Nur langsam kehrt in Khao Lak wieder der Alltag ein. Die Ortschaft war einst eine touristische Hochburg in der Provinz Phang Nga. Die Menschen hier sind immer noch damit beschäftigt, ihre Häuser und Ferienanlagen wieder aufzubauen. Sie sind unermüdlich: Oft arbeiten sie den ganzen Tag und die halbe Nacht. In der Provinz Phang Nga, die nördlich der Urlauberinsel Phuket liegt, hat der Tsunami am schwersten gewütet. Viele Fischerdörfer und Hotels wurden damals von der verheerenden Flutwelle mitgerissen. Hier starben auch die meisten Menschen, sowohl Einheimische als auch ausländische Touristen. Trotz allem hat Chitladda Sornin, die Managerin eines Strandresorts, nie den Mut verloren:
"Unser Resort war zu 100 Prozent zerstört, wir haben Gäste, Mitarbeiter und Familienangehörige verloren. Aber wir hatten uns bereits zwei Wochen nach der Flut entschieden, alles wieder aufzubauen. Viele Menschen kommen uns besuchen, manche einfach um zu sehen, was hier passiert ist und andere, um hier wieder Urlaub zu machen."
Etwa 6000 Hotel- und Bungalowzimmer hatte Khao Lak ursprünglich anzubieten, derzeit sind erst 20 Prozent der Unterkünfte wieder aufgebaut. Manche der Inhaber haben dafür einen Billigkredit der Regierung in Anspruch genommen. Doch diese Kredite versiegten irgendwann; die Banken wollen den Eigentümern von Ferienbungalows und Hotels zwar finanzielle Hilfe gewähren, aber nur zu höheren Zinsen. Viele waren nicht imstande, mehr als ein oder zwei Prozent an Zinsen zu zahlen, für die Zukunft ihrer Strandresorts sehen sie daher schwarz. Wiederum andere wollten sich weder auf die Regierung noch auf die Banken verlassen und finanzierten den Wiederaufbau mit eigenen Ersparnissen.
Dass Khao Lak sich nur mühsam erholt, spüren auch die wenigen Urlauber, die bislang aus dem Ausland angereist sind. Einige von ihnen haben Khao Lak noch kurz vor dem Tsunami besucht, sind der Katastrophe knapp entronnen und haben dann die Berichterstattung über die Flutwelle vor dem Fernseher verfolgt. Viele wissen, dass die Region ohne die Unterstützung der Touristen nicht wieder auf die Beine kommen wird. Wer wieder hierher reist, tut dies oft mit gemischten Gefühlen:
"Es war ziemlich schlimm, und wir haben aber gesagt, wir wollen zurückkommen, die Leute bauen wieder auf. Wenn keine Touristen kommen, können sie auch nicht existieren, ich glaube, das ist die beste Hilfe, ich meine, wenn keine Touristen kommen, haben sie keine Verdienstmöglichkeit."
"Ja, es ist schon sehr bedrückend, das wieder zu sehen, vor allem, weil viel kaputt ist, und man sieht natürlich auch, dass die Touristen noch nicht wieder da sind. Es ist relativ leer hier, was man von Thailand eigentlich so nicht kennt. Wenn man hier über den Strand geht, denkt man halt schon darüber nach, dass vor knapp einem Jahr halt doch viele Tote hier waren, es ist schon bedrückend und man weiß nicht, was man eigentlich fühlen soll. Man wird nachdenklich und hofft natürlich, dass es auch den Leuten hier vor Ort irgendwann mal wieder besser geht. Wie sie selbst einmal gesagt haben, die Thais, das Beste, was man machen kann, ist, dass die Leute halt wiederkommen."
"Es ist halt noch sehr, sehr viel Arbeit, was man hier noch sieht, ein neues Hotel, ein kaputtes Hotel, ein neues Hotel, es ist halt noch wahnsinnig viel zu tun und deswegen mit gutem Beispiel voran, Tourismus soll herkommen, um denen hier zu helfen."
Weil zu viel durch den Tsunami zerstört worden war, habe man in diesem Jahr noch nicht für Khao Lak geworben, hatte die zuständige Tourismusbehörde auf Phuket neulich laut einem Bericht der Tageszeitung "The Nation" erklärt. Stattdessen hat es die meisten ausländischen Gäste zur jetzigen Wintersaison wieder auf die Ferieninsel Phuket gezogen. Mehrere Strände, unter anderem der unter Touristen beliebte Patong-Strand, waren durch die Flutwelle schwer getroffen worden.
Allerdings war das Ausmaß der Zerstörung auf der Insel in weiten Teilen längst nicht so drastisch wie im nördlicher gelegenen Khao Lak. Die Behörden auf Phuket hatten sich mit den Aufräumarbeiten immens beeilt: Innerhalb weniger Wochen waren die Spuren des Tsunami dort bereits getilgt. Doch die Urlauber mochten viele Monate lang einfach nicht an die Südwestküste Thailands zurückkehren: Zu groß war die Angst vor einer neuen Flutwelle, zu beklemmend auch das Gefühl, an einen Ort zurückzukehren, an dem so viele Menschen ums Leben gekommen waren. Angst vor den Geistern der Toten haben vor allem die ostasiatischen Besucher davon abgehalten, nach Thailand zurückzukehren. Daran hatten auch alle von Thailands Tourismusbehörde veranstalteten spirituellen Zeremonien zur Geisterbesänftigung nichts geändert.
