Christoph Heinemann: Vor dem Wohnungsgipfel im Kanzleramt hat die schwarz-rote Koalition die Selbstverpflichtungen erhöht. Bis 2021 sollen 1,5 Millionen neue Wohnungen und Eigenheime gebaut werden. Für den sozialen Wohnungsbau sollen die Länder fünf Milliarden Euro bekommen. Außerdem sind steuerliche Anreize vorgesehen, eine verschärfte Mietpreisbremse ist im Gespräch. Für Familien gibt es Baukindergeld und das Wohngeld für Geringverdiener soll im Jahr 2020 angehoben werden. – Das ist die fachliche Seite.
Unausgesprochen liegt auch die Causa Maaßen mit auf dem Tisch – schon deshalb, weil der geplante Einzug des Verfassungsschutzpräsidenten in das Bundesinnen- und Bauministerium bewirken wird, dass der einzige beamtete Staatssekretär, der im Ministerium etwas von Bauen versteht, ausziehen muss.
Ulrich Schneider, der Präsident des Paritätischen Gesamtverbandes, sagte dazu gestern bei uns im Deutschlandfunk:
O-Ton Ulrich Schneider: "Dass Gunther Adler hier entfernt wird, dass er gehen muss, ist, glaube ich – und anders kann man es gar nicht verstehen –, ein ganz, ganz schlimmes Signal, das die Bundesregierung da setzt. Denn es zeigt deutlich, dass im Zweifelsfalle die fachliche Kompetenz, die man braucht, um wirklich zu einer Wohnungsoffensive zu kommen, ganz schnell geopfert wird, wenn es um parteipolitische Ränkespiele geht. Und da muss man auch ganz klar sagen: Es ist ja nicht nur Seehofer, der das jetzt beschlossen hat, das waren alle drei Parteivorsitzenden. Und das deprimiert."
"Hier wird eine Personalfrage viel zu hoch gehängt"
Heinemann: Am Telefon ist Marco Wanderwitz (CDU). Er ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Wahlkreis Chemnitz-Umland, Erzgebirgskreis zwei. Guten Morgen.
Marco Wanderwitz: Guten Morgen.
Heinemann: Sind Sie auch deprimiert?
Wanderwitz: Ich bin nicht deprimiert, weil ich mich auf den Wohngipfel heute freue, weil wir da viele gute Dinge heute gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen auf den Weg bringen.
Heinemann: Wird Sachverstand überschätzt?
Wanderwitz: Nein! Aber gleichwohl wird hier eine Personalfrage viel zu hoch gehängt. Die Sachfragen sind natürlich die entscheidenden.
Heinemann: Wenn Gunther Adler gegangen sein wird, welcher beamtete Staatssekretär im Bundesbauministerium versteht dann noch etwas von Wohnen und Bauen?
Wanderwitz: Den Bereich wird dann Kollege Engelke verantworten, der sich natürlich in dem neuen Bereich ein Stück weit wird einarbeiten müssen.
Heinemann: Wären 365 Tage Sachverstand im Ministerium nicht wichtiger als ein paar Stunden Gipfel?
Wanderwitz: Ich finde den Vergleich nicht wirklich "passend" im Sinne von, natürlich ist der zuständige beamtete Staatssekretär eine wichtige Personalie. Aber wir haben ja die beiden Bauabteilungen mit Abteilungsleiterinnen, mit Unterabteilungsleitungen, mit Referatsleitern, mit den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist ja nicht so, dass nun alles an einer Person sich festmacht.
"Das ist heute ein Gipfel der Antworten"
Heinemann: Wie könnte das auf Menschen wirken, die jetzt dringend bezahlbaren Wohnraum suchen?
Wanderwitz: Ich glaube, ehrlich gesagt, dass das den Menschen relativ egal ist, ob da Herr Meyer, Herr Müller, oder Herr Schulze oben dran sitzt, sondern für die Menschen ist entscheidend, dass die Politik die richtigen Dinge für sie auf den Weg bringt. Da enthält dieser Wohngipfel ein wirklich gutes Paket, was uns auch voranbringen wird und damit die Menschen.
