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Innere Sicherheit in Deutschland
Politik streitet um Antiterrorstrategie

Die "abstrakte Anschlagsgefahr" soll in Deutschland so hoch wie noch nie sein. Bei vielen Unionspolitikern wird deshalb der Ruf nach Vorratsdatenspeicherung und Bundeswehreinsätzen im Inland laut. Justizminister Heiko Maas warnt aber vor Aktionismus.

Von Katharina Hamberger | 26.10.2014
    Ein Beamter der Eliteeinheit GSG 9.
    Bundeswehr - oder alle polizeirechtlichen Mittel anwenden? (picture alliance/dpa/Boris Roessler)
    Hinweise darauf, dass konkrete Anschläge in Deutschland geplant sind, gibt es bislang offenbar nicht – aber die Sicherheitsbehörden und auch Innenminister Thomas de Maizière sprechen von einer abstrakten Anschlagsgefahr. Die sei in Deutschland noch nie so hoch gewesen wie heute, wird ein hoher Sicherheitsbeamter in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zitiert. Angesichts dessen und der steigenden Zahl an Salafisten wird nun wieder über Fragen der inneren Sicherheit diskutiert. Auch in der Großen Koalition.
    Vorratsdatenspeicherung und Bundeswehreinsätze im Inland
    Die Union würde das Strafrecht gerne noch weiter verschärfen als die SPD und sieht nun die Chance, die Vorratsdatenspeicherung und den Bundeswehreinsatz im Inneren plötzlich wieder einzubringen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnt vor Aktionismus. Er will zwar einen Straftatbestand Terrorismusfinanzierung schaffen und es soll strafbar werden, sich an schweren Gewalttaten im Ausland zu beteiligen oder um sich für die Teilnahme an schweren Gewalttaten ausbilden zu lassen. Aber weitere Verschärfungen seien reine Symbolpolitik, sagte Maas der "Welt am Sonntag". Es müsse hingegen intensiv darüber debattiert werden, was präventiv getan werden könne, um die Radikalisierung junger Menschen zu verhindern.
    Thomas Strobl, stellvertretender CDU-Vorsitzender, verlangt laut "Welt am Sonntag" nun einen neuen Versuch bei der Speicherung von Verbindungsdaten. In Deutschland und Europa solle man sich so schnell wie möglich über eine Mindestspeicherfrist von drei Monaten verständigen. Außerdem will er eine Nachbesserung, was den Einsatz der Streitkräfte im Inneren betrifft. Bei bestimmten terroristischen Angriffen aus der Luft gebe es keine andere Möglichkeit, als die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes dürfen bislang nur Flugzeuge abgeschossen werden, in denen sich nur Terroristen befinden. Die Entscheidung darüber muss das ganze Bundeskabinett fällen.
    Prävention oder härtere Gesetze?
    Die Pläne von Justizminister Maas, was das Strafrecht betrifft, hält Strobl für nicht ausreichend. Er will, dass auch die Werbung für eine terroristische Vereinigung unter Strafe gestellt wird. Solche Verschärfungen halten nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Grünen für Symbolpolitik. Die Sprecherin für Innere Sicherheit der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, sagte unserem Hauptstadtstudio:
    "Volker Kauder hat beispielsweise kürzlich gefordert die PKK in Kampfgebieten mit Waffen zu beliefern." Die PKK sei aber in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft. Deshalb müsse man sehen, wie die Äußerung Kauders unter einem neuen Straftatbestand zu bewerten wäre.
    Weiter sagt Michalic, die Vorschläge von Justizminister Maas müsse man sich anschauen. Zunächst müssten aber alle polizeirechtlichen Mittel, die heute schon zur Verfügung stünden, angewandt werden. "Und was natürlich auch der Fall sein muss, ist, dass wir unbedingt verhindern müssen, dass sich weitere Menschen radikalisieren und sich dem gewaltbereiten Salafismus zuwenden. Da braucht es vor allem eine abgestimmte, koordinierte Präventions- und Deradikalisierungsstrategie", sagt Mihalic.
    Die Konferenz der Innenminister der Länder und Bundesinnenminister de Maizière hatten sich erst darauf geeinigt, dass möglichst verhindert werden soll, dass jemand ausreisen kann, der sich einer Terrorgruppe im Ausland anschließen will – um dann, kampferprobt, nach der Rückreise in Deutschland Anschläge zu verüben.
    Forderung nach Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft
    Dazu soll deutschen Staatsbürgern der Reisepass entzogen werden. Das geht im Gegensatz zum Personalausweis. Mit dem ist es möglich, sich innerhalb der Schengen-Grenzen zu bewegen. So kommen viele Islamisten über die Türkei nach Syrien. Deshalb soll es ein Ersatzdokument geben, das nur in Deutschland gültig ist. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) möchte jedoch gleichzeitig, dass mehr gewaltbereite Salafisten abgeschoben werden. Das ist aber nur möglich, wenn sie keine deutschen Staatsbürger sind. Herrmann fordert deshalb in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", bei einer doppelten Staatsbürgerschaft den deutschen Pass zu entziehen. Das ist aber nach geltendem deutschem Recht nur möglich "durch den Eintritt in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates".
    Ob das auf den IS zutrifft, ist umstritten. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sind offenbar nicht 450 Islamisten aus Deutschland in Richtung Syrien ausgereist, sondern rund 1800. Ein Verfassungsschützer habe der Zeitung gesagt, die offiziellen Angaben müssen mit vier multipliziert werden, um eine realistische Zahl zu erhalten. Von 150 Menschen wissen die Behörden, dass sie aus Syrien und dem Irak nach Deutschland zurückgekehrt sind. 25 davon haben nach Informationen der Behörden dort auch gekämpft – die werden nun in Deutschland genau beobachtet. Aber über die meisten Rückkehrer wüssten die Behörden nur wenig. Das räumte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, im rbb Inforadio ein.