Ein Rückblick: Die Besucherzahlen waren – selbst für die jährliche Nebensaison zwischen April und September - drastisch in den Keller gegangen. Im Juni 2005 lag die durchschnittliche Auslastung der Provinzen Phuket, Phang Nga und Krabi bei etwa 20 Prozent. Im Jahr davor waren es noch gut 60 Prozent. Nur etwa 35 Flugzeuge pro Woche landeten in diesem Frühsommer auf dem Internationalen Flughafen von Phuket, während es in der Nebensaison 2004 immerhin noch 190 Ferienflieger waren. Für die Geschäftswelt war die Flaute des Jahres 2005 fatal: Vor dem Tsunami zog allein Phuket drei bis vier Millionen Besucher jährlich an.
Die Insel erwirtschaftete dadurch umgerechnet zwei Milliarden US-Dollar im Jahr. Generell ist der Tourismus einer der wichtigsten Devisenbringer für Thailand, zuletzt betrug dessen Anteil am Bruttosozialprodukt rund sechs Prozent. Behörden und Tourismusanbieter rechneten lange Zeit nicht mit einer raschen Erholung in den Tsunami-Gebieten. Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Nach Phuket kehrten bereits Anfang Dezember mehr als 60 Prozent der Touristen zurück, die Buchungszahlen über Weihnachten und Neujahr noch nicht mitgerechnet. Suwalai Pinpradab, Direktorin der Tourismusbehörde auf Phuket, zeigte sich erfreut:
"Die Lage hier ist jetzt viel besser geworden, es ging alles viel schneller als gedacht. Die meisten Touristen, die zurückkommen, sind Kunden aus Europa."
Südöstlich von Phuket liegt eine Inselgruppe, die der Tsunami vergleichsweise gering getroffen hat. Der Distrikt Ko Lanta besteht aus 53 Inseln. Er gehört zur Provinz Krabi und ist ebenfalls Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. Auch hier waren die Aufräumarbeiten zügig vorangekommen. Die Gäste kommen wieder, mit der Anzahl der Anfang Dezember angereisten Urlauber ist der Chef der Distriktverwaltung von Ko Lanta, Prasit Poochatwanitkul, sehr zufrieden:
"Dadurch, dass Ko Lanta relativ wenig betroffen war gegenüber anderen Inseln und Regionen, waren wir hier nach zwei bis drei, eigentlich schon nach ein bis zwei Wochen bereit, wieder Touristen aufzunehmen. Zurzeit ist es so, dass etwa 80 Prozent der Touristen wieder zurückgekommen sind, und wenn man sich die Buchungszahlen über Weihnachten und Neujahr anschaut, sind wir schon fast wieder bei 100 Prozent. Ko Lanta hat damit so ziemlich wieder den Normalzustand erreicht."
Trotzdem wollten die Behörden von Ko Lanta nach dem Tsunami nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Menschen in der Region sind nachdenklich geworden. Eine Flutwelle lässt sich zwar nicht verhindern, aber durch gezielte Maßnahmen immerhin abmildern. In einem Fünf-Jahres-Plan zur nachhaltigen Entwicklung wurde beispielsweise naturnaher Tourismus längst als einer der wichtigsten Punkte benannt. Der Tsunami hat den Plänen einen zusätzlichen Schub gegeben, betont Distriktverwaltungschef Prasit Poochatwanitkul:
"Wir haben die Krise als Chance genutzt und wir haben schon kurz nach der Katastrophe versucht, den Leuten zu zeigen, wie Mangroven als Schutzwall gegen einen Tsunami dienen können. Unsere Arbeit ist dadurch erleichtert worden, weil die Leute jetzt einen bewussteren und leichteren Zugang zu diesem naturnahen Tourismus haben."
Zurück in der Provinz Phang Nga: Hilfe zur Selbsthilfe – das ist das wichtigste Motto, um den Tourismus neu zu beleben. Dafür steht auch die Initiative "Willi hilft" des Deutsch-Thailänders Willi Kothny. Im Dorf Bangsak, nur wenige Kilometer von Khao Lak entfernt, sind seit der Flutwelle rund 43 neue Häuser entstanden. Hier wohnen hauptsächlich die Moken oder Morgans, wie sich die Seezigeuner auch nennen. Mit Unterstützung von "Willi hilft" bauen diese außerdem ihr eigenes Resort auf, in dem sie demnächst Touristen begrüßen wollen. Einen sanften, einen umweltfreundlichen Tourismus möchten sie praktizieren, einen, der den ausländischen Besuchern die Natur und das Leben der Moken näher bringen soll. Im Rohbau ist die Ferienanlage fertig, insgesamt umfasst sie 14 Zimmer. Das ganze Projekt wird ausschließlich aus Spenden finanziert. Dazu der Initiator Willy Kothny:
"Unser Ziel ist eigentlich, dass wir mit unserer Hilfe den Leuten zur Selbsthilfe verhelfen wollen. Das heißt, nachdem wir fertig sein werden in Zukunft wird es so sein, dass die Leute mit ihren Booten Touristen rausfahren können zum Fischen, und die Touristen auch hier mit den Leuten übernachten können. Ich möchte einfach, dass die Bewohner hier in Zukunft eine Selbstständigkeit haben, die werden ihr eigenes Business haben."
