"Hilfe, Polizei! Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?" Das Telefon bei der Istanbuler Fortschrittlichen Anwaltsvereinigung steht selten still. Denn seit Juni dieses Jahres ist darüber eine Hotline für Opfer von Polizeigewalt geschaltet. Kurz zuvor war ein Autofahrer in Istanbul nach einer Verkehrskontrolle von Polizisten minutenlang brutal zusammengeschlagen worden. Ein Passant hatte den Vorfall mit seiner Handykamera dokumentiert; die Bilder und die verzweifelten Schreie der Ehefrau schockierten selbst die an gewalttätige Polizisten durchaus gewöhnte türkische Öffentlichkeit.
Rechtsanwalt Taylan Taner vertritt das schwer verletzte Opfer vor Gericht und startete gemeinsam mit Kollegen das Nottelefon:
"Wir wussten immer über Misshandlungen und Folter in Gefängnissen und Polizeistationen. Doch nun häufen sich wieder die Polizeiübergriffe auf Bürger auf der Straße, zum Teil am helllichten Tag. Wir hatten das Gefühl, endlich etwas tun zu müssen. Auch weil sich die meisten Opfer immer noch nicht trauen, sich gegen ihre Peiniger zu wehren."
Unter 444 1559 können Betroffene rund um die Uhr vor allem anwaltliche Hilfe bekommen. Allein in der ersten Woche meldeten sich 80 Hilfesuchende. 150 Istanbuler Rechtsanwälte haben sich bereit erklärt, dem Netzwerk honorarfrei zur Verfügung zu stehen. So können Festgenommene binnen weniger Stunden Besuch von einem Anwalt bekommen. Taners Erfahrung ist, dass sich die Polizei dann meistens freundlich und kooperativ zeigt. Ihnen sei dann klar, dass sie beobachtet würden:
"Übergriffe werden immer häufiger durch Handykameras dokumentiert. Und Zeugen scheuen sich auch nicht länger, in den Medien und vor Gericht auszusagen. Das erhöht unsere Erfolgschancen, wenn wir die Polizisten vor Gericht bringen."
Eines der ersten Opfer, das sich an den Notruf wandte, war der 50-jährige Taxifahrer Serkis Yogurtcu. Nach einem lautstarken Streit mit seiner Ehefrau hatten Nachbarn die Polizei gerufen.
"Ich stand vor dem Haus, um frische Luft zu schnappen. Die Polizisten legten mir sofort Handschellen an, als ich protestierte begannen sie mich zu schlagen. Als meine Frau dazu kam, schlugen sie auch sie. Dann brachten sie mich in eine Seitenstraße und schlugen und traten dort weiter auf mich ein."
Die Ehefrau des Opfers wählte die Nummer von "Hilfe, Polizei", und Yogurtcu bekam kurz darauf Beistand von einem Anwalt, der sicher stellen konnte, dass die Verletzungen von einem Arzt korrekt attestiert wurden. Auf die Anzeige des Opfers reagierten die verantwortlichen Polizisten – wie so häufig - mit einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Auch die Helfer der Hotline bekommen regelmäßig die Wut der Polizisten zu spüren. Jeder fünfte Anruf sei ein Drohanruf, berichten die Anwälte.
Die Regierung bestreitet, dass die Polizeigewalt im Land zugenommen habe. Ministerpräsident Erdogan spricht von "dunkler Propaganda", das Innenministerium verweist auf eine Politik der Null-Toleranz für Folterer und Verbesserungen wie Videoüberwachung für Polizeiwachen. Die Hotline der Anwälte konterte unlängst mit einer Liste der schlimmsten Polizeiwachen Istanbuls. Trauriger Spitzenreiter ist ausgerechnet das Kommissariat im beliebten Touristenviertel Taksim.
Das Telefon klingelt. Dieses Mal ist ein Polizist dran. Nicht um zu drohen, sondern um Hilfe zu bekommen. Der Mann liegt mit seinen Vorgesetzten im Rechtsstreit. Ob die Hotline auch ihm helfen könne? "Selbstverständlich", sagt Rechtsanwalt Tanay, "wir helfen auch der Polizei."
Rechtsanwalt Taylan Taner vertritt das schwer verletzte Opfer vor Gericht und startete gemeinsam mit Kollegen das Nottelefon:
"Wir wussten immer über Misshandlungen und Folter in Gefängnissen und Polizeistationen. Doch nun häufen sich wieder die Polizeiübergriffe auf Bürger auf der Straße, zum Teil am helllichten Tag. Wir hatten das Gefühl, endlich etwas tun zu müssen. Auch weil sich die meisten Opfer immer noch nicht trauen, sich gegen ihre Peiniger zu wehren."
Unter 444 1559 können Betroffene rund um die Uhr vor allem anwaltliche Hilfe bekommen. Allein in der ersten Woche meldeten sich 80 Hilfesuchende. 150 Istanbuler Rechtsanwälte haben sich bereit erklärt, dem Netzwerk honorarfrei zur Verfügung zu stehen. So können Festgenommene binnen weniger Stunden Besuch von einem Anwalt bekommen. Taners Erfahrung ist, dass sich die Polizei dann meistens freundlich und kooperativ zeigt. Ihnen sei dann klar, dass sie beobachtet würden:
"Übergriffe werden immer häufiger durch Handykameras dokumentiert. Und Zeugen scheuen sich auch nicht länger, in den Medien und vor Gericht auszusagen. Das erhöht unsere Erfolgschancen, wenn wir die Polizisten vor Gericht bringen."
Eines der ersten Opfer, das sich an den Notruf wandte, war der 50-jährige Taxifahrer Serkis Yogurtcu. Nach einem lautstarken Streit mit seiner Ehefrau hatten Nachbarn die Polizei gerufen.
"Ich stand vor dem Haus, um frische Luft zu schnappen. Die Polizisten legten mir sofort Handschellen an, als ich protestierte begannen sie mich zu schlagen. Als meine Frau dazu kam, schlugen sie auch sie. Dann brachten sie mich in eine Seitenstraße und schlugen und traten dort weiter auf mich ein."
Die Ehefrau des Opfers wählte die Nummer von "Hilfe, Polizei", und Yogurtcu bekam kurz darauf Beistand von einem Anwalt, der sicher stellen konnte, dass die Verletzungen von einem Arzt korrekt attestiert wurden. Auf die Anzeige des Opfers reagierten die verantwortlichen Polizisten – wie so häufig - mit einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Auch die Helfer der Hotline bekommen regelmäßig die Wut der Polizisten zu spüren. Jeder fünfte Anruf sei ein Drohanruf, berichten die Anwälte.
Die Regierung bestreitet, dass die Polizeigewalt im Land zugenommen habe. Ministerpräsident Erdogan spricht von "dunkler Propaganda", das Innenministerium verweist auf eine Politik der Null-Toleranz für Folterer und Verbesserungen wie Videoüberwachung für Polizeiwachen. Die Hotline der Anwälte konterte unlängst mit einer Liste der schlimmsten Polizeiwachen Istanbuls. Trauriger Spitzenreiter ist ausgerechnet das Kommissariat im beliebten Touristenviertel Taksim.
Das Telefon klingelt. Dieses Mal ist ein Polizist dran. Nicht um zu drohen, sondern um Hilfe zu bekommen. Der Mann liegt mit seinen Vorgesetzten im Rechtsstreit. Ob die Hotline auch ihm helfen könne? "Selbstverständlich", sagt Rechtsanwalt Tanay, "wir helfen auch der Polizei."