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Immer im Dienst

Über den Vereinsabend, das eigenen Hobby oder einen Unfall vor der Haustür - auf dem Internetportal "Giessener-Zeitung" erscheinen die Artikel und Fotos von Bürgerreportern. Zwei Mal die Woche wird auch eine gedruckte Version der neuen Bürgerzeitung veröffentlicht, die als gratis Anzeigenblatt erscheint.

Von Volker Siefert |
    Die Zeitung wird vielleicht gerade neu erfunden. In Gießen erschien diesen Mittwoch die erste "Mitmachzeitung" Hessens. Sie gibt engagierten Bürgern wie Herbert Vollmer die Möglichkeit, ihre Geschichten in die Welt zu bringen.

    "Man hat immer den Fotoapparat zur Hand. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, schießt man ein Foto, schreibt einen Artikel. Das gibt mir die Möglichkeit, über Themen zu schreiben, die ich liebe."

    Der pensionierte Lokomotivführer hat einen Tanzverein in seinem Heimatdorf aufgebaut und ist gewerkschaftlich engagiert. Als "Bürgerreporter" ist er bei dem Internetportal "My Heimat" in der Region Marburg aktiv. Ausgewählte Artikel dieses Portals werden seit kurzem in der Tageszeitung "Oberhessische Presse" aus Marburg publiziert. Und jetzt ist "Giessener-Zeitung".

    Bei ihr kann jeder als Bürger-Reporter im Landkreis Gießen unterwegs sein und seine Geschichten aufschreiben. Alle Artikel erscheinen online, sieben Tage die Woche, rund um die Uhr. Zwei Mal die Woche erscheinen die besten Geschichten dann in gedruckter Form. Steffen Schindler ist Geschäftsführer beim Verlag der "Oberhessischen Presse". Der Verlag trägt, mit anderen, die "Giessener-Zeitung".

    "Es geht um Vereine, Verbände, Bürger, die sich im Internet bei uns melden können, sie bekommen die Freigabe und können dann ihre Artikel publizieren."

    Die "Giessener-Zeitung" finanziert sich über Anzeigen. Das Besondere:
    alle Artikel, die Bürger auf die Internetseite stellen, werden von einer Handvoll professionellen Journalisten durchforstet.

    "Ist die Geschichte sehr gut, übernehmen wir sie in die Zeitung, arbeiten sie journalistisch auf."

    Die Macher wollen lokale Berichterstattung so auf eine viel breitere Basis stellen. Sie schicken ihre anzeigenfinanzierte Zeitung gegen die beiden Giessener Kauf-Zeitungen ins Rennen. Die neue Zeitung soll inhaltliche Akzente setzen, sagt Geschäftsführer Jürgen Trohorsch.

    "Als Medium Reizthemen setzen, Kommentare bekommen."

    Doch die Personaldecke scheint dünn. Drei festangestellte und einige freie Redakteure sollen den journalistischen Feinschliff für das Rohmaterial der Bürger-Reporter besorgen. Es wird sich zeigen, ob man damit dem Anspruch, eine Zeitung zu sein, gerecht werden kann. Für Verleger bietet das Projekt auf jeden Fall eine interessante Perspektive: Die Bürger-Reporter arbeiten für die Ehre, Honorar bekommen sie nicht. Für Herbert Vollmer ist das aber nicht der entscheidende Punkt.

    "Wenn es in Papierform erscheint, ist es das I-Tüpfelchen, fühlt sich besser an. Leute schneiden sich die Artikel aus."