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Immer im Visier der Zensur

In Iran sitzen seit 100 Tagen zwei deutsche Journalisten in Haft. Berichten zufolge sollen die beiden Deutschen für ein Interview keine amtliche Akkreditierung gehabt haben. Wie können ausländische Journalisten im Iran und anderen arabischen Ländern eigentlich arbeiten?

Von Michael Meyer | 15.01.2011
    "Die beiden haben unsere Gesetze gebrochen", sagte der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi unversöhnlich über das Verhalten der beiden deutschen Journalisten in einem "Spiegel"-Interview. Doch was sicher ein Bruch von Regeln ist, ist nicht so ungewöhnlich, meint der langjährige ARD-Korrespondent Christof Maria Fröhder. Auch er sei gelegentlich mal in den Iran oder andere arabische Länder ohne ein Journalistenvisum gereist:

    "Häufiger bekommen Sie gar kein Arbeitsvisum. Ich bin dann meist so ins Land eingereist, mit voller Kameraausrüstung, und habe mich beim Informationsministerium, also der Zensur letzten Endes gemeldet und habe mich dann akkreditieren lassen."

    Außerdem: Ein Interview mit einem Oppositionellen zu führen, wie die beiden deutschen Journalisten es taten, sei mit einem offiziellen Arbeitsvisum so gut wie unmöglich.
    Die Berichterstattung sei in vielen Ländern stark eingeschränkt - beispielsweise in Tunesien, Gaza, Birma, Iran oder Afghanistan, mit einem offiziellen Visum einzureisen bringe dann Einschränkungen mit sich:

    " Dann haben Sie ständig einen, zwei Begleiter hinter sich, Sie werden wahrscheinlich auch nochmal aus Distanz beobachtet, die wenige Minuten, wo Sie angeblich essen gehen, vermutet man natürlich, dass Sie Informanten treffen. Das große Problem ist halt eben, dass es ganz wenige Journalisten gibt, die sich heute noch für längere Zeit in diesen Ländern aufhalten, die meisten fliegen nur für wenige Tage ein, und damit fängt das Dilemma an: Die sind dann angewiesen auf Zufallskontakte, die können handwerklich den Bericht nicht richtig vorbereiten und sind in einer größeren Gefahr als derjenige, der vor Ort lebt."

    So war es möglicherweise wohl auch bei den beiden Reportern der "Bild am Sonntag" - es stellten sich zumindest ein paar Fragen, was die Vorbereitung angeht, meint Fröhder. Der Axel Springer Verlag wollte sich in dieser Woche nicht zu dem Fall äußern - man könne derzeit zu den Details nichts sagen, so die offizielle Verlautbarung.

    Erstaunlich ist, dass der iranische Staat mit einer solchen Härte vorgeht. Christof Maria Fröhder meint, dass Medienvertreter immer öfter zum Faustpfand werden - entweder gegen Lösegeld oder gegen politische Forderungen:

    " Ich denke, man hat hier bei den beiden Kollegen, die derzeit sitzen, seit geraumer Zeit wegen der vielen Embargo-Vorschriften, eine Gelegenheit gesucht, mit dem Auswärtigen Amt in ein Gespräch einzusteigen, Druck zu machen, weil man natürlich den guten alten Beziehungen, die zwischen Deutschland und Teheran geherrscht haben, nachtrauert, und versucht, die wiederherzustellen - ob das glückt, muss man abwarten."

    Aber nicht nur ausländische Journalisten geraten ins Visier der Presse- und Zensurbehörden, auch für die iranischen Journalisten im Land selbst wird die Situation immer schwieriger, meint der deutsch-iranische Filmregisseur Ali Samadi Ahadi. Im Iran herrsche nackte Gewalt, was spätestens bei den Studentenprotesten im Sommer 2009 deutlich geworden sei:

    "Was hat sich denn seitdem verändert? Die Arbeitslosigkeit ist in die Höhe geschnellt, die Frauen haben noch weniger Rechte, Studentenaktivisten sind in Gefängnissen, Iran ist laut Reporter ohne Grenzen das größte Gefängnis für Journalisten geworden. Das heißt, dass die Lösung der Probleme die Regierung schuldig geblieben ist."

    Ein Fazit mag sein, dass künftig westliche Reporter deutlich vorsichtiger sein werden, wenn sie zu einer Recherchereise in den Iran oder andere arabische Länder aufbrechen.