Freitag, 19. April 2024

Archiv

Infektionsquelle Strand
Krankheitskeime und Pilzsporen lauern überall

Die Wasserqualitäten an den bekanntesten Badestränden werden regelmäßig vor der Urlaubssaison gemessen und mitgeteilt. Um die Strände selbst kümmert man sich weniger. Eine Übersichtsstudie zeigte, dass im weichen Sand reichlich Erreger und Pilzsporen lauern.

Von Volker Mrasek | 27.06.2014
    Eine Palme an einem Strand - im Hintergrund das Meer.
    Im weißen Strand ist oft mehr verborgen als reine Sandkörner. (dpa / Stephan Persch)
    Algen werden angespült und vermodern am Strand. Möwen verrichten ungeniert ihr Geschäft. Urlauber lassen einfach ihren Müll zurück, und mancher von ihnen reist auch schon einmal mit Fußpilz an. Der Sand von Badestränden kann sich zu einem heimlichen Reservoir für Krankheitskeime entwickeln. Ein bisher vernachlässigtes Thema, findet João Brandão vom Nationalen Gesundheitsinstitut Portugals in Lissabon:
    "Wenn wir Leute daran hindern, ins Meer zu gehen, sobald das Wasser zu viele Koli-Bakterien enthält oder andere Fäkal-Keime, dann sollten wir auch die Qualität des Sandes nicht außer Acht lassen!"
    Brandão gehört zu einer Gruppe von 19 Experten, die den Stand des Wissens jetzt in einer neuen Übersichtsstudie zusammengefasst haben. Sie wollen das Problem nicht dramatisieren, empfehlen aber, sich stärker darum zu kümmern. Die bisher umfangreichsten Untersuchungen stammen von über 30 Stränden in Portugal. Dort wies Brandãos Arbeitsgruppe in drei von fünf Sandproben pathogene Pilze nach:
    "Ich würde mir vor allem über Dermatophyten Sorgen machen. Das sind Pilze, die praktisch überall vorkommen. Sie können Haut- und Nagelinfektionen verursachen, die man nur schwer wieder los wird. Deswegen sollte man sie sich möglichst erst gar nicht einhandeln."
    Nachweis einer Infektion fast unmöglich
    Fälle, bei denen sich Urlauber am Strand infiziert haben, sind zwar bisher nicht beschrieben worden. Aber so etwas nachzuweisen sei auch praktisch unmöglich, sagt Brandão:
    "Pilz-Infektionen haben eine sehr lange Inkubationszeit. Sie bilden sich unter Umständen erst zwei Monate nach dem Kontakt mit dem Erreger aus, wenn der Strandurlaub längst vorbei ist. Es ist deshalb äußerst schwierig, das nachzuverfolgen."
    Im Sand anzutreffen sind auch Pilze, die Sporen ausbilden, zum Beispiel Penicillium-Arten. Mit ihnen bekommen all jene Strandurlauber Probleme, die allergisch auf Pilzsporen reagieren. Wobei das Risiko am Mittelmeer kleiner zu sein scheint als an Nord- oder Ostsee.
    "Wir finden stets viele von diesen Sporen-Bildnern am Strand. Je kühler das Klima, desto mehr sind es! Diese Pilze gedeihen nämlich am besten, wenn die Temperaturen nicht so hoch und die Luft feucht ist. Wir haben zum Beispiel Daten aus England. An Stränden dort gibt es viel mehr Penicillium-Sporen als bei uns in Portugal."
    Von deutschen Strände gibt es noch keine Untersuchungen
    Untersuchungen von deutschen Stränden sind übrigens nicht in die neue Studie eingeflossen – weil es noch keine gibt. Nicht nur Pilze - auch bakterielle Krankheitserreger können im Sand in Konzentrationen vorkommen, die ausreichen, um Urlauber krank zu machen. Das demonstrierte der Mikrobiologe Christopher Heaney in einer US-Studie. Dafür analysierte der Forscher vom Johns-Hopkins-Universitätsklinikum in Baltimore unter anderem Strände am Golf von Mexiko und am Atlantik. Und er wertete die Beschwerden aus, von denen ihm Touristen in einem Fragebogen berichteten:
    "In unserer Studie haben wir uns auf akute Magen-Darm-Erkrankungen konzentriert. Also auf Dinge wie Durchfall und Erbrechen. Das Risiko dafür war um 20 bis 50 Prozent erhöht, wenn Strandbesucher intensiven Kontakt mit dem Sand hatten und darin buddelten oder sich eingruben. Das hat auf jeden Fall gesundheitliche Bedeutung!"
    Für September hat João Brandão seine Kollegen zu einer Fachtagung nach Lissabon eingeladen. Dabei wollen die Wissenschaftler einen Offenen Brief verfassen und die Weltgesundheitsorganisation auffordern, sich stärker um das Thema zu kümmern. Es müsse viel systematischer untersucht werden. Welchen Nutzen die regelmäßige Beprobung des Sandes haben kann, zeigt schon heute das Beispiel Portugal. Bei hohen Keimzahlen werden Strände dort besonders gründlich von Unrat gesäubert. Ihr mikrobiologischer Zustand hat sich dadurch laut Brandão enorm verbessert.