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"Importierte Güter würden auch einer CO2-Steuer unterworfen"

Bei einem länderspezifischen CO2-Fußabdruck würden Importgüter ebenso besteuert, wie Exportgüter des Landes aus der Bilanz gestrichen. Diese Steuer würde die Wettbewerbseffekte einer einseitigen Klimapolitik etwas entschärfen, sagt Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut in München.

Gabriel Felbermayr im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Die großen Industriestaaten und Schwellenländer werden auf der bevorstehenden UN-Klimakonferenz im südafrikanischen Durban erneut darum pokern, wer verbindliche und wirksame Maßnahmen ergreift, um den eigenen CO2-Ausstoß zu vermindern. Bisher messen die Staaten ein jeder für sich, wie viel CO2 sie innerhalb ihrer Grenzen ausstoßen. An diesen Messergebnissen orientieren die Staaten dann auch ihre Einsparbemühungen. So hat die Europäische Union Obergrenzen (allerdings sehr großzügige) für den CO2-Ausstoß eingeführt und die Industrie bekam Verschmutzungsrechte, Emissionszertifikate, anfangs zugeteilt, mittlerweile muss sie die kaufen. - Gabriel Felbermayr ist Professor für Volkswirtschaft an der Universität München und forscht auch für das Münchner Ifo-Institut. Herr Felbermayr, Sie sagen, die bisherige Art, nationale CO2-Einsparungen zu messen, sei völlig irreführend und spiegele nicht den tatsächlichen Ausstoß eines Staates wieder. Warum?

    Gabriel Felbermayr: Wir leben in einer globalisierten Welt und was wir in Deutschland konsumieren, wird immer mehr im Ausland hergestellt und bei dieser Produktion im Ausland entsteht dann eben auch CO2. Und deswegen ist die Frage, was Deutschland an CO2-Ausstoß für das Weltklima verursacht, nicht dadurch zu klären, dass man guckt, was durch deutsche Schornsteine geht, sondern man muss fragen, was wird insgesamt durch den deutschen Konsum in der Welt an CO2-Emissionen verursacht. Und um das zu tun, muss man abweichen von den nationalen Emissionen, denn diese enthalten ja eben nicht die importierten Emissionen, solche, die sozusagen in Indien oder China angefallen sind.

    Reimer: Also das Spielzeug, was in China produziert worden ist und mit dem meine Kinder spielen?

    Felbermayr: Genau.

    Reimer: Wie könnten die Staaten denn ihren CO2-Ausstoß realistischer abbilden?

    Felbermayr: Da schlagen wir ein Konzept vor, das in der Literatur auch schon diskutiert wird und das man mit CO2-Fußabdruck umschreiben könnte. Der CO2-Fußabdruck misst dann eben den CO2-Ausstoß, der insgesamt in Deutschland verursacht wurde, also das CO2, das im Kinderspielzeug aus China enthalten ist, oder das CO2, den wir ausstoßen, wenn wir Stahl in deutsche Autos verbauen, der aus Indien kommt, und das deutsche Auto dann in Deutschland verkaufen. Gleichzeitig würde man aber dann auch den CO2-Ausstoß, der in Deutschland anfällt, aber letztlich für ausländische Konsumenten emittiert wird, den würden wir aus dem Fußabdruck herausrechnen.

    Reimer: Jetzt sagen Sie, diese Art der Berechnungsmethode könnte auch die Kompromissbereitschaft bei den Klimaverhandlungen erhöhen. Nach Ihrer Berechnungsmethode würde ja die CO2-Bilanz Chinas dann deutlich freundlicher ausfallen, aber die der USA zum Beispiel noch desaströser aussehen. Wieso sollte das jetzt die Verhandlungen erleichtern?

    Felbermayr: Das große Argument der Amerikaner gegen Kyoto war ja immer, solange die Chinesen nicht mitmachen oder die Inder oder die Brasilianer, Klimapolitik in den USA zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde, denn die Importe würden nicht einer CO2-Steuer unterworfen sein, aber was die Amerikaner in die Welt exportieren, würde eben durch die Klimapolitik belastet sein. Das stimmt aber nur, wenn man auf nationale Emissionen abstellt. Wenn man den CO2-Fußabdruck besteuern würde, dann würde man an der Grenze Vorkehrungen treffen müssen. Das heißt, die importierten Güter würden eben auch einer Carbonsteuer, einer CO2-Steuer unterworfen werden, oder aber man müsste Zertifikate für diese Importe kaufen, und das würde eben die Wettbewerbseffekte einer einseitigen Klimapolitik etwas entschärfen und dem Argument der Amerikaner würde dann der Boden entzogen. Das gleiche gilt natürlich auch für andere Länder, die sich bisher gespreizt haben.

    Reimer: Was würde denn Ihr Ansatz für das europäische Handelssystem für Emissionsrechte bedeuten?

    Felbermayr: In Europa muss man Zertifikate kaufen. Die Industrie muss Zertifikate kaufen. Wenn eine Tonne Stahl hergestellt werden muss, müssen eben entsprechend dem CO2-Ausstoß, der dahinter steht, Zertifikate gekauft werden. Importierter Stahl ist dem Emissionshandel bisher nicht unterworfen. Unser System würde vorsehen, dass eben auch für den importierten Stahl Zertifikate gekauft werden müssen, entsprechend des CO2-Ausstoßes, der notwendig war, um diese importierte Tonne Stahl herzustellen, in China oder Indien.

    Reimer: Hierzulande klagen Klimaschützer als auch das Bundesumweltministerium, das ja eine Energiewende auch finanzieren muss, dass die Tonne CO2 viel zu billig zu haben ist. Australien dagegen will gar nicht über die Finanzmärkte gehen, sondern eine Steuer auf CO2 einführen. Ist es das bessere System, das sicherere System?

    Felbermayr: Darüber wird schon lange gestritten. Heute würde man sagen, über die Finanzmärkte zu gehen ist risikoreich. Wir haben vor ein, zwei Jahren noch eine Blase gehabt, da schien der Preis für CO2 zu hoch zu sein auf den Märkten; heute ist er zu niedrig. Die Finanzmärkte - das haben wir leidvoll erfahren - sind nicht immer perfekt, da passiert auch Unfug. Insofern ist eine Lehre der Finanzmarktkrise vielleicht, über die Steuer zu gehen, wie die Australier das machen wollen, eine gute Option wäre.

    Reimer: Gabriel Felbermayr vom Münchner Ifo-Institut fordert eine neue Berechnungsmethode für den CO2-Ausstoß von Staaten.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.