbrück zwei italienische Politiker als Clown bezeichnet hatte: Zum einen Beppe Grillo, den eigentlichen Wahlsieger in Italien – Grillo ist ein ehemaliger Komiker, also vulgo Clown –, und zum anderen Silvio Berlusconi, dem Steinbrück zudem auffällige Testosteron-Schübe attestierte. Napolitano war also verschnupft und strich den Termin, und bei uns am Telefon ist jetzt der Politikberater Michael Spreng. Guten Morgen!

    Michael Spreng: Ja guten Morgen, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Spreng, das müssen wir zunächst klären: Wer ist denn nun der Clown, Peer Steinbrück, weil er über das diplomatische Parkett tölpelt, oder Giorgio Napolitano, weil er beleidigte Leberwurst statt Salzwiesen-Lamm auftischt?

    Spreng: Weder noch, würde ich sagen. Herr Steinbrück hatte eine Veranstaltung, die hieß "Klartext mit Peer Steinbrück" und nicht "Einführung in die Diplomatie mit Peer Steinbrück", und er hat sich so verhalten, wie man ihn kennt. Er hat gewissermaßen seinen Markenkern aufpoliert, hier sagt ein Mann, was er denkt, und seine Bezeichnung für Berlusconi war ja eher harmlos. Er hätte ja auch sagen können, "peinlicher Lustgreis ohne Anstand und Moral", aber das hat er nicht getan. Clown ist eigentlich für Berlusconi noch eine harmlose Bezeichnung, aber es war natürlich sehr undiplomatisch.

    Kapern: Aber dieser Klartext, der mag ja gelten für Politikberater, Journalisten möglicherweise auch noch. Aber Politiker, die müssen ja doch dann auch irgendwann Politik machen mit ihren ausländischen Gegenübern. Kann das funktionieren, wenn man ausländische Politiker als Clown bezeichnet?

    Spreng: Ich würde es ja nicht verallgemeinern. Es geht hier nur um Berlusconi in diesem Fall. Es war undiplomatisch, aber ich glaube, er hat in diesem Augenblick auch nicht auf Außenpolitik gezielt, sondern auf die deutschen Wähler, denen er damit eher aus der Seele gesprochen hat. Das war eine außenpolitische Äußerung mit innenpolitischer Wirkung und Absicht und er hat den Schaden in Kauf genommen. Der Schaden ist allerdings, wie ich glaube, so groß nicht, denn 70 Prozent der Italiener denken über Berlusconi ja mindestens genauso, wenn nicht schlimmer. Also er hat nicht die Italiener verärgert, sondern nur einen Politiker, der leider möglicherweise für die nächste Regierungsbildung in Italien noch gebraucht wird.

    Kapern: Er hat aber vielleicht auch ein paar Millionen italienische Wähler verärgert, oder?

    Spreng: Ja, gut. Aber ich meine, er ist Kanzlerkandidat, er ist kein Kanzler, und er ist bekannt dafür – denken Sie daran, dass er in der Schweiz die Kavallerie einreiten lassen wollte, dass er die Schweizer Hauptstadt mit Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, verglichen hat. Dadurch ist er ja eigentlich populär geworden, durch diese Klartext-Äußerung, und er kann da nicht aus seiner Haut und er poliert aber in Wirklichkeit damit auch seine Marke Steinbrück bei den deutschen Wählern. Ich glaube, dass ihm nicht übel genommen wird, dass jetzt ein Abendessen ausgefallen ist, sondern dass eher honoriert wird, dass er die Dinge beim Namen nennt.

    Kapern: Sie sagen, er poliert damit seinen Markenkern. Das klingt so, als würde Steinbrück so etwas kalkuliert sagen. Man hat immer so ein bisschen den Eindruck, das rutscht ihm raus.

    Spreng: Kalkuliert in dem Sinne: Er ist halt so. Unkalkuliert wäre oder kalkuliert wäre, wenn er künstlich versuchen würde, sich zu verstellen. Dann wäre er nicht mehr authentisch, dann wäre er nicht mehr Peer Steinbrück. Das Problem ist eben, dass ihm manchmal Äußerungen herausrutschen, die ihm hinterher schaden. Viel schlimmer für ihn war aber, dass er über das Gehalt des Kanzlers resoniert hat, also in eigener Sache gewissermaßen sich zu Finanzdingen geäußert hat. Das war viel schlimmer und hat ihm bei den Wählern geschadet. Ich glaube, diese Äußerung jetzt nicht.