Heinemann: Benötigte man dafür nicht Sachverstand im Ministerium?
Wanderwitz: Dafür benötigt man Sachverstand im Ministerium, und den haben wir auch.
Heinemann: Herr Wanderwitz, für Horst Seehofer bildet die Migration die Mutter aller politischen Probleme. Welchen Platz nimmt das Problem Wohnen in Ihrer politischen Familienaufstellung ein?
Wanderwitz: Mein Minister hat mehrmals die Wohnfrage, insbesondere die Frage bezahlbaren Wohnens als "die soziale Frage unserer Zeit" bezeichnet. Ich teile seine Sicht. Das ist eine Frage von sehr hohem Stellenwert. Und auch dieser Wohngipfel heute bei der Bundeskanzlerin zeigt, wie wichtig uns im Innenministerium und auch der Bundesregierung diese Frage insgesamt ist.
Heinemann: Genau eine halbe Stunde ist heute eingeplant, wenn ich es richtig verstanden habe, für das Thema bezahlbaren Wohnraum.
Wanderwitz: Der Gipfel ist natürlich nur der heutige Abschluss von vielen Gesprächen, Abstimmungen, die in den letzten Wochen und Monaten stattgefunden haben. Das ist heute ein Gipfel der Antworten, ein Gipfel der Ergebnisse. Der Gipfel dient jetzt nicht dem "wir reden mal darüber". Das hat bereits stattgefunden.
Heinemann: Der Präsident des Mieterbundes, wenn ich es richtig verstanden habe, darf 60 Sekunden lang reden. Man fragt sich schon ein bisschen, was soll das heute.
Wanderwitz: Wie gesagt, das dient heute vor allen Dingen dazu, alle Akteure noch einmal an den Tisch zu bringen, mit den Ergebnissen, die in den letzten Wochen und Monaten erarbeitet worden sind. Es geht natürlich jetzt insbesondere darum, auch das Paket, das gepackt worden ist, der Öffentlichkeit vorzustellen. Es gibt viele, viele Akteure im Bereich Bau und Wohnen und wenn alle an einem Tisch sitzen, dann ist der Tisch relativ voll und dann bleibt auch für jeden einzelnen nicht so viel Zeit übrig.
Neue Kommission zum Thema Baulandaktivierung
Heinemann: Umso wichtiger die konkreten Forderungen. Markus Lewe, der Präsident des Deutschen Städtetages, sagte heute früh, was er von der Bundesregierung erwartet:
O-Ton Markus Lewe: "Wir wollen vor allen Dingen auch fordern, dass es einen Boden- und Liegenschaftsfonds gibt, mit dem man es den Kommunen ermöglichen kann, selber auch auf Grundstücke zugreifen zu können, ohne sie in Spekulationsgeschäften enden zu lassen, damit wir dieses knappe Gut Boden in den Städten auch wieder selber mit steuern können und damit auch dem Gemeinwohlmarkt zuführen können."
Heinemann: Markus Lewe heute früh bei uns im Deutschlandfunk. – Das ist ein zentrales Problem, Herr Wanderwitz. Wird es einen solchen Boden- und Liegenschaftsfonds geben?
Wanderwitz: Das ist in der Tat ein zentrales Problem in vielen Regionen Deutschlands, das Thema Verfügbarkeit von Bauland und auch die Bodenpolitik, die sozusagen kommunal vor Ort gemacht werden kann. Wir haben dazu am 4. September unter meinem Vorsitz eine Baulandkommission eingerichtet, die jetzt schnell innerhalb eines halben Jahres zu dem gesamten Themenkreis Baulandaktivierung – da geht es auch um Genehmigungsverfahren, da geht es um steuerliche Fragen und dergleichen mehr – Ergebnisse erarbeiten wird. Das können und wollen wir heute beim Wohngipfel nicht vorwegnehmen, aber wir werden dort relativ schnell zu Ergebnissen kommen – zum einen.
