Also, mich interessieren hauptsächlich auch nur solche Texte, wo ich noch für mich ‘ne Erzählstufe finde, wo ich weiter erzählen kann oder ‘ne Nebengeschichte noch erzählen kann – also der noch so offen ist für mich. Es gibt sehr viel Texte, die genau beschreiben, wie sieht der aus, was macht der genau, und ich hab auch festgestellt, wenn ich das nicht bediene, monieren Kinder das: weil er nicht genau so im Bild ist oder anders im Bild ist, als im Text – ist natürlich für ‘ne Illustratorin relativ uninteressant.
Antwortet die Zeichnerin so lakonisch und nüchtern, als könne sie gar nicht nachvollziehen, daß ihr mit ihren Illustrationen zu Ludwig Tiecks "Gestiefeltem Kater" auf der einen und zu Antonio Skármetas Erzählung "Der Aufsatz" auf der anderen Seite zwei außerordentlich schöne und anspruchsvolle Kinderbücher gelungen sind, die mehr als den zweiten Blick lohnen.
Eine Kinderbuchfassung des "Gestiefelten Katers", das scheint ja zunächst fast eine Selbstverständlichkeit zu sein, denn immerhin handelt es sich doch um ein bekanntes Märchen. Aber halt! Das Märchen, das durch die Gebrüder Grimm berühmt wurde, ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bühnenstück von Ludwig Tieck. Beide gehen zwar auf dieselbe Quelle aus dem 17. Jahrhundert zurück. Doch bei Ludwig Tieck, einem Wortführer der Romantik, verwandelt sich der Gestiefelte Kater in ein geradezu tolldreistes Bühnenstück, oder besser gesagt: in die Erzählung von der Aufführung dieses Märchens auf einer Theaterbühne, bei der aber alles drunter und drüber geht: Dauernd beschwert sich das kleinstädtische Publikum lautstark darüber, wie schlecht und unlogisch die Aufführung sei. Es fordert den Dichter auf, immer neue Einfälle zu produzieren, doch diesem gelingt es immer weniger, die Bedürfnisse der Schreihälse auf den teueren Plätzen zu erfüllen – bis schließlich, aus Versehen oder als ein letzter Verzweiflungsakt der Bühnenarbeiter, die Kulisse von Mozarts "Zauberflöte" erscheint. Da plötzlich ist das Publikum hellauf begeistert.
Das Märchen "Der gestiefelte Kater" kommt bei Tieck eigentlich nur wie ein Buch im Buch vor. Eigentlich ging es ihm aber um eine Kritik am zeitgenössischen Theaterpublikum, das sich nur noch für Kulissen und Staffage, aber überhaupt nicht mehr für die Inhalte von Theater und Literatur interessiert. Bruno Blume, der nun den Text für die Kinderbuchversion geschrieben hat, bedient sich eines schönen Einfalls, um dieses durchaus anspruchsvollen Stoff für Kinder aufzuschließen. In einer kleinen Vorrede schildert er, wie das Theaterpublikum mißtrauisch die Ankündigung dieses Theaterabends kommentiert, weil, Zitat, man im Theater "ernsthafte Stücke und keine Kindereien sehen" will. Denn "Kinder sind unfertige Menschen, meinen sie." Zusammen mit den Zeichnungen von Jacky Gleich entwickelt sich die verrückte Geschichte mit der total gescheiterten Aufführung zu einem ziemlich bunten Treiben, das die jungen Leser ihrerseits zu Zuschauern macht, wie sich in der albernen Erwachsenenwelt das kindisch schrille Publikum mit den armen Schauspielern und dem Dichter streitet. Ein raffinierter Rollentausch, der die jungen Leserinnen und Leser zu den eigentlich Erwachsenen macht, die sich über das kindische Verhalten der Großen nur amüsieren können.
Also was mich bei dem Stück gereizt hat, ist also diese Vermischung mit den Zuschauern, das fand ich total komisch. Also ich kann mir das auch wirklich superkomisch im Theater selbst vorstellen, daß da Zuschauer mitspielen und das ganze Stück durcheinander bringen, also das hat mich daran gereizt, dieses völlige Durcheinander und auch diese Tragik von dem Dichter, der ist ja irgendwie ‘ne tragische Figur, wie er da immer wieder sich Mühe gibt und sie lassen ihn einfach nicht.
