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Indianer im Südwesten Kolumbiens sichern ihre Existenz mit ökologisch und kulturell angepasster Landwirtschaft

Kolumbien ist ein Land, das vor allem durch Drogenhandel, Gewalt von paramilitärischen - und Guerrillagruppen sowie des Militärs - verbunden mit massiven Vertreibungen der Zivilbevölkerung - Schlagzeilen macht. Unter geht dabei oft, dass es in diesem südamerikanischen Land auch Organisationen und Initiativen gibt, die Vorbildliches leisten - auch im Bereich Umwelt und Landwirtschaft. Zu diesen zählt der Regionale Indio-Rat des Departamentos Cauca CRIC (ph: KRIK). Dieser bereits vor 30 Jahren von acht indianischen Volksgruppen im Süden Kolumbiens gegründete Dachverband setzt sich nicht nur für die Rechte der Ureinwohner ein, sondern auch für eine wirtschaftlich-soziale und ökologische Entwicklung insgesamt. Auf der Expo versucht der CRIC derzeit mit einer Präsentation im Global House und Sonderaktionen im Oktober ein möglichst umfassendes Bild vom Leben der indianischen Bevölkerung im Cauca zu geben. Die Jury der Weltausstellung wählte ein Programm der Organisation als Expo-Projekt aus, in dem die Existenz von Indianerdörfern durch angepasste Landwirtschaft gesichert wird.

Von Peter Esser |
    Das Leben der Indianergemeinden im südkolumbianischen Cauca ist beschwerlich: Rund 60 Prozent ihrer Bevölkerung hat große Schwierigkeiten, die eigene Ernährung zu sichern. Das lag lange Zeit vor allem - und liegt teilweise auch noch heute - daran, dass den indianischen Gemeinschaften ihr Recht auf Selbstbestimmung in ihren ureigensten Gebieten vorenthalten worden ist. Seit Anfang der 80er Jahre setzt sich der Regionale Indiorat CRIC politisch für dieses Recht ein - mit Demonstrationen oder auch der Besetzung der zentralen Durchgangsstraße Panamericana. Mit Erfolg: In der modernen Verfassung Kolumbiens von 1991 ist das Recht auf Selbstverwaltung der Ureinwohner inzwischen verbrieft - wenngleich dessen praktische Durchsetzung noch oft zu wünschen übrig lässt. Auch der intensive Aufbau von Viehzucht - den die Indianerorganisation förderte - diente nicht nur dazu, die unmittelbare Einkommenssituation der Einwohner zu verbessern, sondern ebenso dem Kampf um Land. José Domingo Caldon, Vizepräsident des CRIC, erläutert eine Strategie, die politisch zunächst sehr erfolgreich war, dann aber auch zu ökologischen Problemen führte:

    José Domingo Caldón: Unsere Kühe waren politisch: Um unser Land zurückzubekommen, wurden nicht nur die Leute aktiv, sondern wir mussten auch mit Hilfe des Viehs kämpfen. Daher trieben wir das Vieh mehrerer Bauern auf die umstrittenen Weiden, um so den Besitz unseres Landes zu verteidigen. Dadurch kam es allerdings zu einer Überweidung und viele Wiesen wurden zerstört.

    Der Indiorat zog Konsequenzen. Seit einigen Jahren betreiben rund 250 Familien in einem vom deutschen katholischen Hilfswerk Misereor geförderten Projekt keine extensive Viehwirtschaft mehr, sondern langfristige Ernährungssicherung und ökologisch wie kulturell angepasste Landwirtschaft. Auf vielen Grundstücken blühen jetzt unterschiedliche Obstbäume und wachsen verschiedene Gemüsearten. Geschädigte Zonen werden wieder aufgeforstet, und die Familien lernen, Kleintiere artgerecht zu halten: Hühnerställe und Fischteiche tragen für viele zur Selbstversorgung bei. Projektförderer betrachten es daher als besonders bedeutsam, mit dem Programm einer Entwicklung entgegenzuwirken, die zu stark auf Märkte mit zudem oft preisgünstigeren Konkurrenten ausgerichtet sei. Roberto Rodriguez von der kolumbianischen Entwicklungsorganisation Podion:

    Roberto Rodriguez: In Kolumbien und in Lateinamerika allgemein wird im ländlichen Bereich hauptsächlich gefördert, dass die Leute anbauen, um zu verkaufen, und es wird selten darauf Wert gelegt, dass die Bauern in erster Linie Landwirtschaft betreiben, um die Ernährung der eigenen Familie sicherzustellen.

    Erfolgreiche Initiativen - sei es wie hier in der Landwirtschaft oder in anderen Bereichen wie etwa dem Aufbau eines zweisprachigen Schulsystems in Spanisch und indianischen Sprachen - hätte die Indianerorganisation CRIC allerdings nicht starten können, wenn die rund 90 in ihm vertretenen Gemeinden nicht äußerst gut organisiert wären: So gibt es regelmäßige Vollversammlungen, zu denen Vertreter aus allen Ecken und Winkeln der Region zusammenkommen und deren Beschlüsse in jeder Gemeinde umgesetzt werden. Anna Dirksmeier, Kolumbienreferentin von Misereor, meint daher:

    Anna Dirksmeier: Das ist ein Beispiel, das funktioniert natürlich nicht so einfach in irgendwelchen ländlichen Gemeinden, die in Kolumbien ja auch noch das Problem haben, durch die vielen Vertreibungen und die Gewalt, dass man es nicht mehr mit homogenen gewachsenen bäuerlichen Strukturen zu tun hat, sondern mit einer Gesellschaft, die fraktioniert ist, die aus verschiedenen Landesteilen sich auch von ihrer geographischen Herkunft zusammensetzt, von der Mentalität, wo es sehr schwierig ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Und da können doch zumindest die indianischen Gemeinschaften so etwas wie ein Beispiel sein, dass eben Zusammenleben noch funktioniert.