Ihr eigenes Geschäft neu aufzubauen - das ist für viele Menschen in Khao Lak mit zur wichtigsten Aufgabe geworden. Hilfslieferungen und Gelder sind während des gesamten Jahres nach dem Tsunami längst nicht überall angekommen. Oder sie wurden aufgrund mangelnder Koordination zwei- oder dreifach an einem Ort verteilt. Der Deutsch-Thailänder Willi Kothny über die bis dato unterschiedliche Entwicklung in den vom Tsunami betroffenen Provinzen:
"Khao Lak und Umgebung, würde ich sagen, brauchen noch einige Zeit, um sich zu holen, und ansonsten, die touristischen Zentren, die für die thailändische Wirtschaft wichtig waren, denen wurde eigentlich direkt geholfen, sagen wir zum Beispiel mal Phuket, ja gut, wenigstens wird denen geholfen. Khao Lak war auch eine Hochburg, nur der Punkt ist einfach, ich frag mich auch, warum da noch nicht so ganz geholfen wurde. Hauptsächlich eigentlich nur in diesen touristischen Spaßvierteln, und ich glaube, Khao Lak gehört nicht dazu, zu diesen Spaßvierteln, es ist eher familienorientiertes Ferienmachen. Keine Ahnung, vielleicht ist das nicht genug Profit für die Regierung (lacht ein wenig zum Schluss)."
Chitladda Sornin, die Strandresort-Managerin in Khao Lak, glaubt jedenfalls, dass die Flutwelle das Denken und Fühlen der Menschen wesentlich verändert hat:
"”Vor der Flutwelle war dieser Ort hier sehr populär, vor allem die Resorts hier, und die Menschen hier haben nur an das Geld gedacht, das sie von den Touristen bekommen. Und nach der Welle hat sich das alles total verändert, innerhalb von nur zehn Minuten. Jeder war zunächst völlig schockiert darüber, was mit allen passiert ist, die Zeit danach war sehr traurig. Nach all dem wissen die Menschen jetzt, dass sie sich um die Zukunft kümmern müssen. Ein Effekt der Welle war zumindest, dass sie jetzt nicht allzu viel erwarten oder nur an das Geld der Touristen denken, sondern alles langsamer angehen. Es ist schwierig, das auszudrücken, aber ich denke, sie haben etwas über das Leben gelernt und dass im Leben alles passieren kann.""
Nächstes Jahr um diese Zeit, so schätzen die zuständigen Tourismusverbände, werden in Khao Lak und Umgebung bestimmt schon 60 Prozent der Ferienunterkünfte wieder aufgebaut sein. Dann müssen nur noch die Urlauber zurückkommen.
Redakteur am Mikrophon:
Soweit der Blick nach Thailand. In Aceh, Indonesien, traf es eine Region, die seit Jahren unter einem Bürgerkrieg litt. In diesem Jahr hat der Wiederaufbau auch erst schleppend begonnen, wie unser Korrespondent Gerd Wolff beschreibt, aber dort wurde die Stunde für einen Versuch genutzt, auch den Bürgerkrieg endlich zu beenden.
In Meulaboh, der zweitgrößten Stadt an Acehs Westküste, wirft der alte Mann noch ein paar Zitronenscheiben in die trübe Brühe, die in einem Wasserglas schwappt. Das Gebräu und der monotone Gesang des muslimischen Heilers sollen Hasnis Ehemann wieder gesund werden lassen, der schon seit Wochen nicht mehr spricht. Das Ehepaar teilt sich vier Quadratmeter Raum in einem Barackenlager. Zusammen mit sieben anderen Familien konnten sich Hasni und ihr Mann unter UNICEF-Zeltplanen auf ein paar Bambusmatten einrichten. Wind und Regen beuteln die Bewohner, Kinder quäken, kein Erwachsener hat etwas zu tun - außer zu warten. Hier im Lager habe man dank internationaler Hilfe Wasser und Nahrung, Latrinen und eine Müllabfuhr, aber eine Zukunft?
"Wir wissen nicht, wen wir ansprechen sollen. Die Hilfsorganisationen versprechen uns neue Häuser, aber es passiert nichts. Unser eigenes Stück Land ist nicht weit von hier, und trotzdem leben wir hier im Lager."
30.000 Häuser für die Obdachlosen sollten bis Ende des Jahres gebaut werden, 11.000 sind fertig, an 14.000 wird gewerkelt. Viele der Menschen, die den Tsunami an Acehs Westküste überlebten, sind mürbe. Hilfsorganisationen wie die "Ärzte ohne Grenzen" registrieren eine steigende Anzahl von Trauma-Patienten. Auch Schulkinder, so berichten es die Lehrer, fielen häufiger durch Gemeinheiten und Unarten auf als früher. Über Aceh hat sich ein Netz der Unterstützung gespannt. Die allermeisten hat es nach dem Tsunami aufgefangen.