meint Jacky Gleich, die es immer wieder versteht, ihren Figuren mit klaren Konturen und einer geradezu virtuosen Raumaufteilung eindrucksvolle Gesichter und Gesten zu geben. Selbst bei den maskierten Schauspielern, aber auch beim Publikum gelingen ihr grandiose, wie schnell hingeworfene Charakterstudien, die sie oft aus der Erinnerung nach lebenden Modellen entwirft. Das zunehmende Durcheinander auf der Bühne scheint außerdem ihrer Begabung zu schwungvollen, handlungsreichen Szenen entgegenzukommen. Schließlich hat die 1964 in Darmstadt geborene und in der Nähe Berlins aufgewachsene Zeichnerin zunächst eigentlich Bühnenbild und dann Trickfilm studiert. Ihr Einstieg in die Kinderbuchillustration habe sich eher aus Zufall ergeben, berichtet Jacky Gleich. Aber es ist eine Erfolgsgeschichte. Über dreißig Kinderbücher, drei davon gemeinsam mit ihrem Mann Bruno Blume, hat Jacky Gleich bisher illustriert und zahlreiche Preise dafür eingeheimst. Man könnte meinen, daß ihr Talent zu Comic, Charakterstudie und der Dynamik des filmischen Zeichnens sie vor allem für turbulente und eher lustige Stoffe prädestiniert, aber das wehrt Jacky Gleich eher ab. Sie sei dankbar dafür, sagt sie, daß sie einem Projekt wie Antonio Skármetas Kinderbuch "Der Aufsatz" habe mitmachen dürfen, einem Kinderbuch, das so gar nicht in den derzeitigen Trend zu spaßigen oder abenteuerlichen Kinderbücher paßt, die den Markt überschwemmen.
"Der Aufsatz" ist so etwas wie ein politisches Märchen, geschrieben von einem Autor, der zu den bedeutenden Romanciers Chiles gehört und der auch einige Jahre in Deutschland gelebt hat. Die Geschichte handelt von Pedro, einem kleinen Jungen, der in einer Diktatur aufwächst und eines Tages in der Schule einen Aufsatz schreiben soll über das, was seine Eltern an einem normalen Tag so tun. Der Auftrag für diesen Aufsatz kommt von einem General, und es ist klar, daß der sich von den Kindern Informationen erhofft über oppositionelle Umtriebe unter den Eltern oder Lehrern. Und der kleine Pedro steht vor einer großen Herausforderung, denn natürlich hören seine Eltern jeden Abend verbotene Sender im Radio. Und Jacky Gleich bekennt, dass das für Kinder hierzulande vielleicht zunächst einmal gar nicht so leicht nachzuvollziehen ist, was in dieser Geschichte gespielt wird.
Sie haben nicht den direkten Konflikt, so wie der Pedro hat. Das fand ich auch schwierig, so zu illustrieren, wie mach ich das, daß es Kinder auch hier interessiert? Deswegen ist auch die kindliche Perspektive vielleicht drin, hat natürlich Skármeta auch schon toll gemacht, einfach diese Kinderebene, was machen die Kinder auf dem Geburtstagsfest, wenn das Mädchen ihn küssen will, wußt ich sofort: meine Tochter! Das ist die beste Stelle da solche Sachen da reinzubringen, auch universal anwendbar zu machen auf der Welt.
Ähnlich wie in dem turbulent bunten Tieck-Märchen vom Gestiefelten Kater zielt Jacky Gleich mit ihren Bildern hier auf die kindliche Perspektive, doch diesmal zeigt sie eine ernste, bedrohliche, für den kleinen Pedro immer auch ein wenig ernüchternde Realität der Erwachsenen. Wenn er am Ende in dem Pflichtaufsatz schreibt, daß zuhause am Feierabend immer nur Schach gespielt wird, ist das für seine Eltern zunächst einmal eine große Erleichterung – es ist aber auch eine symbolische Andeutung, für eine ernste und unfreiwillige Form des Erwachsenwerdens, das Pedro erlebt.
Schachspiel ist ja auch ein Symbol für – also wie man die Figuren schiebt, wie entscheidet sich das Spiel, sozusagen, und das lernt ja der Pedro letztlich auch sich in dem Spiel des Lebens zu behaupten und seinen Platz da auch einzunehmen. Also, da ist ‘ne Sehnsucht, erzählt ja auch der Pedro, er möchte auch mal Schachspielen und vielleicht: macht doch mal wirklich was mit mir und hört nicht nur jeden Abend Radio, das ist ja auch irgendwo noch mit drin. Diese Diktatur okkupiert ja auch die Eltern auf ‘ne ganz bestimmte Art, nämlich für das Kind auch geistig nicht mehr da sein zu können, weil sie so verängstigt oder so vereinnahmt sind von den politischen Auseinandersetzungen, die die haben.
