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IS nur militärisch geschwächt
Der Nährboden ist noch fruchtbar

Die Terrormiliz Islamischer Staat hat militärisch inzwischen deutlich an Boden verloren, vor allem im Irak. Nach Einschätzung von Experten wird die Gruppierung zunehmend unattraktiv. Die Erfolge könnten aber nur von Dauer sein, wenn es gelinge, dem Extremismus die Grundlagen zu entziehen.

Von Jürgen Stryjak | 02.02.2016
    Vermutlich eine Gruppe von IS-Kämpfern im Nahen Osten
    IS-Kämpfer: Die Gruppe gilt militärisch als geschwächt. (imago)
    Die internationale Koalition konzentriere sich bei ihren Angriffen gegen den sogenannten Islamischen Staat besonders auf drei Gebiete, erklärte Pentagon-Sprecher Steve Warren dieser Tage in Bagdad – und zwar auf Mossul im Norden des Irak, auf die Provinz Anbar westlich von Bagdad sowie auf Raqqa im Osten Syriens. Besonders in Raqqa, der inoffiziellen IS-Hauptstadt, gehe es darum, die Extremisten durch Angriffe zu isolieren, durch Luftschläge auf Verbindungsstraßen, Brücken und Kreuzungen. Außerdem sei man dabei, jene Truppe aufzubauen, die schließlich Mosul befreien werde.
    Das klingt, als sei das Ende des IS nur noch eine Frage der Zeit. Das Pentagon schätzt, dass die Terrormiliz inzwischen rund 40 Prozent von jenem Territorium verlor, das sie in Syrien und im Irak vor nicht allzu langer Zeit noch kontrollierte.
    "Der IS befindet sich militärisch eindeutig auf dem Rückzug", glaubt auch Adel Abdel Ghafar vom Brookings Doha Center. Die irakische Armee habe Ramadi zurückerobert. In Syrien sei es die internationale Koalition, die den IS unter Druck setzt, zumindest im Moment. Diese Erfolge seien wichtig, weil sie die Kampfstärke der Dschihadisten auch indirekt schwächen: "Der IS hat an Wirtschaftskraft eingebüßt, zum Beispiel durch Angriffe auf Ölförderanlagen und Transportwege. Es gibt Berichte, nach denen er jüngst sogar die Gehälter seiner Kämpfer kürzen musste."
    Der IS wird immer unattraktiver
    Das wiederum erschwert die Rekrutierung neuer Kämpfer. Dem IS fällt es immer schwerer, sein Kalifat als Erfolgsmodell zu verkaufen. "Jetzt kommen die Rückkehrer und erzählen, was sie erlebt haben. Und es gibt die Geschichten von jenen, die getötet wurden. Das alles macht den IS immer unattraktiver."
    Trotzdem seien die Erfolge nicht wirklich nachhaltig. Der Nährboden, auf dem seine Ideologie reift, bleibt fruchtbar – die Kriege in der Region, das Machtvakuum in einigen Ländern, die brutalen repressiven Regime in anderen. Oder das Unrecht im Irak, wo Sunniten den IS unterstützen, weil sie von Schiiten unterdrückt werden. "Zuerst entstand Al-Kaida, dann der IS, vielleicht bildet sich demnächst eine andere Gruppierung. Extremismus wird es so lange geben, wie Bedingungen existieren, die seine Entstehung fördern."
    Je weiter der IS in die Enge getrieben wird, desto größer wird außerdem die Gefahr, dass er noch öfter zur letzten verbliebenen Waffe greift und Terroranschläge verübt, auch im Westen. Europol behauptet, dass die Terrormiliz dafür bereits ein Kommandozentrum eingerichtet hat. "Ihr schickt uns Kampfjets, die Muslime bombardieren", heißt es in einem aktuellen IS-Propagandavideo. "Wir schicken Kämpfer, die Euch abschlachten werden."