Die Katastrophe nach der Katastrophe sei ausgeblieben, versichern die Vertreter der Hilfsorganisationen nicht ohne Stolz. 1,2 Milliarden US-Dollar an internationalen Geldern, so ist es in indonesischen Angaben zu lesen, wurden bislang in der Provinz investiert. Weitere Milliarden werden folgen. Insgesamt 130.000 Privathäuser sollen wiederaufgebaut werden, und 1.200 Schulen neu entstehen, so beschreibt es jedenfalls die Hochglanzbroschüre, die die Acehnesische Wiederaufbaubehörde BRR gerade veröffentlicht hat.
Das neue Aceh wird darin als geostrategischer Mittelpunkt einer Region geschildert, die sich von der arabischen Halbinsel bis nach Japan erstreckt. Große Pläne. Tatsache ist, dass das Ernährungsprogramm der Vereinten Nationen gerade seine Lebensmittelhilfe für Aceh bis 2007 verlängern musste. Erst Mitte Oktober kritisierte Jan Egeland, der Chef der UN-Nothilfe, die mangelhafte Koordination beim Wiederaufbau. 500 internationale Hilfsorganisationen hatten sich unmittelbar nach der Katastrophe in Aceh niedergelassen, ein Jahr später sind noch immer rund 250 Gruppen vor Ort.
Jeden Dienstagabend treffen sich im Verbindungsbüro des Auswärtigen Amtes in Banda Aceh die Vertreter der deutschen Hilfsteams. Viele spüren einen seltsamen Druck, sich vor den Spendern rechtfertigen zu müssen. So viele Gelder aus Deutschland, und zwölf Monate danach noch immer nur Umbruch und kein abgeschlossener Wiederaufbau. Es sei vielleicht nicht alles erreicht worden, aber immerhin sei viel passiert, heißt es immer wieder. Die Gründe für die Verzögerung sind offenbar. Angesichts der Katastrophe vermischten sich Nothilfe, Rekonstruktionsbemühungen und traditionelle Entwicklungszusammenarbeit.
Tausende Freiwillige reisten an und sicherten sich Projekte, niemand hatte einen Gesamtüberblick über die tatsächlichen Bedürfnisse. Landrechts- und Erbfragen türmten sich, da drohte die indonesische Regierung den internationalen Helfern im Frühjahr auch noch mit Rauswurf. Schließlich dauerte es fünf Monate, bis die Wiederaufbaubehörde ihre Arbeit aufnahm und die nötigen Projektgenehmigungen ausstellte. Die vorhandenen Gelder, so sieht es Ralph Dyckerhoff von der Welthungerhilfe, reichten jetzt für den Neubau von Wohnhäusern und öffentlichen Einrichtungen, doch was, so fragt er, ist der große Plan?
"Will man den Zustand vor dem Tsunami eins zu eins wiederherstellen oder b), hat man in so einem Krisen-Konfliktgebiet nach 30 Jahren möglicherweise auch die Chance, Dinge dauerhaft zu verbessern. Wenn man das will, muss man länger bleiben. Dann kann man nicht ein Haus bauen oder einen Brunnen bohren und dann noch einen Aufkleber dranmachen und wieder verschwinden, sondern da muss man schon einige Jahre hierbleiben, und das hat die Welthungerhilfe vor. Aber in drei, vier Jahren wird sich zweigen, wer dann noch hier ist, und wer dann noch aktiv mit den Leuten an ihrer Zukunft arbeitet."
Und irgendwie ganz nebenbei beendeten die Acehnesen im Sommer auch noch einen 30-jährigen Bürgerkrieg. Bis Ende November gab die GAM, die Acehnesische Befreiungsorganisation, die jahrzehntelang für die Abspaltung der Provinz von Indonesien kämpfte, ihre Waffen ab. Wie vereinbart, zogen auch die Indonesier große Teile ihrer Armee und Sonderpolizeieinheiten aus Aceh ab. Dass allein der Tsunami die alten Feinde zum Nachgeben gebracht haben könnte, glaubt niemand. Doch die massive internationale Hilfe, die nach der Katastrophe ins Land floss, förderte wohl die Einsicht auf beiden Seiten, dass sich hier eine allerletzte Chance auf Frieden und auf eine bessere Zukunft bot. Bis zum kommenden Frühjahr soll ein neues Gesetz dazu vorliegen, wie sich Aceh künftig selbst verwalten kann. Die alten Gegner verhandeln - und schießen nicht mehr. Juri Laas, der Sprecher der Aceh-Beobachtermission:
"Beide Parteien nehmen den Friedensprozess ernst, beide akzeptieren die Abmachungen des Memorandums, das nun umgesetzt wird. Natürlich geht das alles nicht über Nacht, aber wir sind zurzeit auf dem richtigen Weg. Die Gespräche haben begonnen, und es gibt Vorschläge, wie wir weitermachen können. Bis haltbare Ergebnisse vorliegen, wird es aber noch dauern. Trotzdem: wir gehen in die richtige Richtung."
