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Jagd auf den Killer

Glenn Meades neuester Krimi "Der Jünger des Teufels" bewegt sich mit dem Geschwindigkeit einer Harley Davidson, verliert keine Zeit mit überflüssigen Situationsbeschreibungen, sondern bietet 541 Seiten lang knallharte, Angst einflößende Dialoge und Actionszenen.

Von Ingrid Müller-Münch |
    Dublin. Der irische Krimiautor Glenn Meade wirkt an diesem Morgen leicht angeschlagen. Am Abend zuvor hatte Meade eine Handvoll Journalisten in sein außerhalb von Dublin gelegenes Haus eingeladen, mitten in die hügelige Landschaft der Wicklow-Mountains, zum Aperitif mit sanftem Jameson-Whiskey, der sich ganz von selbst die Kehle runterspült. Nun soll er Rede und Antwort stehen, seinen neuesten, soeben in Deutschland erschienenen Krimi "Der Jünger des Teufels" vorstellen.

    "Ganz allgemein handelt das Buch von einem Serienmörder, der hingerichtet werden soll, weil er 30 Menschen umgebracht hat. Zwei seiner Opfer standen in Verbindung mit der Hauptperson des Romanes, der FBI-Agentin Kate Moran. Ihr Lebensgefährte und dessen Kind wurden von diesem Serienmörder umgebracht. Er tat dies hauptsächlich, um sich an ihr zu rächen. Denn seit Jahren schon war sie auf seinen Spuren, jagte ihn und versuchte ihn zu fassen.

    Nun soll er hingerichtet werden. In letzter Minute bittet er, Kate Moran noch einmal sprechen zu dürfen. Dies wird genehmigt. Sie geht in seine Zelle. Und dort gesteht er ihr, dass er zwar all die anderen Menschen, deretwegen er zum Tode verurteilt wurde, auch tatsächlich umgebracht habe, aber nicht Kate Morans Verlobten und dessen Tochter. Dies hätte er gar nicht gekonnt, da er zeitgleich ganz woanders zwei Menschen tötete.

    Kate glaubt ihm zunächst nicht. Er wird abgeführt, hingerichtet. Doch etwa eine Woche nach seinem Tod beginnt das Morden erneut, so dass sich die Frage stellt: Werden die neuen Morde von jemanden begangen, der ihn nachahmt? Oder könnte ein Serienkiller wie Constantine Gemal die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl überlebt haben?"

    Eine Frage, die Glenn Meade schon seit langem umtrieb.

    "Was mich beschäftigte, war die Frage, was wäre eigentlich wenn ein Serienmörder seine Hinrichtung überleben und zurück käme und erneut morden würde? Ist das überhaupt möglich? Je länger ich nachforschte, desto klarer wurde mir, dass dies tatsächlich möglich wäre. Es gibt Gegengifte zu den durch eine Todesspritze injizierten Mitteln. Wenn die gleichzeitig verabreicht würden, könnte der Todeskandidat überleben. Das beschäftigte mich so, dass ich in das Hochsicherheitsgefängnis nach Greensville in Virginia fuhr, wo viele Häftlinge hingerichtet werden."

    Glenn Meade ist seiner Zeit manchmal weit voraus. In seinen bekanntesten Krimi "Die Achse des Bösen" hat er noch vor dem Anschlag auf das World-Trade-Center einen Terrorangriff gegen die USA vorhergesagt. Seine teils historischen, teils aktuell politischen Krimis erfordern stets eine gründliche Recherche:

    "Normalerweise verbringe ich zwei drei Monate damit, nur an das neue Buch zu denken. In der Zeit laufe ich im Haus herum, rede mit mir selbst, lese viel Recherchematerial, schreibe noch nicht, notiere auch nichts. Erst nach diesen Monaten mache ich mir erste Notizen, entwerfe das Buch, schreibe mir den Rahmen der Geschichte auf und beginne mit meinen Recherchereisen. Auf diese Reisen nehme ich eine Videokamera mit. Damit nehme ich die Schauplätze auf, die in meinem Buch vorkommen werden. Das hilft mir, mich an die Orte zu erinnern, sie zu beschreiben."

