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Industrie - 4.0
Entwickler verlangen mehr Sicherheitsforschung

Wie vielfältig Roboter arbeiten, lässt sich derzeit in München auf der Automatica bewundern, der weltgrößten Messe für Robotik und Automation. Fertigungsspezialisten stellen selbst lernende Roboter und Komponenten für die vierte industrielle Revolution vor, in der künftig alle Maschinen und Produkte miteinander vernetzt sein sollen. Aber auch Sicherheitstechnik ist diesmal ein großes Thema.

Von Peter Welchering | 07.06.2014
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    Fabrikroboter auf der Münchener Messe Automatica 2010 (picture-alliance/dpa)
    "Unter anderem ist die IT-Sicherheit oder die Kommunikationssicherheit einer der wesentlichen Aspekte, wo auch wir sehen, dass das ein sehr neuralgischer Punkt ist, ob Industrie 4.0 ein Erfolg wird oder nicht, dass die Datenübertragung sicher sein muss, sicher nach außen, sicher aber auch nach innen."
    Das sagt Eberhard Klotz vom Automatisierungs- und Robotikspezialisten Festo in Esslingen. Auf der Automatica haben in dieser Woche in München die Fertigungsspezialisten nicht nur selbst lernende Roboter und Komponenten für die vierte industrielle Revolution gezeigt, in der alle Maschinen und Produkte miteinander vernetzt sein sollen. Sie haben vor allen Dingen über Sicherheitskonzepte und Schutzsoftware diskutiert. Warum ist dieses Thema auf der Automatica 2014 so stark geworden, Peter Welchering?
    "Vier Jahre Stuxnet, Scada-Systeme nach wie vor leicht angreifbar mit erheblichen Konsequenzen, allein in 2012 mehr als 200 dokumentierte ernste Zwischenfälle in den USA, vor allen Dingen im Energiesektor. Da muss etwas passieren, bevor wir überhaupt an Industrie 4.0 denken können. Die Automatisierungsbranche hat da sozusagen einen Ruck gemacht. Sicherheit zuerst bei neuen Entwicklungen, ein Trend, den man seit fast einem Jahr beobachten kann. Von der Automatica geht deshalb das klar Signal aus: Ohne Systemsicherheit und Datensicherheit wird diese Branche nicht überleben. Das ist natürlich schon eine ernst gemeinte Warnung. Die aber zu sehr konkreten Konsequenzen und Ergebnissen führt."
    Ohne Sicherheit wird die Branche nicht überleben
    Und dieser Einbau von Sicherheitskomponenten, der war auch bei neuen Konzepten und Projekten deutlich zu sehen in den Münchner Messehallen. Zum Beispiel bei der Smart Automation, der Wartung von Industrieanlagen über das Mobilfunknetz und mittels Smartphone.
    "Wir haben einige leidenschaftliche Programmierer, die unsere Anlagen bei unseren Kunden aufstellen, in Betrieb nehmen und nach der Inbetriebnahme, wenn sie die Baustelle verlassen haben, dann müssen sie noch Service leisten, und diese Inbetriebnehmer, die haben sich mit Android mal auseinandersetzt und haben das in erster Linie für sich selbst entwickelt, um direkt mit der Maschine zu kommunizieren."
    Berichtet Jörg Sommer von der IBG Automation GmbH. Zunächst war das Ganze nur dazu gedacht, bei Betriebsstörungen schneller und gezielter eingreifen zu können. Denn je länger eine Produktionsstraße außer Betrieb ist, um so höher sind die Kosten.
    "In der Anlagensteuerung wurden Sequenzen programmiert. W enn Betriebsstörungen auftreten oder Verzögerungen in Zykluszeiten etc., dann schickt die Anlage selbstständig Informationen an unsere Programmierer. // Das wird jetzt weiter entwickelt, weil unsere Kunden mitbekommen haben, wo die großen Vorteile liegen. D.h. die Instandhalter bekommen dieses Smartphone und sind mit der Anlage, die sie betreuen dann, direkt in Kontakt und können sich im Werk irgendwo aufhalten und werden direkt per E-Mail, SMS benachrichtigt, wenn etwas an einer Anlage auftritt und können sofort eingreifen."
    Von einem Smartphone aus mit Android-Betriebssystem eine millionenschwere Produktionsanlage zu warten und ggf. zu steuern - das kann eine riskante Sache werden. Denn Android gilt nicht gerade als das sicherste Betriebssystem. Deshalb müssen Entwickler hier viel mehr in Sicherheitskonzepte investieren als sonst üblich.
    "Dafür wird immer ein VPN-Tunnel eingerichtet. Es gibt Restriktionen. Die grundsätzliche Möglichkeit besteht auch, etwas zu steuern, momentan sind wir nur beim Beobachten, weil wir wollen die Stabilität des Systems prüfen."
    Umfangreiche Stabilitäts- und Sicherheitsprüfungen
    Solche Stabilitäts- und Sicherheitsprüfungen dauern lange und sind umfangreich geworden. Zusätzlich wollen die Roboterhersteller und Automatisierungsexperten mehr Sicherheit durch Open-Source-Systeme schaffen. Denn bei Open Source liegt der Quellcode offen, viele unabhängige Experten können ihn prüfen, um so rasch Schwachstellen und Sicherheitslücken zu finden und zu schließen. Deshalb bauen die wichtigsten Forschungseinrichtungen und Unternehmen der Automatisierungsbranche gerade ein Open-Source-Konsortium für die Robotik auf, berichtet Ulrich Reiser vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung:
    "Was wir sicherlich für die Industrie noch brauchen, ist eine zentrale Anlaufstelle für Support, Gewährleistung, die auch schaut, dass die Standards eingehalten werden, Qualitätssicherung usw. da ist. Deswegen bauen wir ein Industriekonsortium auf, das für diese Open-Source-Technologie geradesteht und auch die Entwicklung für den Bedarf der Industrie vorantreibt."
    Um den hohen Ansprüchen der Industrie-4.0-Konzepte gerecht werden zu können, muss die Robotik-Branche mit offenen Systeme arbeiten. Die dürfen aber nicht mehr wie bisher auch für Angriffe von außen offen sein. Denn der Erfolg von Industrie 4.0 und die Zukunft der Automatisierungsbranche hängt von der Güte der Sicherheitskonzepte ab. Und dafür muss auch organisatorisch noch etwas getan werden, meint Eberhard Klotz von Festo.
    "Die Kommunikation zwischen einer IT-Abteilung und einer Programmierabteilung, die Automatisierungskomponenten programmiert, die müssen jetzt lernen, miteinander zu reden. Das war in der Vergangenheit wenig der Fall. Das ist noch ein großes Lernfeld auch für die Zukunft."