Ein Jahr nach dem Tsunami dröhnen die Hammerschläge durch die Dörfer und Städte Acehs. Der Wiederaufbau gewinnt an Schwung. Wohl niemand weiß heute, wie dieser langwierige Prozess enden wird.
"Unser Resort war zu 100 Prozent zerstört, wir haben Gäste, Mitarbeiter und Familienangehörige verloren. Aber wir hatten uns bereits zwei Wochen nach der Flut entschieden, alles wieder aufzubauen. Viele Menschen kommen uns besuchen, manche einfach um zu sehen, was hier passiert ist und andere, um hier wieder Urlaub zu machen."
Etwa 6000 Hotel- und Bungalowzimmer hatte Khao Lak ursprünglich anzubieten, derzeit sind erst 20 Prozent der Unterkünfte wieder aufgebaut. Manche der Inhaber haben dafür einen Billigkredit der Regierung in Anspruch genommen. Doch diese Kredite versiegten irgendwann; die Banken wollen den Eigentümern von Ferienbungalows und Hotels zwar finanzielle Hilfe gewähren, aber nur zu höheren Zinsen. Viele waren nicht imstande, mehr als ein oder zwei Prozent an Zinsen zu zahlen, für die Zukunft ihrer Strandresorts sehen sie daher schwarz. Wiederum andere wollten sich weder auf die Regierung noch auf die Banken verlassen und finanzierten den Wiederaufbau mit eigenen Ersparnissen.
Dass Khao Lak sich nur mühsam erholt, spüren auch die wenigen Urlauber, die bislang aus dem Ausland angereist sind. Einige von ihnen haben Khao Lak noch kurz vor dem Tsunami besucht, sind der Katastrophe knapp entronnen und haben dann die Berichterstattung über die Flutwelle vor dem Fernseher verfolgt. Viele wissen, dass die Region ohne die Unterstützung der Touristen nicht wieder auf die Beine kommen wird. Wer wieder hierher reist, tut dies oft mit gemischten Gefühlen:
"Es war ziemlich schlimm, und wir haben aber gesagt, wir wollen zurückkommen, die Leute bauen wieder auf. Wenn keine Touristen kommen, können sie auch nicht existieren, ich glaube, das ist die beste Hilfe, ich meine, wenn keine Touristen kommen, haben sie keine Verdienstmöglichkeit."
"Ja, es ist schon sehr bedrückend, das wieder zu sehen, vor allem, weil viel kaputt ist, und man sieht natürlich auch, dass die Touristen noch nicht wieder da sind. Es ist relativ leer hier, was man von Thailand eigentlich so nicht kennt. Wenn man hier über den Strand geht, denkt man halt schon darüber nach, dass vor knapp einem Jahr halt doch viele Tote hier waren, es ist schon bedrückend und man weiß nicht, was man eigentlich fühlen soll. Man wird nachdenklich und hofft natürlich, dass es auch den Leuten hier vor Ort irgendwann mal wieder besser geht. Wie sie selbst einmal gesagt haben, die Thais, das Beste, was man machen kann, ist, dass die Leute halt wiederkommen."
"Es ist halt noch sehr, sehr viel Arbeit, was man hier noch sieht, ein neues Hotel, ein kaputtes Hotel, ein neues Hotel, es ist halt noch wahnsinnig viel zu tun und deswegen mit gutem Beispiel voran, Tourismus soll herkommen, um denen hier zu helfen."
Weil zu viel durch den Tsunami zerstört worden war, habe man in diesem Jahr noch nicht für Khao Lak geworben, hatte die zuständige Tourismusbehörde auf Phuket neulich laut einem Bericht der Tageszeitung "The Nation" erklärt. Stattdessen hat es die meisten ausländischen Gäste zur jetzigen Wintersaison wieder auf die Ferieninsel Phuket gezogen. Mehrere Strände, unter anderem der unter Touristen beliebte Patong-Strand, waren durch die Flutwelle schwer getroffen worden.
Allerdings war das Ausmaß der Zerstörung auf der Insel in weiten Teilen längst nicht so drastisch wie im nördlicher gelegenen Khao Lak. Die Behörden auf Phuket hatten sich mit den Aufräumarbeiten immens beeilt: Innerhalb weniger Wochen waren die Spuren des Tsunami dort bereits getilgt. Doch die Urlauber mochten viele Monate lang einfach nicht an die Südwestküste Thailands zurückkehren: Zu groß war die Angst vor einer neuen Flutwelle, zu beklemmend auch das Gefühl, an einen Ort zurückzukehren, an dem so viele Menschen ums Leben gekommen waren. Angst vor den Geistern der Toten haben vor allem die ostasiatischen Besucher davon abgehalten, nach Thailand zurückzukehren. Daran hatten auch alle von Thailands Tourismusbehörde veranstalteten spirituellen Zeremonien zur Geisterbesänftigung nichts geändert.