    Kapern: Herr Spreng, das ist doch ein interessantes Phänomen, auf das Sie da aufmerksam machen. Wenn Steinbrück sagt, dass der deutsche Kanzler im Vergleich zu Managern unterbezahlt ist, dann kommt das bei den Wählern überhaupt nicht gut an, weil das möglicherweise Neidinstinkte weckt?

    Spreng: Ja.

    Kapern: Und wenn er italienische Politiker als Clowns bezeichnet, dann kommt das gut an, weil das mit Ressentiments korrespondiert, oder was ist das?

    Spreng: Nein, in dem ersten Fall ist es nicht nur das Thema Neid, sondern ein Kanzlerkandidat hat sich nicht über sein eigenes mögliches künftiges Gehalt zu beschweren. Das war einfach eine Torheit. In dem anderen Fall geht es auch nicht um Ressentiments. Ich glaube, Leute, die Berlusconi für einen gefährlichen Politiker halten, der in Italien systematisch Gesetze gebrochen hat, deswegen ja auch angeklagt und teilweise schon verurteilt ist, einen solchen Politiker als Clown zu bezeichnen, ist ja – wie soll man sagen? – angesichts der Faktenlage eher eine Untertreibung, und ich glaube nicht, dass er damit Ressentiments spiegelt.

    Kapern: Aber Steinbrück ist da ja Wiederholungstäter. Sie haben ja schon erinnert an die Kavallerie, die er in die Schweiz einrücken lassen wollte. Dann hat er ja das hübsche Städtchen Ouagadougou zum Inbegriff der steuerpolitischen Rückständigkeit erklärt; auch da gab es Proteste aus Afrika. Muss man nicht davon ausgehen, wenn Sie sagen, so was darf ein Kanzlerkandidat sagen, muss man nicht davon ausgehen, dass Steinbrück, wenn er denn erfolgreich wäre, so etwas wäre wie eine lose Kanone an Deck des deutschen diplomatischen Dampfers?

    Spreng: Ja, das würde sich im Fall zeigen. Im Augenblick sieht es ja nicht so aus, als würde die Probe aufs Exempel auftreten.

    Kapern: Das heißt, es ist egal, was Steinbrück sagt, weil er sowieso nicht die Wahl gewinnt?

    Spreng: Im Augenblick geht es ja erst mal darum, Stimmen zu gewinnen. Man muss das so ganz brutal und machttechnisch sehen. Ich glaube aber, dass er sich bewusst sein wird, wenn er das Amt hat, um aus seinen Fehlern zu lernen. Natürlich kann er dann sich nicht mehr so äußern. Ich meine, auch Frau Merkel - - Ich meine, Berlusconi hat ja Frau Merkel in unflätigster Weise sexistisch beleidigt und dennoch muss sie so tun, als wüsste sie das nicht.

    Kapern: … hat ihn aber auch nicht an die Regierung wieder gebracht in Italien?

    Spreng: Nein! Aber ich meine, sie müsste auch mit ihm leben, trotz einer solchen furchtbaren Beleidigung. Also man hätte sich von Herrn Napolitano auch mal gewünscht ein klares Wort zu Berlusconi, als er Frau Merkel in dieser unflätigen Weise beleidigt hat. Damit hat Berlusconi ja auch unglaublichen außenpolitischen Schaden angerichtet. Er hat ja jetzt seinen Wahlkampf mit Ressentiments gegen Deutschland und Angela Merkel bestritten. Also wenn es um einen Politiker mit Ressentiments geht und Politik unter der Gürtellinie und Kontrollbeherrschung, dann ist es ja wohl Berlusconi.

    Kapern: Ganz kurz noch, Herr Spreng. Wenn Sie Steinbrücks Berater wären, würden Sie ihm sagen "weiter so, Peer"?

    Spreng: "Weiter so" würde ich nicht sagen. Ich würde sagen, "seien Sie vorsichtig, das kann auch mal nach hinten losgehen, wenn Sie wieder in dieser undiplomatischen Offenheit sprechen." Aber in diesem Fall, glaube ich, hat es ihm nicht geschadet.

    Kapern: Der Politikberater Michael Spreng heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Spreng, vielen Dank für das Gespräch, schönen Tag noch.

    Spreng: Danke auch – auf Wiederhören!


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