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Intransparente Sportförderung

Nächste Woche beginnen im Bundestag die Beratungen zum Haushalt 2010. Passend dazu kündigte der Finanzminister eine Rekord-Neuverschuldung an. Und passend dazu stellte der Bundesrechnungshof seinen Jahresbericht 2009 vor: Die Prüfer machen Vorschläge, die den Haushalt um rund 21 Milliarden Euro entlasten könnten - unter anderem bei der Bundeswehr samt ihrer Sportförderung.

Von Grit Hartmann |
    Was verbindet den Weitspringer Sebastian Beyer, die Biathletin Kati Wilhelm, den Eiskunstläufer Stefan Lindemann, die Fechterin Imke Duplitzer, den Radsportler Robert Bartko und den Schwimmer Jens Kruppa? Die Antwort: Sie trainieren, wie derzeit mehr als 800 Top-Athleten, mit Marschbefehl der Bundeswehr und bekleiden militärische Ränge. Allerdings fällt das kaum einmal auf.

    Dabei könnte die Bundeswehr eigene Nationalmannschaften rekrutieren, nicht nur in Sportarten wie Bob oder Kanu, die ohne Geld vom Staat kaum lebensfähig wären. Seit 1992 ist der Anteil an Soldaten in den Olympiateams stetig geklettert: Bei den Winterspielen in Albertville gehörte jeder vierte Athlet zur Bundeswehr, in Turin 2006 war es schon fast jeder zweite. In Barcelona diente 1992 jeder Zehnte als Sportsoldat, in Peking 2008 schon beinahe jeder Dritte. Bei den letzten zehn Spielen holten Bundeswehrangehörige 43 Prozent aller Medaillen. Das heißt: Der Sport als Variante des militärischen Wettkampfs hat hierzulande eine Neuinterpretation erfahren - in einem vom steuerzahlenden Publikum weitgehend unbemerkten Ausmaß, wie es vor nicht allzu langer Zeit eher mit Diktaturen assoziiert wurde.

    Intransparenz ist der erste Punkt, den der Bundesrechnungshof an dieser Form des Staatssports kritisiert. Das Verteidigungsministerium, so heißt es im neuen Jahresbericht, bezuschusse den Spitzensport mit rund 28 Millionen Euro jährlich, ohne dies im Etat erkennbar darzustellen. Gerade hier sei aber "Haushaltsklarheit und -wahrheit" geboten. Schließlich handele es sich um eine Ausgabe außerhalb der Kernaufgaben der Streitkräfte.

    Punkt zwei: Die Prüfer verlangen regelmäßige Erfolgskontrollen für die Spitzensportförderung. Die Brisanz dieser Forderung ergibt sich aus dem Haushaltsrecht. Danach nämlich ist, dass Athleten Medaillen sammeln für Ruhm und Ehre des Staates, noch kein Erfolgsnachweis. Ihre Förderung aus der Staatskasse muss, so führen die Prüfer aus, "ursächlich" für den Erfolg sein und überdies wirtschaftlich. Deshalb soll die Bundeswehr belegen, inwiefern -Zitat - "das jetzige Verfahren der Spitzensportförderung gegenüber Alternativen, zum Beispiel einer Stipendiumslösung, nach Form und Umfang zweckmäßig und wirtschaftlich ist". Schließlich könnten sich Athleten auch anderswo auf einen zivilen Beruf vorbereiten. Eine solche Kontrolle, bemängelt der Rechnungshof, fehle bis heute; noch nie seien Alternativen geprüft worden.
    Bei diesem Maßstab liegen Zweifel an der haushaltsrechtlichen Basis für die Millionenspritzen auf der Hand. Wie soll die Bundeswehr nachweisen, dass ihre Förderung "ursächlich" ist für Erfolge? In der Regel werden Sportsoldaten von ihren Heimtrainern betreut, sie nutzen die Infrastruktur von Olympiastützpunkten und trainieren bei einem Verein. Die Bundeswehr zahlt im Wesentlichen den Sold. Der Abgleich mit Alternativen dürfte ebenfalls zu Ungunsten der Armee ausfallen. Wer als Sportsoldat dient, bleibt höchst selten Soldat. Steuermittel sind deshalb bei studierenden Athleten gewiss besser angelegt als bei Vollprofis in Uniform.

    Einen Fingerzeig gibt der Bundesrechnungshof mit einem Hinweis auf das Jahr 1968. Damals beauftragte der Bundestag das Verteidigungsministerium, bundeswehrangehörige Top-Athleten besser zu fördern. Begründung: Im Sinne deutscher Repräsentanz bei internationalen Wettkämpfen sollte ihre Chancengleichheit gewahrt bleiben; sie sollten auch während des Wehrdienstes Anschluss an die Weltspitze halten. Mit der historischen Reminiszenz führen die Prüfer vor, wie wenig die gängige Praxis noch vom Ursprungsauftrag gedeckt ist: Statt Top-Athleten im Wehrdienst Trainingseinheiten zu ermöglichen, animiert der Staat Sportler zum Armee-Eintritt, damit sie trainieren können. Nur wer einem Bundeskader angehört, kann auch Sportsoldat werden.

    Der Bericht des Bundesrechnungshofes schließt optimistisch: "Erfahrungsgemäß" und "in einer Vielzahl von Fällen" leite das Parlament aus der Kritik Forderungen an die Regierung ab. Muss die Bundeswehr nun ihre Sportförderung zwecks Gesundung der Staatsfinanzen auf den Prüfstand stellen? 2004 beschloss die rot-grüne Bundesregierung schon einmal, 80 Sportförderstellen zu streichen. Es kam anders: 2007 wurde die Stellenzahl um 120 aufgestockt - auf Initiative des Parlaments und ohne Widerspruch.