Obgleich schon die von Willi Zurbrüggen sehr schön übersetzte Erzählung von Antonio Skármeta die kindliche Perspektive auf die Sorgen der Erwachsenen großartig einfängt, sind es letztlich die Zeichnungen von Jacky Gleich, die auch zum lesen verführen, ist es ihr ausdrucksvoller, sofort verständlicher und handlungsreicher Stil, der ihre Illustrationen immer zu einer eigenen kleinen, in jedem Fall aber sehenswerten Erzählung werden läßt.
Antwortet die Zeichnerin so lakonisch und nüchtern, als könne sie gar nicht nachvollziehen, daß ihr mit ihren Illustrationen zu Ludwig Tiecks "Gestiefeltem Kater" auf der einen und zu Antonio Skármetas Erzählung "Der Aufsatz" auf der anderen Seite zwei außerordentlich schöne und anspruchsvolle Kinderbücher gelungen sind, die mehr als den zweiten Blick lohnen.
Eine Kinderbuchfassung des "Gestiefelten Katers", das scheint ja zunächst fast eine Selbstverständlichkeit zu sein, denn immerhin handelt es sich doch um ein bekanntes Märchen. Aber halt! Das Märchen, das durch die Gebrüder Grimm berühmt wurde, ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Bühnenstück von Ludwig Tieck. Beide gehen zwar auf dieselbe Quelle aus dem 17. Jahrhundert zurück. Doch bei Ludwig Tieck, einem Wortführer der Romantik, verwandelt sich der Gestiefelte Kater in ein geradezu tolldreistes Bühnenstück, oder besser gesagt: in die Erzählung von der Aufführung dieses Märchens auf einer Theaterbühne, bei der aber alles drunter und drüber geht: Dauernd beschwert sich das kleinstädtische Publikum lautstark darüber, wie schlecht und unlogisch die Aufführung sei. Es fordert den Dichter auf, immer neue Einfälle zu produzieren, doch diesem gelingt es immer weniger, die Bedürfnisse der Schreihälse auf den teueren Plätzen zu erfüllen – bis schließlich, aus Versehen oder als ein letzter Verzweiflungsakt der Bühnenarbeiter, die Kulisse von Mozarts "Zauberflöte" erscheint. Da plötzlich ist das Publikum hellauf begeistert.
Das Märchen "Der gestiefelte Kater" kommt bei Tieck eigentlich nur wie ein Buch im Buch vor. Eigentlich ging es ihm aber um eine Kritik am zeitgenössischen Theaterpublikum, das sich nur noch für Kulissen und Staffage, aber überhaupt nicht mehr für die Inhalte von Theater und Literatur interessiert. Bruno Blume, der nun den Text für die Kinderbuchversion geschrieben hat, bedient sich eines schönen Einfalls, um dieses durchaus anspruchsvollen Stoff für Kinder aufzuschließen. In einer kleinen Vorrede schildert er, wie das Theaterpublikum mißtrauisch die Ankündigung dieses Theaterabends kommentiert, weil, Zitat, man im Theater "ernsthafte Stücke und keine Kindereien sehen" will. Denn "Kinder sind unfertige Menschen, meinen sie." Zusammen mit den Zeichnungen von Jacky Gleich entwickelt sich die verrückte Geschichte mit der total gescheiterten Aufführung zu einem ziemlich bunten Treiben, das die jungen Leser ihrerseits zu Zuschauern macht, wie sich in der albernen Erwachsenenwelt das kindisch schrille Publikum mit den armen Schauspielern und dem Dichter streitet. Ein raffinierter Rollentausch, der die jungen Leserinnen und Leser zu den eigentlich Erwachsenen macht, die sich über das kindische Verhalten der Großen nur amüsieren können.
Also was mich bei dem Stück gereizt hat, ist also diese Vermischung mit den Zuschauern, das fand ich total komisch. Also ich kann mir das auch wirklich superkomisch im Theater selbst vorstellen, daß da Zuschauer mitspielen und das ganze Stück durcheinander bringen, also das hat mich daran gereizt, dieses völlige Durcheinander und auch diese Tragik von dem Dichter, der ist ja irgendwie ‘ne tragische Figur, wie er da immer wieder sich Mühe gibt und sie lassen ihn einfach nicht.