Ein Rückblick: Die Besucherzahlen waren – selbst für die jährliche Nebensaison zwischen April und September - drastisch in den Keller gegangen. Im Juni 2005 lag die durchschnittliche Auslastung der Provinzen Phuket, Phang Nga und Krabi bei etwa 20 Prozent. Im Jahr davor waren es noch gut 60 Prozent. Nur etwa 35 Flugzeuge pro Woche landeten in diesem Frühsommer auf dem Internationalen Flughafen von Phuket, während es in der Nebensaison 2004 immerhin noch 190 Ferienflieger waren. Für die Geschäftswelt war die Flaute des Jahres 2005 fatal: Vor dem Tsunami zog allein Phuket drei bis vier Millionen Besucher jährlich an.
Die Insel erwirtschaftete dadurch umgerechnet zwei Milliarden US-Dollar im Jahr. Generell ist der Tourismus einer der wichtigsten Devisenbringer für Thailand, zuletzt betrug dessen Anteil am Bruttosozialprodukt rund sechs Prozent. Behörden und Tourismusanbieter rechneten lange Zeit nicht mit einer raschen Erholung in den Tsunami-Gebieten. Doch mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Nach Phuket kehrten bereits Anfang Dezember mehr als 60 Prozent der Touristen zurück, die Buchungszahlen über Weihnachten und Neujahr noch nicht mitgerechnet. Suwalai Pinpradab, Direktorin der Tourismusbehörde auf Phuket, zeigte sich erfreut:
"Die Lage hier ist jetzt viel besser geworden, es ging alles viel schneller als gedacht. Die meisten Touristen, die zurückkommen, sind Kunden aus Europa."
Südöstlich von Phuket liegt eine Inselgruppe, die der Tsunami vergleichsweise gering getroffen hat. Der Distrikt Ko Lanta besteht aus 53 Inseln. Er gehört zur Provinz Krabi und ist ebenfalls Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. Auch hier waren die Aufräumarbeiten zügig vorangekommen. Die Gäste kommen wieder, mit der Anzahl der Anfang Dezember angereisten Urlauber ist der Chef der Distriktverwaltung von Ko Lanta, Prasit Poochatwanitkul, sehr zufrieden:
"Dadurch, dass Ko Lanta relativ wenig betroffen war gegenüber anderen Inseln und Regionen, waren wir hier nach zwei bis drei, eigentlich schon nach ein bis zwei Wochen bereit, wieder Touristen aufzunehmen. Zurzeit ist es so, dass etwa 80 Prozent der Touristen wieder zurückgekommen sind, und wenn man sich die Buchungszahlen über Weihnachten und Neujahr anschaut, sind wir schon fast wieder bei 100 Prozent. Ko Lanta hat damit so ziemlich wieder den Normalzustand erreicht."
Trotzdem wollten die Behörden von Ko Lanta nach dem Tsunami nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Die Menschen in der Region sind nachdenklich geworden. Eine Flutwelle lässt sich zwar nicht verhindern, aber durch gezielte Maßnahmen immerhin abmildern. In einem Fünf-Jahres-Plan zur nachhaltigen Entwicklung wurde beispielsweise naturnaher Tourismus längst als einer der wichtigsten Punkte benannt. Der Tsunami hat den Plänen einen zusätzlichen Schub gegeben, betont Distriktverwaltungschef Prasit Poochatwanitkul:
"Wir haben die Krise als Chance genutzt und wir haben schon kurz nach der Katastrophe versucht, den Leuten zu zeigen, wie Mangroven als Schutzwall gegen einen Tsunami dienen können. Unsere Arbeit ist dadurch erleichtert worden, weil die Leute jetzt einen bewussteren und leichteren Zugang zu diesem naturnahen Tourismus haben."
Zurück in der Provinz Phang Nga: Hilfe zur Selbsthilfe – das ist das wichtigste Motto, um den Tourismus neu zu beleben. Dafür steht auch die Initiative "Willi hilft" des Deutsch-Thailänders Willi Kothny. Im Dorf Bangsak, nur wenige Kilometer von Khao Lak entfernt, sind seit der Flutwelle rund 43 neue Häuser entstanden. Hier wohnen hauptsächlich die Moken oder Morgans, wie sich die Seezigeuner auch nennen. Mit Unterstützung von "Willi hilft" bauen diese außerdem ihr eigenes Resort auf, in dem sie demnächst Touristen begrüßen wollen. Einen sanften, einen umweltfreundlichen Tourismus möchten sie praktizieren, einen, der den ausländischen Besuchern die Natur und das Leben der Moken näher bringen soll. Im Rohbau ist die Ferienanlage fertig, insgesamt umfasst sie 14 Zimmer. Das ganze Projekt wird ausschließlich aus Spenden finanziert. Dazu der Initiator Willy Kothny:
"Unser Ziel ist eigentlich, dass wir mit unserer Hilfe den Leuten zur Selbsthilfe verhelfen wollen. Das heißt, nachdem wir fertig sein werden in Zukunft wird es so sein, dass die Leute mit ihren Booten Touristen rausfahren können zum Fischen, und die Touristen auch hier mit den Leuten übernachten können. Ich möchte einfach, dass die Bewohner hier in Zukunft eine Selbstständigkeit haben, die werden ihr eigenes Business haben."
