Archiv


Jacques-Nicolas Lemmens - Orgelwerke

Das Thema heute: zwei neue Produktionen mit romantischer Orgelmusik, die beide bei der Firma Dabringhaus und Grimm erschienen sind: zunächst Musik des belgischen Komponisten Jacques-Nicolas Lemmens, dann eine Box mit drei CDs, die dem Werk des französischen Komponisten Louis Vierne gewidmet sind. Interpret der Neuaufnahmen ist in beiden Fällen der Niederländer Ben van Oosten. * Musikbeispiel: Jacques-Nicolas Lemmens - "Fanfare" (Allegro non troppo) Das war die Fanfare D-dur, eines der bekanntesten Stücke des belgischen Organisten, Pädagogen und Komponisten Jacques-Nicolas Lemmens, durchgehend ungebunden, staccato zu spielen, damals ein Novum für die Orgelmusik, in der Folge dann aber geradezu ein Muster für die großen französischen Orgeltoccaten der Romantik. Auch sonst gilt der 1823 bei Antwerpen geborene Lemmens als Vorbild und Vermittler in der Geschichte der Orgelmusik. Mit zu seinen Verdiensten zählt die Wiederbelebung der belgischen und französischen Orgelmusiktradition durch genaue Kenntnis des deutschen Barock, vor allem der Werke Johann Sebastian Bachs. Außerdem wurde er zum Vorbild für den berühmten französischen Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll, der in Lemmens den "véritable organiste moderne", den wahrhaft modernen Organisten sah: Unter seinem Einfluß entwickelte sich jene ideale Wechselwirkung zwischen Orgelbau, Orgelspiel und Komposition, die für das Entstehen der uns heute als französisch-symphonischer Orgelstil bekannten Musikrichtung erst die Voraussetzung schaffte. Und Lemmens war es auch, zu dem vielversprechende junge französische Talente wie Alexandre Guilmant oder Charles-Marie Widor zum Unterricht nach Brüssel pilgerten. Im Zentrum der Lemmens-CD stehen dessen drei Orgelsonaten, die 1874 zum ersten Mal veröffentlicht wurden. In jeweils drei bzw. vier Sätzen, die untereinander in keinem direkten musikalischen Zusammenhang stehen, kombiniert Lemmens unterschiedlichste Stilelemente von der freien Fantasie bis zu strengen Fugen, die jeweils den Abschluss der Sonaten bilden. Daneben fallen choralartige, an Mendelssohn erinnernde Liedformen oder die eher in England beliebten Orgelmärsche auf. Zur Realisierung der CD zogen Dabringhaus und Grimm mit ihrer Aufnahmeapparatur ins belgische Laeken, wo das größte neugotische Gebäude des Landes steht, die 1872 als königliche Grabkirche geweihte Notre-Dame-Kirche mit ihrer zwei Jahre später fertiggestellten großen Schyven-Orgel. Hier als weitere Kostprobe das Allegro moderato, der erste Satz von Lemmens erster Orgelsonate. * Musikbeispiel: Jacques-Nicolas Lemmens - 1. Satz aus der Orgelsonate Nr. 1 "Pontificale" Wer sich für die französische Orgelromantik interessiert, kommt inzwischen an Dabringhaus und Grimm kaum vorbei. Die in Detmold ansässige Schallplattenfirma hat mit Ben van Oosten einen der kompetentesten Interpreten für diese Musik unter Vertrag. Ben van Oosten wurde 1955 in Den Haag geboren; an der dortigen "Großen Kirche" ist er heute Titularorganist, außerdem unterrichtet er am Konservatorium in Rotterdam als Professor für Orgelspiel. Konzertreisen führten ihn in die ganze Welt; die Französische Regierung erhob ihn 1998 für seine Verdienste um die französische Musik in den Rang eines "Chevalier dans l'Ordre des Arts et Lettres". Seine CD-Produktionen wurden wiederholt mit begehrten Schallplattenpreisen ausgezeichnet, wobei die Orgelsinfonien und weitere Stücke Charles-Marie Widors in sieben Teilen komplett vorliegen. Mit der Einspielung der Orgelsonaten von Alexandre Guilmant und verschiedener Werke von Marcel Dupré hat er begonnen.

Ludwig Rink |