José Domingo Caldón: Unsere Kühe waren politisch: Um unser Land zurückzubekommen, wurden nicht nur die Leute aktiv, sondern wir mussten auch mit Hilfe des Viehs kämpfen. Daher trieben wir das Vieh mehrerer Bauern auf die umstrittenen Weiden, um so den Besitz unseres Landes zu verteidigen. Dadurch kam es allerdings zu einer Überweidung und viele Wiesen wurden zerstört.
Der Indiorat zog Konsequenzen. Seit einigen Jahren betreiben rund 250 Familien in einem vom deutschen katholischen Hilfswerk Misereor geförderten Projekt keine extensive Viehwirtschaft mehr, sondern langfristige Ernährungssicherung und ökologisch wie kulturell angepasste Landwirtschaft. Auf vielen Grundstücken blühen jetzt unterschiedliche Obstbäume und wachsen verschiedene Gemüsearten. Geschädigte Zonen werden wieder aufgeforstet, und die Familien lernen, Kleintiere artgerecht zu halten: Hühnerställe und Fischteiche tragen für viele zur Selbstversorgung bei. Projektförderer betrachten es daher als besonders bedeutsam, mit dem Programm einer Entwicklung entgegenzuwirken, die zu stark auf Märkte mit zudem oft preisgünstigeren Konkurrenten ausgerichtet sei. Roberto Rodriguez von der kolumbianischen Entwicklungsorganisation Podion:
Roberto Rodriguez: In Kolumbien und in Lateinamerika allgemein wird im ländlichen Bereich hauptsächlich gefördert, dass die Leute anbauen, um zu verkaufen, und es wird selten darauf Wert gelegt, dass die Bauern in erster Linie Landwirtschaft betreiben, um die Ernährung der eigenen Familie sicherzustellen.
Erfolgreiche Initiativen - sei es wie hier in der Landwirtschaft oder in anderen Bereichen wie etwa dem Aufbau eines zweisprachigen Schulsystems in Spanisch und indianischen Sprachen - hätte die Indianerorganisation CRIC allerdings nicht starten können, wenn die rund 90 in ihm vertretenen Gemeinden nicht äußerst gut organisiert wären: So gibt es regelmäßige Vollversammlungen, zu denen Vertreter aus allen Ecken und Winkeln der Region zusammenkommen und deren Beschlüsse in jeder Gemeinde umgesetzt werden. Anna Dirksmeier, Kolumbienreferentin von Misereor, meint daher:
Anna Dirksmeier: Das ist ein Beispiel, das funktioniert natürlich nicht so einfach in irgendwelchen ländlichen Gemeinden, die in Kolumbien ja auch noch das Problem haben, durch die vielen Vertreibungen und die Gewalt, dass man es nicht mehr mit homogenen gewachsenen bäuerlichen Strukturen zu tun hat, sondern mit einer Gesellschaft, die fraktioniert ist, die aus verschiedenen Landesteilen sich auch von ihrer geographischen Herkunft zusammensetzt, von der Mentalität, wo es sehr schwierig ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Und da können doch zumindest die indianischen Gemeinschaften so etwas wie ein Beispiel sein, dass eben Zusammenleben noch funktioniert.