"Ich rede. Verstehst du mich überhaupt? - Ja ich bin doch Franzose. - Ja und ich bin Araber. Ich komme das ganze Jahr über her. Ich geh hier nicht weg. - Komm, mach hier keinen Skandal."
Eine Art Spielhalle inmitten der Vorstadt-Tristesse. Musik dröhnt heraus. Im nördlichsten Stadtviertel von Marseille. Nicht nur der Besitzer der Halle hat Verständnisprobleme und Verständigungsschwierigkeiten mit dem jungen Mann.
"Und du da. Was soll das, was machst du mit dem Mikro da?"
Dann geht der Mann. Kein Krawall. Nur taxierende Blicke. Es gibt hier nichts zu sehen außer grauem Beton. In den 1960er Jahren war das mal eine Hochhaussiedlung mit sogenanntem gutem Wohnstandard. Lang ist es her, dass, wer sich einen Umzug nicht leisten konnte, hier im Quartier die französischen Fußball-Weltmeister gefeiert hat. Und, dass Zinedin Zidane, einer der hier als Kind gelebt hat, zum multikulturellen Vorbild gemacht wurde.
Mit einer der letzten Metros geht es am Abend aus dem nördlichen Viertel in die Innenstadt – vorbei an einem Flickenteppich von Vorortquartieren. Einige Hundert Meter vom alten Hafen entfernt liegt das Viertel Belsunce. Unterhalb des Hauptbahnhofs von Marseille. Das Quartier war lange Zeit das Zuhause für Menschen auf der Durchreise. Heute ist es zur Hälfte von Maghrebinern bewohnt. Sie haben nach der Entkolonialisierung des Maghreb die schwarzafrikanischen Hafenarbeiter abgelöst. Viele Algerier, Tunesier und Marokkaner sind heute Besitzer kleiner Läden, Hotels und Straßencafes.
"Marseille ist wie Algerien."
"Wenn du hier kein Geld hast, bist du so gut wie tot."
Ibrahim kam vor sieben Jahren nach Marseille, um wie er sagt, seinen Lebensstandard zu verbessern. Legalen Aufenthaltsstatus und regelmäßige Arbeit hat er erst seit einem Jahr.
"Die Hälfte der Menschen in Marseille hat keine Papiere."
"Es ist schwierig hier. Ich kenne viele Algerier hier. Auch junge. Sie suchen egal welche Arbeit. Egal, egal, egal."
Hossein ist Fußballtrainer. Er hat mal in Deutschland junge Algerier trainiert. Für ihn ist das kosmopolitische Marseille lebenswert. Weniger optimistisch sieht er die Zukunft der Marseiller Fußballvereine.
"Es gibt viele Talente hier in Marseille. Im Quartier du Nord habe ich Superspieler gesehen. Sie haben Talent aber es gibt keine Disziplin."
Im Nachbarviertel Le Panier in unmittelbarer Nähe zum alten Hafen entsteht ein aus dem Hafenumbau hervorgehendes neues Areal, das von Paris und Brüssel aus mitfinanziert wird. Das Programm lautet Sanierung und "Europäisierung" von Marseille. Inzwischen haben sich wohlhabende Franzosen und Europäer angesiedelt: Kultur- und Medienschaffende, Dienstleistungsexperten.
In Marseille werden der politische und öffentliche Raum mehr und mehr von der Wirtschaft dominiert. Einerseits wollen die zukünftigen Rentner aus dem Norden hier leben. Sonne, gute Luft. Lebensqualität. Wer es sich leisten kann. In zehn Jahren ist das Zentrum ausverkauft. Und das kosmopolitische Leben mit seinen Immigranten an den Rand verdrängt.
Das OM-Cafe am Alten Hafen ist das Vereinslokal von Olympique Marseille. 2005 hatten Spieler der Nationalmannschaft gegen den damaligen Innenminister Sarkozy wegen seiner Verbalattacken gegen die Vorstadtjugendlichen protestiert. Der Filmemacher und Buchautor Mehdi Lallaoui erinnert sich an die Ausschreitungen in ganz Frankreich.
"2005 gab es die Krawalle. Es klingt paradox, aber in Marseille mit seinen ökonomischen und sozialen Schwierigkeiten brannten keine Autos. Vielleicht, weil es hier eine besonders starke Identifikation mit der Stadt gibt. Man ist zuerst Marseiller und danach Franzose, Komoraner, Algerier oder Armenier. Die Leute haben ein stärkeres Bewusstsein für sozialen Zusammenhalt. Im kollektiven Bewusstsein ist Marseille seit jeher eine Stadt des Mittelmeers. Und das Mittelmeer hat zwei Ufer. Nicht nur das unsere."
