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Impfung gegen Krebs?

Spritzen - und schon ist der Tumor weg. Daran arbeiten Wissenschaftler überall auf der Welt: Beispielsweise beim schwarzen Hautkrebs, dem Malignen Melanom, einem besonders aggressiven Krebs. Bei dieser speziellen Impfung wird das körpereigene Immunsystem gezielt geschärft, um den Tumor zu bekämpfen. Vor einem Jahr vermeldeten einige Krankenhäuser damit erstaunliche Erfolge, die Euphorie war groß. Dann kamen an der Studie Beteiligte ins Gerede: Ergebnisse waren geschönt; Patienten abkassiert worden. Die Deutsche Krebshilfe hat daraufhin ihre Finanzierung gestoppt. Ob damit auch die gesamte Methode verworfen werden muss, ist eine andere Frage.

Von William Vorsatz |
    Wenn der schwarze Hautkrebs erst einmal Metastasen bildet, haben die Patienten meist nur noch wenige Monate zu leben, Auch Skalpell, Strahlen und Chemobehandlungen helfen dann kaum. Seit 30 Jahren ist bei der Therapie eigentlich nichts mehr passiert, klagt Thomas Berger, dermatologischer Forscher vom Universitätsklinikum Erlangen:

    Der Wunsch ist, dass man eine Therapie entwickelt, die besser ist, als die Standardtherapie. Das ist das erste Ziel, das Nahziel, Das ist auch nicht so schwierig, denn die Standardtherapie ist lausig, beim Melanom, die ist sehr schlecht. Also man hat im Moment bei allem, was man tut, ungefähr eine Ansprechrate zu erwarten vom 15 Prozent. Das heißt 15 Prozent der Patienten zeigen überhaupt ein Ansprechen auf den Tumor, das hat noch keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben.

    Doch schon seit einigen Jahren verfolgen verschiedene Wissenschaftler in aller Welt einen neuen, vielversprechenden Ansatz: Das eigene Immunsystem gegen den Tumor zu aktivieren. Es funktioniert jedoch nicht so einfach: Weil der Krebs kein Fremdkörper ist wie etwa Viren und Bakterien. Also muss das Immunsystem gegen die heimlichen Feinde aufrüsten. Vielversprechend scheint es, körpereigene Ordnungshüter zu aktivieren, auf ganz bestimmte Eigenschaften zu achten, wie sie einzig und allein bei Krebszellen zu finden sind. Etwa Proteine oder Eiweiße an der Oberfläche der Tumorzellen, die so bei gesunden Zellen nicht vorkommen. So genannte dentritische Zellen sind genau darauf spezialisiert. Sie patrouillieren durch den Körper und fressen alle möglichen körperfremden Stoffe. Dann wandern sie in die Lymphknoten und präsentieren dort ihre Beute. So stimulieren sie das Immunsystems zur Verteidigung. Allerdings: bei Tumoren ist dieser Effekt wegen der Tarnung nur sehr schwach. Deshalb muss den Patrouillen geholfen werden. Joachim Kresken, Vorsitzender der Gesellschaft für Dermopharmazie:

    Ein ganz wesentlicher Ansatz ist eben, dentritische Zellen im Grunde genommen aus dem menschlichen Körper zu isolieren, in verschiedenen Verfahren aufzubereiten und anschließend wieder dem Patienten zurückzugeben, damit der Körper letztendlich mit der Beherrschung dieses Tumors fertig wird und eine Metastasierung, einen Streuung dieses Tumors auf andere Organe ausbleibt.

    Bei schwarzen Hautkrebs gelingt dies noch am besten,, weil die dentritischen Zellen ihre Feinde wenigstens schwach erkennen. Andere Krebsarten haben dafür generell zu wenig Unterscheidungsmerkmale.

    Im Sommer letzten Jahres allerdings war eine gemeinsame Studie verschiedener Forschungszentren zur Krebsbehandlung mit dentritischen Zellen in die Kritik geraten. Schweizer Forscher haben ihre Ergebnisse hochgelobt und Patienten für die kostspielige Therapie abkassiert, obwohl die Resultate in Wahrheit äußerst wage waren. Die Deutsche Krebshilfe hat daraufhin ihre finanzielle Unterstützung eingestellt. Und auch Berger grenzt sich heute ab:

    Gerade jetzt in Erlangen, wir nehmen nicht nur Teil an dieser Multicenterstudie, sondern wir führen auch eigene Studien durch, es ist halt so, in einer Multicenter-Studie muss man den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Und dieser kleinste Nenner beruht natürlich darauf, wie qualifiziert sind die Leute, die diese Zellen herstellen, wie gut sind die Labors ausgestattet, was ist möglich überhaupt. Und da geht natürlich auch, muss man tatsächlich sagen, ein bisschen an der Qualität verloren. Also die dentritischen Zellen, die in einem solchen Verbund verwendet werden, haben nicht die gleiche Qualität, so wie wenn wir die jetzt nach unseren eigenen Maßstäben herstellen.

    Außerdem sei es für Studien zur Wirksamkeit sowieso noch zu zeitig. Momentan gehe es erst mal um Frühphasen, wo die generelle Verträglichkeit und Dosis der Impfung geprüft werden muss. Die Spritzen kosten momentan immerhin um die 10.000 Euro – pro Impfung, und sie müssen wiederholt werden. In der ersten Phase wird alle zwei Wochen geimpft, später sind längere Abstände möglich, mit bis zu zwei Impfungen im Jahr. Berger plädiert für eine lebenslange Impftherapie, weil niemand weiß, wann sie wirklich überflüssig ist. Selbst nach 15 oder 20 Jahren kann es beim schwarzen Hautkrebs noch zu Metastasen kommen. Gern würden die Forscher ihre dentritischen Zellen allerdings schon in früheren Krebsstadien testen. Dann sind die Tumorzellen genetisch noch nicht so ausdifferenziert und damit leichter zu bekämpfen.

    Im weiteren Verlauf würde ich mir wünschen, dass man eine quasi prophylaktische Vakzinieung findet, also dass man Patienten in einer Phase impft, wo sie noch nicht schwer krank sind. Wo sie vielleicht ein Hochrisiko-Melanom hatten, das man operativ sanieren kann, und dass man dann im weiteren Verlauf diese Patienten mit einer Impfung soweit immunologisch stimuliert. dass sie mit dem möglicherweise vorhandenen Rest-Tumorzellen selber fertig werden. Das ist natürlich das Ziel und das ist auch das Ziel der gesamten Vakzinierung, dass man also in der Situation vakziniert, wo die Erkrankung noch nicht zum Ausbruch gekommen ist.