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Immer mehr Menschen in den Miesen

Dass die deutschen Haushalte bislang weniger in die Schuldenfalle geraten sind als die US-amerikanischen, liegt auch daran, dass hierzulande Kredite bislang nicht einfach über Kreditkarten bezogen werden können. Doch mittlerweile plagen sich auch viele Deutsche mit hohen Schulden herum. Und die Wirtschaftkrise verschärfe die Situation, so die Bilanz des Schuldenreports 2009.

Von Dieter Nürnberger |
    Auf jeden Fall rechnen die sechs Verbände und Organisationen, die in Berlin heute Vormittag den Schuldenreport 2009 vorstellten, mit einer Zuspitzung der Situation durch die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Gerd Billen vom Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband macht dies an der stark gestiegenen Zahl von Kurzarbeitern in Deutschland fest, zudem an den Prognosen über die Arbeitslosenzahlen der kommenden Monate. Kurz gesagt: Die Situation spitze sich für viele Haushalte in Deutschland zu.

    "Die Analysen zeigen eben, dass für die private Verschuldung Arbeitslosigkeit der ganz entscheidende Faktor ist. In Deutschland sind in den vergangenen Jahren - auch aufgrund einer guten ökonomischen Entwicklung - viele Menschen Verpflichtungen eingegangen. Sie haben Kredite aufgenommen. Sie haben vielleicht auch Immobilien gekauft. Und jetzt müssen sie feststellen, dass durch diese einbrechende Finanzkrise, durch Banken und Finanzinstitute verursacht, große Probleme entstehen."

    Kritik gab es auch in diesem Zusammenhang an den Banken. Diese bekämen in schwierigen Zeiten staatliche Unterstützung, andererseits würden sie aber die Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank nicht an die Kunden weitergeben. Beispielsweise seien die Dispokredit-Zinsen weiterhin sehr hoch. Damit würden die Banken die Situation verschärfen.

    Es sei ein immer wiederkehrender Kreislauf der Verschuldung zu beobachten, sagt Heidi Merk, die Vorsitzende des paritätischen Gesamtverbandes.

    "Mehr als die Hälfte der Überschuldeten lebt vom Hartz-4-Bezug. Ihr monatliches Einkommen liegt unter 900 Euro. Im Durchschnitt aber haben diese Menschen einen Schuldenberg von rund 36.000 Euro. Das muss man sich dann so vorstellen: Bei einem solch geringen Einkommen wird der Schuldenberg dann vor sich hergeschoben. Sie zahlen maximal noch auf die Zinsen, aber der Schuldenberg wird somit nicht abgetragen. Im Gegenteil: Er wird größer."

    Die Senkung der Leitzinsen müsse also an die Verbraucher weitergegeben werden, so eine Hauptforderung der Verbände. Auch müssten Rahmenbedingungen her, um flexibler auf finanzielle Engpässe reagieren zu können. Die Kreditwirtschaft sollte sich zudem an den Kosten der Schuldnerberatung in Deutschland beteiligen. Die Zahl der Beratungsstellen sollte verdoppelt werden. Immerhin: Eine langjährige Forderung sei inzwischen von der Bundesregierung erfüllt worden. Gerd Billen vom Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Positiv ist, dass die große Koalition jetzt eine Reform der Kontopfändung durchgeführt hat. Ab Mitte des nächsten Jahres können die Deutschen das sogenannte P-Konto beantragen; also ein pfändungsfreies Konto - bis zu einem Betrag von 900 Euro."

    Gerd Billen fordert auch ein kostenloses Girokonto für jedermann, weil die Betroffenen sonst vom üblichen Geschäftsverkehr ausgeschlossen seien.

    Die sechs Verbände gehen davon aus, dass zwischen drei und vier Millionen Haushalte in Deutschland überschuldet seien. Die Spanne ist deshalb so groß, weil eine klare Definition der Verschuldung bislang fehlt. Der jüngste Armutsbericht der Bundesregierung wurde deshalb heute auch kritisiert. Hier war die Zahl der genannten Personen von 3,1 auf 1,6 Millionen gefallen. Heidi Merk vom Paritätischen Gesamtverband.

    "Man nimmt inzwischen ganz andere Statistiken. Die Bundesregierung nimmt nicht etwa - wie es auch sinnvoll wäre - die Daten der kompletten Verschuldung einer Person. Man lässt die Mietschulden draußen, auch Schulden bei Energieversorgen fallen raus. Im Armutsbericht wird sich ausschließlich auf die Kreditverbindlichkeiten konzentriert. Das streut allen Sand in die Augen."

    Empirisch gesehen ist eine genaue Analyse also nicht so einfach, doch die Wirtschafts- und Finanzkrise werde die Situation der Verschuldung der Haushalte in Deutschland auf jeden Fall verschärfen, so das Fazit der Verbände.