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In weiter Ferne

In der Frage der Euroeinführung ist in Dänemark noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Nun hat der Fall Griechenland die Angst vor der internationalen Währung weiter geschürt.

Von Marc-Christoph Wagner | 10.05.2010
    Der Kultorvet, der Kohlenmarkt, in der Kopenhagener Innenstadt gestern Nachmittag. Kinderhände schwenken blaugelbe Europaflaggen und Luftballons. Ihre Eltern stehen daneben – mit dampfenden Kaffeepötten und großen Stücken Sahnetorte in der Hand. Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Die EU-Kommission versucht, den Dänen das gemeinsame Europa etwas schmackhafter zu machen. Beim Euro allerdings ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten:

    "Ach, dann müsste man sich an eine neue Währung gewöhnen, müsste alles umrechnen – das will ich nicht. Und wir haben ja gesehen, überall, wo es den Euro gibt, steigen die Preise."

    "Die Griechenlandkrise hat die Fronten hier in Dänemark verschärft. Die Latte für ein Ja zum Euro liegt nun noch höher. Leider, denn ich persönlich befürworte seine Einführung."

    "Bei uns Dänen geht es nicht um wirtschaftliche Argumente. Es geht um die Krone, ums Könighaus, um unsere Souveränität. Die Tatsache, dass die Krone so oder so an den Euro gebunden ist, spielt überhaupt keine Rolle."

    Nur einige Minuten Fußweg entfernt, an der Kopenhagener Universität, sitzt Marlene Wind, Professorin und Leiterin des Zentrums für Europäische Politik. Die Argumente für und wider die Einführung des Euro sind ihr wohl bekannt. Rational, so Wind, aber lasse sich die dänische Eurodebatte nicht verstehen:

    "Erst kürzlich habe ich mit Joschka Fischer über das Thema debattiert und er sagte – entweder ihr Dänen seid masochistisch oder verrückt. Und natürlich ist es ein Paradox, wenn unsere Krone einerseits an den Euro gebunden ist, wir uns andererseits aber einbilden, dass wir außen vorstehen und dadurch eine Selbstständigkeit gegenüber den Eurostaaten bewahren. Das aber ist nicht nur eine Illusion, sondern ein Selbstbetrug."

    Wind ist überzeugt, eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro ist gerade nach der aktuellen Krise in weite Ferne gerückt. Die dänischen Politiker hätten nicht den Mut, die Wähler von den, durchaus vorhandenen, Vorteilen des Euro zu überzeugen – schon gar nicht vor der Parlamentswahl im kommenden Jahr. So direkt möchte Dänemarks konservative Außenministerin Lene Espersen es nicht formulieren. Die Regierung halte an der Einführung der Gemeinschaftswährung fest, sagt sie. Im Moment aber sei die politische Mehrheit dafür nicht vorhanden:

    "Die aktuelle Krise hat doch gezeigt, dass es ein Vorteil war für Griechenland, Mitglied der Währungsunion zu sein. Die griechische Wirtschaft ist in einer katastrophalen Situation, doch durch die Solidarität der anderen Eurostaaten konnte das Schlimmste verhindert werden. Eben darum bin ich davon überzeugt, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werden wir über den Euro abstimmen und ihn einführen."

    Immerhin – auf politischer Ebene zeigt sich Dänemark solidarisch und befürwortet die Einrichtung eines europäischen Beistandsfonds, an dem sich das Land vorbehaltlos beteiligen werde. Darüber hinaus wolle man selbst mit einem guten Beispiel vorangehen, so Finanzminister Claus Hjort Frederiksen, der gestern Abend am Brüssler Krisengipfel teilnahm.

    "Für uns als Regierung gibt es nur eine Medizin – und die heißt, Einnahmen und Ausgaben des Staates in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. In den kommenden drei Jahren werden wir den Gürtel enger schnallen und das heißt sparen."

    Bei der in diesen Tagen diskutierten Kontrolle des eigenen Haushalts durch die EU-Kommission aber zieht der dänische Finanzminister einen dicken Strich. Derlei Einmischung in innere Angelegenheiten werde es mit ihm nicht geben. Und auch EU-Expertin Marlene Wind sieht voraus, dass die Lehren, die derzeit aus der griechischen Krise gezogen werden, die Einführung des Euro in Dänemark eher verzögern:

    "Was dieser Tage in Brüssel passiert, wird den Kritikern des Euro neue Munition liefern. Denn eine koordinierte Finanz- und Haushaltspolitik würde ja bedeuten, dass sich Europa noch mehr in unsere Politik einmischt und bestimmt, wie der Haushalt auszusehen hat. So etwas passt uns Dänen überhaupt nicht, obwohl – und auch das ist absurd – unsere Regierung seit Jahr und Tag eine striktere Haushaltsdisziplin in den Eurostaaten einfordert."