Ihr eigenes Geschäft neu aufzubauen - das ist für viele Menschen in Khao Lak mit zur wichtigsten Aufgabe geworden. Hilfslieferungen und Gelder sind während des gesamten Jahres nach dem Tsunami längst nicht überall angekommen. Oder sie wurden aufgrund mangelnder Koordination zwei- oder dreifach an einem Ort verteilt. Der Deutsch-Thailänder Willi Kothny über die bis dato unterschiedliche Entwicklung in den vom Tsunami betroffenen Provinzen:
"Khao Lak und Umgebung, würde ich sagen, brauchen noch einige Zeit, um sich zu holen, und ansonsten, die touristischen Zentren, die für die thailändische Wirtschaft wichtig waren, denen wurde eigentlich direkt geholfen, sagen wir zum Beispiel mal Phuket, ja gut, wenigstens wird denen geholfen. Khao Lak war auch eine Hochburg, nur der Punkt ist einfach, ich frag mich auch, warum da noch nicht so ganz geholfen wurde. Hauptsächlich eigentlich nur in diesen touristischen Spaßvierteln, und ich glaube, Khao Lak gehört nicht dazu, zu diesen Spaßvierteln, es ist eher familienorientiertes Ferienmachen. Keine Ahnung, vielleicht ist das nicht genug Profit für die Regierung (lacht ein wenig zum Schluss)."
Chitladda Sornin, die Strandresort-Managerin in Khao Lak, glaubt jedenfalls, dass die Flutwelle das Denken und Fühlen der Menschen wesentlich verändert hat:
"”Vor der Flutwelle war dieser Ort hier sehr populär, vor allem die Resorts hier, und die Menschen hier haben nur an das Geld gedacht, das sie von den Touristen bekommen. Und nach der Welle hat sich das alles total verändert, innerhalb von nur zehn Minuten. Jeder war zunächst völlig schockiert darüber, was mit allen passiert ist, die Zeit danach war sehr traurig. Nach all dem wissen die Menschen jetzt, dass sie sich um die Zukunft kümmern müssen. Ein Effekt der Welle war zumindest, dass sie jetzt nicht allzu viel erwarten oder nur an das Geld der Touristen denken, sondern alles langsamer angehen. Es ist schwierig, das auszudrücken, aber ich denke, sie haben etwas über das Leben gelernt und dass im Leben alles passieren kann.""
Nächstes Jahr um diese Zeit, so schätzen die zuständigen Tourismusverbände, werden in Khao Lak und Umgebung bestimmt schon 60 Prozent der Ferienunterkünfte wieder aufgebaut sein. Dann müssen nur noch die Urlauber zurückkommen.
Redakteur am Mikrophon:
Soweit der Blick nach Thailand. In Aceh, Indonesien, traf es eine Region, die seit Jahren unter einem Bürgerkrieg litt. In diesem Jahr hat der Wiederaufbau auch erst schleppend begonnen, wie unser Korrespondent Gerd Wolff beschreibt, aber dort wurde die Stunde für einen Versuch genutzt, auch den Bürgerkrieg endlich zu beenden.
In Meulaboh, der zweitgrößten Stadt an Acehs Westküste, wirft der alte Mann noch ein paar Zitronenscheiben in die trübe Brühe, die in einem Wasserglas schwappt. Das Gebräu und der monotone Gesang des muslimischen Heilers sollen Hasnis Ehemann wieder gesund werden lassen, der schon seit Wochen nicht mehr spricht. Das Ehepaar teilt sich vier Quadratmeter Raum in einem Barackenlager. Zusammen mit sieben anderen Familien konnten sich Hasni und ihr Mann unter UNICEF-Zeltplanen auf ein paar Bambusmatten einrichten. Wind und Regen beuteln die Bewohner, Kinder quäken, kein Erwachsener hat etwas zu tun - außer zu warten. Hier im Lager habe man dank internationaler Hilfe Wasser und Nahrung, Latrinen und eine Müllabfuhr, aber eine Zukunft?
"Wir wissen nicht, wen wir ansprechen sollen. Die Hilfsorganisationen versprechen uns neue Häuser, aber es passiert nichts. Unser eigenes Stück Land ist nicht weit von hier, und trotzdem leben wir hier im Lager."
30.000 Häuser für die Obdachlosen sollten bis Ende des Jahres gebaut werden, 11.000 sind fertig, an 14.000 wird gewerkelt. Viele der Menschen, die den Tsunami an Acehs Westküste überlebten, sind mürbe. Hilfsorganisationen wie die "Ärzte ohne Grenzen" registrieren eine steigende Anzahl von Trauma-Patienten. Auch Schulkinder, so berichten es die Lehrer, fielen häufiger durch Gemeinheiten und Unarten auf als früher. Über Aceh hat sich ein Netz der Unterstützung gespannt. Die allermeisten hat es nach dem Tsunami aufgefangen.
