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Iran ruft zum "Wirtschafts-Jihad" auf

Der Iran ruft die Bevölkerung zu wirtschaftlichen Opfern auf - und die Regierung hat dem Anschein nach allen Grund dazu.

Von Ulrich Pick | 09.04.2011
    Als Iran am 21. März sein Neujahrfest beging, hielt das Staatsoberhaupt seine obligatorische Rede zum Jahresanfang. Und Ayatollah Ali Khamenei warf wie stets einen Blick auf die kommenden 365 Tage.

    "Wir müssen uns in diesem neuen Jahr auf das Wichtigste konzentrieren. Und ich denke die Wirtschaft ist die zentrale Frage des Landes. Deshalb möchte ich dieses Jahr, das Jahr des Wirtschafts-Jihad nennen. Ich erwarte vom Staatsapparat, vom Parlament sowie von der gesamten Nation im Bereich der Wirtschaft ihre Aktivitäten nach Jihad-Maßstäben auszurichten. Denn eine normale Aktivität reicht nicht aus."

    Was genau unter einem Wirtschafts-Jihad zu verstehen ist, erläuterte Khamenei nicht. Gleichwohl darf man davon ausgehen, dass er keinen Heiligen Krieg meinte, sondern eine große Anstrengung - denn dies ist die eigentliche Bedeutung des Wortes. Dennoch machte seine Bemerkung viele Iraner stutzig, weil sie sich fragten, warum der geistliche Führer hierzu überhaupt aufrief, zumal am Neujahrstag, denn bis dahin hatte es stets es geheißen, mit der iranischen Wirtschaft liefe alles rund. Zusätzliche Verwirrung brachte dann eine weitere Bemerkung des Staatsoberhauptes:

    "Eines der wichtigsten Ziele der Feinde unserer Nation und unseres Landes ist die Wirtschaft. Denn mit den Sanktionen beabsichtigten sie nichts anderes als unserer Wirtschaft einen Schlag zu versetzen und dem rasanten Fortschritt des Landes Einhalt zu gebieten. Sie haben aber die erwarteten Ziele der Sanktionen verfehlt."

    Was blieb, war - vor allem bei Journalisten - ein Verdacht. Nämlich, dass es der iranischen Ökonomie entgegen allen anderslautenden Beteuerungen gar nicht so gut gehe. Und deshalb fragte Anfang der Woche die Reporterin der angesehenen Wirtschaftszeitung "Donya-ye Eghtessad" bei der letzten Pressekonferenz des Staatspräsidenten, ob es stimme, was man inoffiziell immer wieder zu hören bekomme, nämlich, dass die iranische Wirtschaft eigentlich stagniere. Worauf Mahmud Ahmadinejad antwortete:

    "In einem Land, indem jährlich über 1,2 Millionen Wohnungen gebaut werden und dessen Nicht-Öl-Export von sieben auf 30 Milliarden Dollar gestiegen ist; in einem Land, indem jährlich über 1,2 Millionen Menschen neu auf den Arbeitsmarkt kommen, aber die Arbeitslosigkeit trotzdem abnimmt; da möchte ich wissen, wie Sie die Stagnation in der Wirtschaft festgestellt haben"

    Die Wirtschaftsjournalistin allerdings blieb dran und untermauerte ihre Zweifel, indem sie Argument aufzählte, die auf eine wirtschaftliche Stagnation hinweisen:

    "Die letzte Zahl über eine Wirtschaftswachstumsrate ist aus dem Jahr 2007 und sie lautet ein Prozent. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist gestiegen und wurde mit 14,6 Prozent für den vergangenen Frühling bekannt gegeben. Hinzu kommt noch die steigende Inflationsrate, die mit 12.6 Prozent für das vergangene iranische Jahr bekannt gegeben wurde."

    Es bleiben also Zweifel an der Behauptung, die internationalen Sanktionen, hätten der iranischen Wirtschaft keinen Schaden zufügen können. Interessant in diesem Zusammenhang ist zudem auch, dass jüngst der Teheraner Parlamentsabgeordnete Jamshid Ansari dem statistischen Zentrum Irans vorwarf, es habe eine falsche Arbeitslosenquote veröffentlicht und auf der Webseite "Aftab-News" schrieb: "Die letzte Veröffentlichung für den vergangenen Frühling lautete 14,6 Prozent. Wir kennen aber die Zahl für letzten Sommer, nämlich 15,5 Prozent. Da sie aber als zu hoch erachtet wurde, publizierte man sie einfach nicht?"

    Bedenkt man zudem, dass die beiden Institutionen mit den höchsten Einkünften im Land, nämlich die beiden religiösen Stiftungen Bonyad-e Mostazefan und Astan-e Qods nach wie vor keine Steuern zahlen müssen, wird der Verdacht, dass die Wirtschaft Schwierigkeiten hat, immer glaubwürdiger.

    Mit anderen Worten: Dass Iran jetzt den ökonomischen Jihad aufruft, dürfte ein Zeichen dafür sein, dass das System angeschlagen ist. Und das heißt nicht nur, dass auf die Bevölkerung den Gürtel enger schnallen muss, sondern, dass die Gefahr von Unzufriedenheit und somit innerer Spannungen wächst.