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Institut für jüdische Theologie
"Es ist eine unglaublich internationale Gesellschaft"

Seit einem Jahr gibt es nun die School of Jewish Theology an der Universität Potsdam. Juden und Nichtjuden, die die Theologie als akademisches Fach belegt haben, studieren gemeinsam - in Europa bislang einmalig.

Von Axel Flemming | 01.12.2014
    Während eines Festaktes an der Universität Potsdam zur Eröffnung des bundesweit ersten Studiengangs für jüdische Theologie sitzen Besucher im Audimax der Universität.
    Mit der international beachteten Gründung vor einem Jahr wurde erstmals eine jüdisch-theologische Ausbildung an einer deutschen Universität verankert. (picture alliance / dpa - Ralf Hirschberger)
    Der erste Jahrestag bringt einen kleinen medialen Auftrieb mit sich, gerade lassen sich zwei Interessierte aus Düsseldorf die Einzelheiten des Synagogenmodells aus LEGO erläutern, das im Sekretariat des Instituts steht. Ein Jahr jüdische Theologie an der Uni Potsdam, Hartmut Bomhoff, Koordinator des Instituts, ist zufrieden. "Wir sind immer noch begeistert davon, dass wir erstmals in Deutschland jetzt das Fach Judentum von einem religiösen Standpunkt aus unterrichten und studieren können hier in Potsdam." Juden und Nichtjuden, die die Theologie als akademisches Fach belegt haben, studieren gemeinsam, in Europa einmalig. Mit der international beachteten Gründung vor einem Jahr wurde erstmals eine jüdisch-theologische Ausbildung an einer deutschen Universität verankert.Offiziell heißt es School of Jewish Theology der Universität Potsdam, das passt zum Internationalen Anspruch des Studiengangs. Student Max Feldhake kommt aus den USA:
    "Wir wussten, ein neues Institut wird jetzt gegründet. Und wir hofften auf das beste, aber man weiß nicht, was wirklich zu erwarten war. Aber ich war überrascht, wie wunderbar das innerhalb des ersten Jahres geklappt hat. Wir sind immer noch in dieser Aufbauphase. Man kann alles innerhalb eines Jahres nicht schaffen, aber es ist wirklich ein positives Zeichen, dass innerhalb des erstem Jahres, wir haben so viel geschafft."
    Max ist einer von über 100 Studierenden, die sich in Potsdam eingeschrieben haben; der Großteil von ihnen im Bachelor-Studiengang, 23 streben den Master an. Max engagiert sich als Mitglied im Fachschaftsrat:
    "Manchmal es geht um ganz banale Sachen wie: ob die Studienordnung ganz klar in einem Bereich ist oder nicht klar genug. Aber das ist genau das, was man innerhalb eines neuen Instituts klar regeln muss irgendwann."
    "Es ist eine unglaublich internationale Gesellschaft, die hier in Deutschland auf Deutsch jüdische Theologie studiert. Also das ist wirklich vielleicht die vielfältigste jüdische Institution der Welt", schwärmt Matti Kirschenbaum, der aus Breslau über Warschau nach Potsdam gekommen ist.
    Überfüllte Hörsäle sind unbekannt
    Die Nachfrage ist größer als anfangs erwartet, aber die üblichen Probleme von Erstsemestern in begehrten Studiengängen: überfüllte Hörsäle, Anonymität, gibt es hier in Potsdam nicht, nur ein paar Dozenten werden noch gesucht.
    "In vielen Unterrichten sind die Verhältnisse vier oder fünf Studierende für einen Dozenten. Das heißt, es ist als ob man an einer Spitzenuni in Großbritannien oder Amerika studiert hätte."
    Max und Matti wollen über den Fachstudiengang hinaus Rabbiner werden, beide haben deshalb noch vier oder fünf Jahre Studium vor sich. Die Berufsausbildung zum Rabbiner oder auch Kantor findet am Abraham-Geiger-Kolleg statt, das eng mit der jüdischen Theologie in Potsdam zusammenarbeitet. Hartmut Bomhoff: "Wir merken, dass gerade in Mitteleuropa, in Ungarn, Polen, Tschechien das Interesse groß ist, weil man merkt, man kann hier jüdische Tradition sich aneignen und gleichzeitig auch Identität schöpfen oder mögliche Identität finden." Natürlich gehört dazu auch die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus, der aber im Alltag der Studierenden keine große Rolle spielt. Und das im Land des organisierten Massenmords an den Juden. "Es gibt viele Enkel von Menschen, die als Juden vor 70, 80 Jahren verfolgt wurden, die im Ostblock selbst nicht-religiös aufgewachsen sind und die hier einfach Anschluss finden in der Verbindung zwischen gelebter jüdischer Religionspraxis und eben der Theorie dazu." Einen Wermutstropfen gibt es dennoch: das eigentliche Gebäude für das Institut ist noch nicht fertig, noch immer nicht: "Wir haben seit Jahren das Nordtorgebäude am Parkrand in Aussicht, das aber ein historisches Gebäude ist, das unter Denkmalschutz steht. Das braucht sicherlich noch ein, zwei Jahre um das dann entsprechend herrichten zu können. Und wahrscheinlich ist das Gebäude dann auch schon wieder zu klein für uns."