meint Jacky Gleich, die es immer wieder versteht, ihren Figuren mit klaren Konturen und einer geradezu virtuosen Raumaufteilung eindrucksvolle Gesichter und Gesten zu geben. Selbst bei den maskierten Schauspielern, aber auch beim Publikum gelingen ihr grandiose, wie schnell hingeworfene Charakterstudien, die sie oft aus der Erinnerung nach lebenden Modellen entwirft. Das zunehmende Durcheinander auf der Bühne scheint außerdem ihrer Begabung zu schwungvollen, handlungsreichen Szenen entgegenzukommen. Schließlich hat die 1964 in Darmstadt geborene und in der Nähe Berlins aufgewachsene Zeichnerin zunächst eigentlich Bühnenbild und dann Trickfilm studiert. Ihr Einstieg in die Kinderbuchillustration habe sich eher aus Zufall ergeben, berichtet Jacky Gleich. Aber es ist eine Erfolgsgeschichte. Über dreißig Kinderbücher, drei davon gemeinsam mit ihrem Mann Bruno Blume, hat Jacky Gleich bisher illustriert und zahlreiche Preise dafür eingeheimst. Man könnte meinen, daß ihr Talent zu Comic, Charakterstudie und der Dynamik des filmischen Zeichnens sie vor allem für turbulente und eher lustige Stoffe prädestiniert, aber das wehrt Jacky Gleich eher ab. Sie sei dankbar dafür, sagt sie, daß sie einem Projekt wie Antonio Skármetas Kinderbuch "Der Aufsatz" habe mitmachen dürfen, einem Kinderbuch, das so gar nicht in den derzeitigen Trend zu spaßigen oder abenteuerlichen Kinderbücher paßt, die den Markt überschwemmen.
"Der Aufsatz" ist so etwas wie ein politisches Märchen, geschrieben von einem Autor, der zu den bedeutenden Romanciers Chiles gehört und der auch einige Jahre in Deutschland gelebt hat. Die Geschichte handelt von Pedro, einem kleinen Jungen, der in einer Diktatur aufwächst und eines Tages in der Schule einen Aufsatz schreiben soll über das, was seine Eltern an einem normalen Tag so tun. Der Auftrag für diesen Aufsatz kommt von einem General, und es ist klar, daß der sich von den Kindern Informationen erhofft über oppositionelle Umtriebe unter den Eltern oder Lehrern. Und der kleine Pedro steht vor einer großen Herausforderung, denn natürlich hören seine Eltern jeden Abend verbotene Sender im Radio. Und Jacky Gleich bekennt, dass das für Kinder hierzulande vielleicht zunächst einmal gar nicht so leicht nachzuvollziehen ist, was in dieser Geschichte gespielt wird.
Sie haben nicht den direkten Konflikt, so wie der Pedro hat. Das fand ich auch schwierig, so zu illustrieren, wie mach ich das, daß es Kinder auch hier interessiert? Deswegen ist auch die kindliche Perspektive vielleicht drin, hat natürlich Skármeta auch schon toll gemacht, einfach diese Kinderebene, was machen die Kinder auf dem Geburtstagsfest, wenn das Mädchen ihn küssen will, wußt ich sofort: meine Tochter! Das ist die beste Stelle da solche Sachen da reinzubringen, auch universal anwendbar zu machen auf der Welt.
Ähnlich wie in dem turbulent bunten Tieck-Märchen vom Gestiefelten Kater zielt Jacky Gleich mit ihren Bildern hier auf die kindliche Perspektive, doch diesmal zeigt sie eine ernste, bedrohliche, für den kleinen Pedro immer auch ein wenig ernüchternde Realität der Erwachsenen. Wenn er am Ende in dem Pflichtaufsatz schreibt, daß zuhause am Feierabend immer nur Schach gespielt wird, ist das für seine Eltern zunächst einmal eine große Erleichterung – es ist aber auch eine symbolische Andeutung, für eine ernste und unfreiwillige Form des Erwachsenwerdens, das Pedro erlebt.
Schachspiel ist ja auch ein Symbol für – also wie man die Figuren schiebt, wie entscheidet sich das Spiel, sozusagen, und das lernt ja der Pedro letztlich auch sich in dem Spiel des Lebens zu behaupten und seinen Platz da auch einzunehmen. Also, da ist ‘ne Sehnsucht, erzählt ja auch der Pedro, er möchte auch mal Schachspielen und vielleicht: macht doch mal wirklich was mit mir und hört nicht nur jeden Abend Radio, das ist ja auch irgendwo noch mit drin. Diese Diktatur okkupiert ja auch die Eltern auf ‘ne ganz bestimmte Art, nämlich für das Kind auch geistig nicht mehr da sein zu können, weil sie so verängstigt oder so vereinnahmt sind von den politischen Auseinandersetzungen, die die haben.
Obgleich schon die von Willi Zurbrüggen sehr schön übersetzte Erzählung von Antonio Skármeta die kindliche Perspektive auf die Sorgen der Erwachsenen großartig einfängt, sind es letztlich die Zeichnungen von Jacky Gleich, die auch zum lesen verführen, ist es ihr ausdrucksvoller, sofort verständlicher und handlungsreicher Stil, der ihre Illustrationen immer zu einer eigenen kleinen, in jedem Fall aber sehenswerten Erzählung werden läßt.