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In Istanbul wird das Wasser knapp

Bisher waren jahrelange Dürren und Wassernot ein Problem vieler Entwicklungsländer, doch auch in Europa kann sich die Lage verändern. Im Zuge des Klimawandels verschärft sich die Situation in erster Linie im Mittelmeerraum. Neben dem ausbleibenden Regen ist der verschwenderische Umgang mit dem Trinkwasser ein Problem.

Von Susanne Güsten | 22.03.2007
    Straßenreinigung a la turca: Mit dem Schlauch spritzt dieser Gemüsehändler in Istanbul die Straße vor seinem Geschäft sauber - und nicht nur er: Für den Besen haben die meisten Türken nicht viel Verwendung. Statt zu fegen, spritzt man Terrassen, Bürgersteige und Straßen hierzulande lieber mit dem Gartenschlauch sauber. Weil es bequemer ist, wie der Gemüsehändler freimütig zugibt:

    "Das hilft auch besser gegen den Staub. Außerdem haben wir das schon immer so gemacht."

    Schade nur, dass dabei jedes Mal tausende Liter Trinkwasser in den Rinnstein laufen, wo es doch ein paar Schwünge mit dem Besen auch getan hätten. Bisher kümmerte das die Istanbuler nicht, doch das muss sich jetzt ändern, wenn sie nicht im Sommer auf dem Trockenen sitzen wollen. Nach einem außergewöhnlich trockenen Winter sind die Wasser-Reservoirs von Istanbul gerade mal halbvoll - und das im März, wo sie eigentlich randvoll sein müssten. Nicht einmal mehr duschen sollten die Istanbuler, warnen die städtischen Wasserwerke. Der Wasserbauingenieur Zekai Sen rechnet es vor:

    "400 Millionen Kubikmeter haben wir noch vorrätig. Istanbul braucht täglich zwei Millionen Kubikmeter. Also reicht das Wasser noch für etwa sechs bis sieben Monate. Nur wenn die Bevölkerung mitmacht und Wasser spart, dann könnte es für acht oder neun Monate reichen, bis zum Beginn der nächsten Regenperiode."

    Ansonsten ist der April die letzte Hoffnung für die Zwölf-Millionen-Stadt, denn danach regnet es am Bosporus auch in fetten Jahren bis zum Herbst nicht mehr. Warum es in diesem Winter einfach nicht regnen wollte, das fragen sich auch die Experten. Zekai Sen:

    "Um das Ausmaß der Trockenheit zu bestimmen, müssten wir uns die vergangenen Jahre ansehen. Vor zwei oder drei Jahren hatten wir diese Probleme jedenfalls noch nicht. Es sieht schon so aus, als würden wir eine Dürreperiode erleben. Ob diese sich im natürlichen Rahmen bewegt oder eine Folge der Erderwärmung ist, das ist natürlich eine wichtige Frage. Um sie jetzt beantworten zu können, hätte man allerdings schon viel früher anfangen müssen, sich damit zu beschäftigen."

    Bisher hatte sich die Türkei keine großen Sorgen um ihre Wasservorräte gemacht. Schließlich verfügt sie landesweit über Wasservorkommen von 1500 Kubikmetern pro Person und Jahr - das ist zwar deutlich weniger als Deutschland mit fast 2300 Kubikmetern, aber auch deutlich über dem Mindestbedarf von 1000 Kubikmetern und insbesondere im Vergleich zum wasserarmen Nahen Osten recht ordentlich. Ziemlich unbekümmert gehen die Türken deshalb mit ihrem Wasser um, klagt Zekai Sen, und das nicht nur in Istanbul:

    "Jeder bohrt Brunnen, wie er will, in Istanbul und in der ganzen Türkei. Wenn einer Gemüse anbauen will, dann bohrt er sich einen Brunnen und zieht wunderbares Gemüse. Aber das Grundwasser müsste eigentlich behütet werden wie ein Baby, das müsste kontrolliert genutzt werden, und das müsste auch vor der Verdunstung bewahrt werden. "

    Nachhaltige Wassernutzung, dieser Gedanke hat sich in der Türkei bisher noch nicht durchsetzen können. Die Umweltorganisation WWF hat errechnet, dass das Land durch unkontrollierten Raubbau in den letzten 40 Jahren rund 1,3 Millionen Hektar an Wasser- und Feuchtgebieten verloren hat. In einigen Teilen des Landes sind so viele illegale Brunnen für die Landwirtschaft im Betrieb, dass ganze Seen austrocknen. Selbst ohne die Effekte des Klimawandels würde die Türkei ernsten Problemen entgegen gehen, sagt die Umweltgruppe voraus. Die staatlichen Wasserwerken sehen ein anderes Problem, wie ihr Experte Selami Oguz sagt:

    "Der Birecik-Staudamm konnte erst mit zwei Jahren Verspätung in Betrieb gehen, weil beim Bau die Kulturgüter von Zeugma gefunden wurden. Der Bau des Ilisu-Staudamms wird schon seit 20 Jahren aufgehalten durch den Streit um die Kulturgüter von Hasankeyf. Wir müssen uns langsam entscheiden: Was ist uns wichtiger - Wasser für die Menschen oder historische Kulturgüter? Die Verteidiger der Kulturschätze behindern die Wasserversorgung für dieses Land."

    So weit müsste man von Istanbul eigentlich gar nicht weg gehen, um nach den Ursachen der Wasserknappheit zu suchen. Rund 30 Prozent des Istanbuler Wassers versickern nach Schätzung der städtischen Wasserwerke aus defekten Rohren und bei schwarzen Nutzern, die nichts dafür bezahlen. Und alleine aus dem Büyükcekmece-See am Stadtrand von Istanbul verdunstet jährlich so viel Wasser, wie die Stadt im Monat braucht. Noch sind die meisten Istanbuler so ungerührt wie der Gemüsehändler:

    "Die Leute werden nie Wasser sparen - selbst wenn das Wasser abgedreht wird, würde keiner sparen."