Die Katastrophe nach der Katastrophe sei ausgeblieben, versichern die Vertreter der Hilfsorganisationen nicht ohne Stolz. 1,2 Milliarden US-Dollar an internationalen Geldern, so ist es in indonesischen Angaben zu lesen, wurden bislang in der Provinz investiert. Weitere Milliarden werden folgen. Insgesamt 130.000 Privathäuser sollen wiederaufgebaut werden, und 1.200 Schulen neu entstehen, so beschreibt es jedenfalls die Hochglanzbroschüre, die die Acehnesische Wiederaufbaubehörde BRR gerade veröffentlicht hat.
Das neue Aceh wird darin als geostrategischer Mittelpunkt einer Region geschildert, die sich von der arabischen Halbinsel bis nach Japan erstreckt. Große Pläne. Tatsache ist, dass das Ernährungsprogramm der Vereinten Nationen gerade seine Lebensmittelhilfe für Aceh bis 2007 verlängern musste. Erst Mitte Oktober kritisierte Jan Egeland, der Chef der UN-Nothilfe, die mangelhafte Koordination beim Wiederaufbau. 500 internationale Hilfsorganisationen hatten sich unmittelbar nach der Katastrophe in Aceh niedergelassen, ein Jahr später sind noch immer rund 250 Gruppen vor Ort.
Jeden Dienstagabend treffen sich im Verbindungsbüro des Auswärtigen Amtes in Banda Aceh die Vertreter der deutschen Hilfsteams. Viele spüren einen seltsamen Druck, sich vor den Spendern rechtfertigen zu müssen. So viele Gelder aus Deutschland, und zwölf Monate danach noch immer nur Umbruch und kein abgeschlossener Wiederaufbau. Es sei vielleicht nicht alles erreicht worden, aber immerhin sei viel passiert, heißt es immer wieder. Die Gründe für die Verzögerung sind offenbar. Angesichts der Katastrophe vermischten sich Nothilfe, Rekonstruktionsbemühungen und traditionelle Entwicklungszusammenarbeit.
Tausende Freiwillige reisten an und sicherten sich Projekte, niemand hatte einen Gesamtüberblick über die tatsächlichen Bedürfnisse. Landrechts- und Erbfragen türmten sich, da drohte die indonesische Regierung den internationalen Helfern im Frühjahr auch noch mit Rauswurf. Schließlich dauerte es fünf Monate, bis die Wiederaufbaubehörde ihre Arbeit aufnahm und die nötigen Projektgenehmigungen ausstellte. Die vorhandenen Gelder, so sieht es Ralph Dyckerhoff von der Welthungerhilfe, reichten jetzt für den Neubau von Wohnhäusern und öffentlichen Einrichtungen, doch was, so fragt er, ist der große Plan?
"Will man den Zustand vor dem Tsunami eins zu eins wiederherstellen oder b), hat man in so einem Krisen-Konfliktgebiet nach 30 Jahren möglicherweise auch die Chance, Dinge dauerhaft zu verbessern. Wenn man das will, muss man länger bleiben. Dann kann man nicht ein Haus bauen oder einen Brunnen bohren und dann noch einen Aufkleber dranmachen und wieder verschwinden, sondern da muss man schon einige Jahre hierbleiben, und das hat die Welthungerhilfe vor. Aber in drei, vier Jahren wird sich zweigen, wer dann noch hier ist, und wer dann noch aktiv mit den Leuten an ihrer Zukunft arbeitet."
Und irgendwie ganz nebenbei beendeten die Acehnesen im Sommer auch noch einen 30-jährigen Bürgerkrieg. Bis Ende November gab die GAM, die Acehnesische Befreiungsorganisation, die jahrzehntelang für die Abspaltung der Provinz von Indonesien kämpfte, ihre Waffen ab. Wie vereinbart, zogen auch die Indonesier große Teile ihrer Armee und Sonderpolizeieinheiten aus Aceh ab. Dass allein der Tsunami die alten Feinde zum Nachgeben gebracht haben könnte, glaubt niemand. Doch die massive internationale Hilfe, die nach der Katastrophe ins Land floss, förderte wohl die Einsicht auf beiden Seiten, dass sich hier eine allerletzte Chance auf Frieden und auf eine bessere Zukunft bot. Bis zum kommenden Frühjahr soll ein neues Gesetz dazu vorliegen, wie sich Aceh künftig selbst verwalten kann. Die alten Gegner verhandeln - und schießen nicht mehr. Juri Laas, der Sprecher der Aceh-Beobachtermission:
"Beide Parteien nehmen den Friedensprozess ernst, beide akzeptieren die Abmachungen des Memorandums, das nun umgesetzt wird. Natürlich geht das alles nicht über Nacht, aber wir sind zurzeit auf dem richtigen Weg. Die Gespräche haben begonnen, und es gibt Vorschläge, wie wir weitermachen können. Bis haltbare Ergebnisse vorliegen, wird es aber noch dauern. Trotzdem: wir gehen in die richtige Richtung."
Ein Jahr nach dem Tsunami dröhnen die Hammerschläge durch die Dörfer und Städte Acehs. Der Wiederaufbau gewinnt an Schwung. Wohl niemand weiß heute, wie dieser langwierige Prozess enden wird.