Zum anderen ist das mit dem Fonds natürlich eine bekannte Forderung der kommunalen Ebene, wo wir auch nicht in Bausch und Bogen Nein sagen. Aber man muss auch ganz klar sagen: Die Kommunen sind nach unserer verfassungsmäßigen Ordnung Teil der Länder und die kommunale Finanzausstattung obliegt damit auch den Ländern. Die Forderung, der Bund möge mal bezahlen, wird schnell mal aufgemacht von kommunaler und Landesseite. Der können wir nicht jedes Mal so eben frech und frei nachgeben.
Heinemann: Da schieben sich die Verantwortlichen die Verantwortlichkeiten wieder hin und her.
Wanderwitz: Wir werden zu Ergebnissen kommen.
Heinemann: Können Sie Herrn Lewe Hoffnung machen?
Wanderwitz: Ich kann das wirklich momentan schlicht noch nicht sagen. Ich glaube, ehrlich gesagt, nicht, dass das das wichtigste Instrument im Bereich der Baulandaktivierung ist. Da gibt es einige, die deutlich wichtiger sind und die vor allen Dingen auch schneller wirken, weil wir müssen ja jetzt schnell zu neuen Wohnungen kommen.
Drei-Euro-Grenze gegen das Herausmodernisieren
Heinemann: Herr Wanderwitz, das ist ein Problem. Ein anderes Problem: Wie kann man verhindern, dass Mieterinnen und Mieter durch aufwendige Sanierungen ihre Wohnungen verlieren?
Wanderwitz: Wir haben für dieses Problem jetzt auch Lösungen vorgesehen, so wie sie im Koalitionsvertrag drinstehen, nämlich zum einen wird es eine absolute Obergrenze geben, was Mieterhöhungen betrifft, nämlich von drei Euro binnen fünf Jahren pro Quadratmeter. Und zum anderen wird es eine leichte Absenkung der Umlagefähigkeit von Investitionen jährlich geben, nämlich von elf auf acht Prozent. Wir tun das, weil wir wissen, dass Mieterinnen und Mieter nicht überlastet werden dürfen. Auf der anderen Seite wollen wir auch nicht Investitions- und Modernisierungstätigkeiten, die wir zum Beispiel für die energetische Gebäudesanierung, für den Klimaschutz ja dringend brauchen, abwürgen.
Heinemann: Schauen wir noch auf den Wohnungsmarkt. In Berlin und möglicherweise nicht nur dort investieren mutmaßlich kriminelle arabische Familienclans neuerdings auch in Immobilien. Wie kann verhindert werden, dass mutmaßliche Geldwäscher den Immobilienmarkt zusätzlich unter Druck setzen?
Wanderwitz: Das ist eine Frage, bei der vor allen Dingen natürlich, wenn es um kriminelle Aktivitäten geht, die zuständigen Behörden gefragt sind. Das ist in der Tat eine sehr unschöne Entwicklung, die da offensichtlich punktuell um sich greift. Sie dient nicht dazu, grundsätzlich, wie mancher beispielsweise fordert, zu sagen, dass man ausländische Investitionen in den deutschen Immobilienmarkt unterbinden sollte, sondern man muss solche kriminellen Einzelfälle entsprechend, wenn man ihrer habhaft wird, behandeln.
Heinemann: Sollten ausländische Großinvestoren denn Wohnungen in deutschen Städten in großem Stil kaufen können?
Wanderwitz: Ich finde, dass wir einen breit aufgestellten, gut gemixten Markt im Bereich der Mietwohnungen brauchen, und da würde ich nicht dazu neigen, in Bausch und Bogen zu sagen, ausländische Investoren wollen wir da nicht haben.
Heinemann: Wie kann man Mafiagelder herausfiltern?
Wanderwitz: Es gibt ja eine erfreulich große, weil wir sie erfreulich groß gemacht haben, Dichte von gesetzlichen Regelungen, die Geldwäsche und Schwarzgeld in diesem Bereich wie in allen Geschäftsbereichen weitestgehend versuchen zu unterbinden. Da kann man immer mal wieder schauen, ob man da hier und da was nachjustieren kann, aber im Großen und Ganzen sind die gesetzlichen Regelungen dort durchaus ausreichend.
Heinemann: Marco Wanderwitz (CDU), der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Wanderwitz: Herzlichen Dank!
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