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In Deutschland nicht mehr geduldet

Ein Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer ist in greifbare Nähe gerückt. Aber für viele Menschen, die lange Jahre in Deutschland gelebt haben, deren Kinder hier geboren wurden und aufgewachsen sind, kommt diese Regelung zu spät. Sie wurden bereits abgeschoben, zum Beispiel in den Kosovo. Dirk Auer berichtet.

    Die Kleinstadt Vushtrii, etwa 30 Kilometer nördlich von Prishtina. Durch das Zentrum zieht dichter Verkehr, zahlreiche Geschäfte säumen die Straßen, es wird überall gebaut. Doch nur ein paar Straßen weiter stehen ausgebrannte Ruinen in ansonsten intakt gebliebenen Wohngebieten, die Häuser der Roma-Gemeinschaft von Vushtrii. Nur noch wenige der ehemaligen Bewohner sind heute noch hier anzutreffen. sie alle sind verängstigt und leben isoliert von der albanischen Bevölkerung.

    Rundgang mit der Familie Gushani. Vater, Mutter und fünf Kinder. Vom früheren Haus der Familie ist nur ein Haufen Schutt übrig geblieben. Vater Andrit zeigt auf sein altes Grundstück:

    "Ich gehabt große Tür hier. Und alles bin gut hier, alles schön, und alles genommen."

    Junge: "Guck mal, was die hier gemacht haben. Hier waren Schafe, Kühe."

    Freiwillig kehrt von den Roma, die aus Vushtrii vertrieben wurden, zurzeit niemand zurück. Die einzigen Neuankömmlinge: abgeschobene Flüchtlinge aus Deutschland, so wie die Gushanis, die eine vorübergehende Unterkunft im Haus eines Bekannten gefunden haben:

    "Mit diesem Monat, den 21. sind wir abgeschoben worden. Letztes Jahr."

    "In Deutschland hatten wir eigentlich ein gutes Leben, wir waren in der Schule und alles. Hier sind wir nicht in der Schule, wir können nicht so gut rausgehen, mit Angst, die sagen, guck mal, wie schwarz der ist, die beschimpfen uns."

    Der 12-jährige Orhan und der 14-jährige Riza gehören zur Minderheit der so genannten Ashkali - albanisch sprechende Roma muslimischen Glaubens. Ihre Eltern sind Anfang der 90er Jahre aus Kosovo geflohen. 14 Jahre haben sie als geduldete Flüchtlinge in Deutschland gelebt. In dieser Zeit sind Orhan und Riza zur Welt gekommen, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Kosovo war für sie lange Zeit ein fremdes Land wie jedes andere auch.

    "Ich wusste nichts von Kosovo. Mama hat immer erzählt, das ist nicht so gut. Deutschland ist meine Heimat."

    "Wo wir nach Kosovo gekommen sind, 3 Monate sind wir nicht rausgegangen, weil wir Angst hatten, nicht mal vor unsere Haustür."

    Das Leben der zurückgebliebenen Ashkali in Vushtrii. Wenn man den Erzählungen glaubt, ist es in jeder Alltagssituation ein Spießroutenlauf, die Ashkali leben in ständiger Angst vor Übergriffen durch extremistische Albaner. Nach deren Ansicht haben Serben, Roma und Ashkali in Kosovo nichts zu suchen.

    "Die internationale Gemeinschaft verbreitet ihre Botschaften: freier Kosovo, schöner Kosovo, paradiesischer Kosovo. Aber das gilt nicht für Roma."

    Sebastijan Serifovic, selbst ein Roma, ist Leiter des Roma- und Ashkali- Dokumentationszentrums in Prishtina. Roma und Ashkali haben so gut wie keine Möglichkeit, einen Job zu finden, erzählt er. Und auch die Sicherheitslage sei weiterhin angespannt, fügt er hinzu.

    "Wir hatten einen Fall von jemandem, der aus Deutschland kam und Romanes am Flughafen sprach, um ein Taxi zu seinem Bruder zu bekommen. Er wurde von einem Albaner geschlagen, nur weil er Romanes sprach. Und das sind die praktischen Erfahrungen. Es ist ziemlich einfach, im Büro zu sitzen und einen schönen Bericht über die Situation in Kosovo zu schreiben. Aber ist Kosovo bereit für die Rückkehr der Roma? Ehrlich gesagt: Kosovo ist nicht mal bereit, auch nur zwei Roma aufzunehmen, die zurückwollen."

    Erst zwei Jahre liegt die letzte große gegen Serben, Roma und Ashkali gerichtete Vertreibungswelle zurück. 4000 Menschen verloren im März 2004 zum zweiten Mal nach dem Kosovo-Krieg Haus und Hof. Eine der Hauptschauplätze der Gewalt war damals Vushtrii. Und so sei es kein Wunder, berichtet Alfried, ein Bekannter der Familie Gushani, der das alles miterlebt hat, dass viele der abgeschobenen Flüchtlinge, die in Vushtrii eintreffen, sofort wieder versuchen nach Deutschland zurückzukehren - illegal. Auf die Frage nach seinen eigenen Plänen zuckt er mit den Schultern. Bisher habe sich noch nichts ergeben. Aber vielleicht, so fügt er mit Blick auf die mögliche Unabhängigkeit Kosovos hinzu, wird er irgendwann einmal keine Wahl mehr haben.

    "Hier kann man nicht bleiben, mit den Albanern. Wird noch ein Krieg, Albaner sagen. Und dann greifen die uns wieder an. Ich bin ganz sicher."