    Glenn Meads neuester Krimi "Der Jünger des Teufels" bewegt sich mit dem Speed einer Harley Davidson, schleppt den Leser von Schrecken zu Schrecken, verliert keine Zeit mit überflüssigen Situationsbeschreibungen, sondern bietet 541 Seiten lang knallharte, Angst einflößende Dialoge und Actionszenen. Keinerlei sprachlicher Schnickschnack wird hier geboten, nur die Jagd auf den Killer zählt. Wer zielgerichtet aber kurvenreich durch die Welt jetten mag, um über alle Maßen flexible, einfallsreiche und dabei unauffällige Serienmörder zu jagen, der ist bei dem neuesten Krimi des irischen Autors genau richtig. Seine bisherigen, in Millionenauflage erschienenen, in über 20 Sprachen übersetzten Krimis spielten bislang in Deutschland, Ägypten, den USA - niemals in Irland. Warum das so ist, beantwortet er folgendermaßen.

    "Ich wuchs in einem typischen Dubliner Arbeiterviertel auf. Meine Eltern waren arm. Mein Vater war ein einfacher Arbeiter. Wir lebten in einer toughen Gegend. Und das letzte, was ich mir wünschte, war genau hier zu leben. Hier passierte nichts Interessantes, nicht Exotisches. Ich kannte jede Straße, jede Gasse. Für mich war Reisen immer schon etwas Besonderes."

    Damals entdeckte er seine Lust daran, weiße Blätter mit Buchstaben zu füllen:

    "Mein Vater war früher bei einer Firma beschäftigt, die Schreibmaschinen herstellte. Und ich kann mich noch gut erinnern, als ich so vier oder fünf Jahre alt war, standen immer irgendwelche Schreibmaschinen im Haus herum. Und mich faszinierte es ihm zuzusehen, wie seine Finger über die Tastatur glitten. Er spannte immer ein weißes Blatt Papier ein, um die Maschinen zu testen. Mich hat das von klein an fasziniert. Schreiben ist nichts anderes, als weiße Blätter mit Buchstaben zu füllen. Du hast das Gefühl, nicht vollständig zu sein, bevor Du nicht das Blatt beschrieben hast. So sind diese Spiele mit meines Vaters Schreimaschinen-Tastaturen meine früheste Erinnerung ans Schreiben."

    Sein Elternhaus in Dublin, seine Familie, sein Sohn - Irland ist seine Heimat. Trotz des Regens lebt er gerne hier.

    "Weil der Alkohol hier so gut schmeckt Ich bin hier geboren, lebte eine zeitlang in Amerika, kann aber eigentlich nirgendwo anders leben. Irland hat so etwas Melancholisches. Das kann man nur als Ire verstehen. Die Leute sind umgänglich, sehr entspannt, auch wenn es hier manchmal so ist, als lebe man in einer Autowaschanlage. Aber Regen spielt auch nicht so eine wichtige Rolle."

    Iren wird nachgesagt, sie seien großartige Geschichtenerzähler. Glenn Meade jedenfalls ist einer, allein schon wenn er ein Beispiel dafür liefert, wie langsam die Uhren einst auf seiner grünen Heimatinsel schlugen und was sich geändert hat, seitdem die Wirtschaft boomt, das Land im Takt der Globalisierung schlägt.

    "Irland hat sich sehr verändert. Früher ging hier alles sehr langsam. Als ich vor etwa 15 Jahren mit einem Theater durch Irland tourte, konntest Du dies sehr gut spüren. Einer der Schauspieler stellte in einem kleinen Ort, in dem wir drei Jahre zuvor schon einmal waren, fest, dass er noch immer den Rückholschein des dort ansässigen Schusters in der Tasche bei sich trug, dem er damals ein paar Schuhe zur Reparatur gebracht und sie nicht abgeholt hatte. Also ging er zu diesem Schuster, zeigte den Abholschein und fragte nach, ob der seine Schuhe noch immer aufbewahrt habe. Der Schuster nahm den Rückholschein, betrachtete ihn aufmerksam, und sagte dann: Am kommenden Dienstag sind die Schuhe fertig.

    Heutzutage würde das schneller gehen. Heutzutage wären die Schuhe schon am Montag fertig."


    Glenn Meade: Der Jünger des Teufels
    541 Seiten, 19,95 Euro