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Italiens hat Angst vor einer Energiekrise

Den ersten Schock erlebten die Italiener im Sommer 2004: ein umgestürzter Baum hatte für einen Kurzschluss an der Hochspannungsleitung zwischen der Schweiz und Norditalien gesorgt. Durch den plötzlichen Spannungsabfall brach die gesamte italienische Stromversorgung bis nach Sizilien für viele Stunden völlig zusammen. Das System der Energieverteilung erwies sich als völlig unzureichend.

Von Karl Hoffmann |
    Der zweite Schrecken hatte seine Ursachen in Osteuropa. Die gedrosselte Gaszufuhr ließ das Schlimmste befürchten: nach nur gut zwei Wochen wären die nationalen Gasreserven aufgebraucht worden und zahlreichen Kraftwerken der Nachschub ausgegangen. Die drastisch sichtbar gewordene Abhängigkeit Italiens von Lieferungen aus dem Ausland ist für den Energieexperte Guido Viali ein dramatisches Problem.

    "Heute hängen wir von Russland ab, morgen von Algerien, ein Land, das uns mit seinem Erdgas erpressen kann obwohl es außer als Gaslieferant eigentlich keinerlei strategische Bedeutung hat . Und selbst mit Kernenergie wäre das Problem nicht gelöst, den abgesehen von den Umweltproblemen, auch beim Uran sind wir abhängig von Einfuhren aus dem Ausland."

    In der Folge der Katastrophe von Tschernobyl entschieden sich die Italiener in einer Volksabstimmung am 8. November 1987 für den Ausstieg aus der Kernenergie. Die vier im Bau oder in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke wurden geschlossen oder abgeschaltet. Seither produziert Italien 80 Prozent seines Strombdarfs – etwa 50 Millionen Wegawattstunden - in Kraftwerken die mit Fossilen Brennstoffeinfuhren gespeist werden. Und die sind ausgesprochen krisenanfällig.

    Der jüngste Streit ums russische Gas hat die Diskussion um die Kernenergie in Italien wieder heftig aufleben lassen. In einer konfusen politischen Lage - in wenigen Monaten stehen Neuwahlen an -forderte Regierungschef Berlusconi, eine Rückkehr zur Kernenergie. Die Nuklearlobby jubelt: in nur 3 Jahren könnten die seit 20 Jahren stillgelegten Reaktoren wieder angeworfen werden. Doch unabhängige Experten sind skeptisch: die italienische Energiekrise ist kein technisches, sondern ein politisches Problem. Meint Der Physiker Tullio Regge von der Universität in Turin:

    Italien hat keinerlei klaren Vorstellungen. Sämtliche Regierung der letzten Jahrzehnte haben wichtige Entscheidungen in der Energiepolitik tunlichst vermeiden, um Schwierigkeiten und unliebsamen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Und inzwischen steuern wir mitten in die Katastrophe. Die sich ganz plötzlich ergeben durch politische Krisen irgendwo auf der Welt, durch die die Rohstofflieferungen ins Stocken kommen.

    Die Stromerzeugung ist de facto ein Monopolunternehmen in Italien. Die beiden einstigen Staatsbetriebe ENI und ENEL teilen sich in Rohstoffförderung , Import und Umwandlung in Energie und verdienen dabei viel Geld. Kein Wunder dass diese mächtige Lobby eine ernsthafte Diskussion der Politiker über Energiesparen und alternative Energien bisher erfolgreich hat verhindern können. Meint der Wirtschaftsfachmann Guido Viali :

    Wir verbrauchen in allen Bereichen drei und viermal so viel Energie wie eigentlich nötig wäre um den bisher erreichten Lebensstandard zu erhalten. Und warum? Nun, es fehlt jegliche staatliche Förderung von energiesparenden Maßnahmen. Oder zur Nutzung der natürlich Energiequellen, die uns reichlich zur Verfügung stehen., Allen voran der Sonnenenergie. Italien könnte sich eigentlich glücklich schätzen. Denn bei uns beträgt die Sonneneinstrahlung das vierfache anderer europäischer Länder. Trotzdem erzeugen acht Millionen Schweden viermal so viel Sonnenenergie wie 55 Millionen Italiener.