Eine Art Spielhalle inmitten der Vorstadt-Tristesse. Musik dröhnt heraus. Im nördlichsten Stadtviertel von Marseille. Nicht nur der Besitzer der Halle hat Verständnisprobleme und Verständigungsschwierigkeiten mit dem jungen Mann.
"Und du da. Was soll das, was machst du mit dem Mikro da?"
Dann geht der Mann. Kein Krawall. Nur taxierende Blicke. Es gibt hier nichts zu sehen außer grauem Beton. In den 1960er Jahren war das mal eine Hochhaussiedlung mit sogenanntem gutem Wohnstandard. Lang ist es her, dass, wer sich einen Umzug nicht leisten konnte, hier im Quartier die französischen Fußball-Weltmeister gefeiert hat. Und, dass Zinedin Zidane, einer der hier als Kind gelebt hat, zum multikulturellen Vorbild gemacht wurde.
Mit einer der letzten Metros geht es am Abend aus dem nördlichen Viertel in die Innenstadt – vorbei an einem Flickenteppich von Vorortquartieren. Einige Hundert Meter vom alten Hafen entfernt liegt das Viertel Belsunce. Unterhalb des Hauptbahnhofs von Marseille. Das Quartier war lange Zeit das Zuhause für Menschen auf der Durchreise. Heute ist es zur Hälfte von Maghrebinern bewohnt. Sie haben nach der Entkolonialisierung des Maghreb die schwarzafrikanischen Hafenarbeiter abgelöst. Viele Algerier, Tunesier und Marokkaner sind heute Besitzer kleiner Läden, Hotels und Straßencafes.
"Marseille ist wie Algerien."
"Wenn du hier kein Geld hast, bist du so gut wie tot."
Ibrahim kam vor sieben Jahren nach Marseille, um wie er sagt, seinen Lebensstandard zu verbessern. Legalen Aufenthaltsstatus und regelmäßige Arbeit hat er erst seit einem Jahr.
"Die Hälfte der Menschen in Marseille hat keine Papiere."
"Es ist schwierig hier. Ich kenne viele Algerier hier. Auch junge. Sie suchen egal welche Arbeit. Egal, egal, egal."
Hossein ist Fußballtrainer. Er hat mal in Deutschland junge Algerier trainiert. Für ihn ist das kosmopolitische Marseille lebenswert. Weniger optimistisch sieht er die Zukunft der Marseiller Fußballvereine.
"Es gibt viele Talente hier in Marseille. Im Quartier du Nord habe ich Superspieler gesehen. Sie haben Talent aber es gibt keine Disziplin."
Im Nachbarviertel Le Panier in unmittelbarer Nähe zum alten Hafen entsteht ein aus dem Hafenumbau hervorgehendes neues Areal, das von Paris und Brüssel aus mitfinanziert wird. Das Programm lautet Sanierung und "Europäisierung" von Marseille. Inzwischen haben sich wohlhabende Franzosen und Europäer angesiedelt: Kultur- und Medienschaffende, Dienstleistungsexperten.
In Marseille werden der politische und öffentliche Raum mehr und mehr von der Wirtschaft dominiert. Einerseits wollen die zukünftigen Rentner aus dem Norden hier leben. Sonne, gute Luft. Lebensqualität. Wer es sich leisten kann. In zehn Jahren ist das Zentrum ausverkauft. Und das kosmopolitische Leben mit seinen Immigranten an den Rand verdrängt.
Das OM-Cafe am Alten Hafen ist das Vereinslokal von Olympique Marseille. 2005 hatten Spieler der Nationalmannschaft gegen den damaligen Innenminister Sarkozy wegen seiner Verbalattacken gegen die Vorstadtjugendlichen protestiert. Der Filmemacher und Buchautor Mehdi Lallaoui erinnert sich an die Ausschreitungen in ganz Frankreich.
"2005 gab es die Krawalle. Es klingt paradox, aber in Marseille mit seinen ökonomischen und sozialen Schwierigkeiten brannten keine Autos. Vielleicht, weil es hier eine besonders starke Identifikation mit der Stadt gibt. Man ist zuerst Marseiller und danach Franzose, Komoraner, Algerier oder Armenier. Die Leute haben ein stärkeres Bewusstsein für sozialen Zusammenhalt. Im kollektiven Bewusstsein ist Marseille seit jeher eine Stadt des Mittelmeers. Und das Mittelmeer hat zwei Ufer. Nicht nur das unsere."